Verwaltungsgericht Magdeburg: Einstufung der AfD als Verdachtsfall

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Magdeburg. Die Partei „Alternative fĂŒr Deutschland“ (AfD) begehrte den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt untersagt werden sollte, sie aus verfassungsschutzrechtlichen GrĂŒnden zu beobachten (Einstufung als sog. Verdachtsfall).

Eine Einstufung als Verdachtsfall mit der Folge, dass u. a. nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden können, setzt nach § 7 Abs. 2 VerfSchG-LSA voraus, dass tatsĂ€chliche Anhaltspunkte dafĂŒr vorliegen, die AfD verfolge Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg hat den Antrag abgelehnt.

Zur BegrĂŒndung fĂŒhrte sie aus, die Voraussetzungen fĂŒr die Einstufung der AfD als Verdachtsfall lĂ€gen bei einer Gesamtschau der in das Verfahren eingefĂŒhrten Erkenntnisse vor.

Dies deshalb, so die Kammer, weil es fĂŒr eine mit der Einstufung als Verdachtsfall einhergehenden zielgerichteten Beobachtung durch den Verfassungsschutz lediglich des Vorliegens von Anhaltspunkten in tatsĂ€chlicher Hinsicht bedĂŒrfe, mithin noch nicht der Gewissheit, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Insofern genĂŒge bereits der „Verdacht“ der GefĂ€hrdung von Grundwerten der Verfassung.

Die Kammer sah jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafĂŒr, dass die AfD Bestrebungen verfolge, die sich gegen die durch die Verfassung geschĂŒtzte MenschenwĂŒrde und das Demokratieprinzip in ihrem Wesensgehalt richten wĂŒrden.

FĂŒr eine von der AfD verfolgte Aushöhlung der vom Grundgesetz geschĂŒtzten MenschenwĂŒrde spreche nach Auffassung des Gerichts die systematische Ausgrenzung von allen Personen, die nicht ĂŒber „ethnische Eigenschaft, Deutscher zu sein“ verfĂŒgten, mithin eine tendenzielle Überbetonung der Abstammung, was mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Hinreichende Anhaltspunkte fĂŒr eine zielgerichtete Diffamierung dieses Personenkreises hat die Kammer insbesondere in der Wortwahl, dem Inhalt und Umfang von Äußerungen auf Landes- und kommunaler Ebene gesehen.

Hinreichende Anhaltspunkte fĂŒr Bestrebungen gegen den Wesenskern der bestehenden demokratischen VerhĂ€ltnisse habe die Kammer einer Vielzahl von Äußerungen in Bezug auf staatliche Institutionen entnommen. Diese Äußerungen gingen in massiver Weise ĂŒber die bloße Kritik an bestehenden ZustĂ€nden hinaus und verunglimpften diese in bewusst ĂŒberzogener Weise. Ziel sei es, so das Gericht, diesen Institutionen und damit den demokratischen VerhĂ€ltnissen ihre Daseinsberechtigung abzusprechen.

Das Gericht betonte abschließend, dass sich Maßnahmen des Verfassungsschutzes auch gegen eine Partei richten könnten, die einen nicht unbeachtlichen Teil der Parteienlandschaft der Bundesrepublik Deutschland reprĂ€sentierten. Das insoweit bestehende SpannungsverhĂ€ltnis zwischen der vom Grundgesetz geschĂŒtzten Parteienfreiheit und dem der wehrhaften Demokratie sei aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ĂŒber die Bestrebungen der AfD zu ihren Lasten aufzulösen.

Eine Beobachtung zur KlĂ€rung der Frage, ob die AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, sei deshalb rechtlich zulĂ€ssig und geboten, wobei der Verfassungsschutz bei der Wahl der jeweiligen Einzelmaßnahme – insbesondere bei MandatstrĂ€gern – den Grundsatz der VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸigkeit zu beachten habe.

Aktenzeichen: 9 B 273/21 MD

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskrÀftig.

Verwaltungsgericht Magdeburg am 11. MĂ€rz 2022