Achtung, aufgepasst! / Urteile zum Thema Immobilien und Verkehrssicherungspflicht

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Zu den wichtigsten Dingen, die Haus- und GrundstĂŒckseigentĂŒmer im Alltag beachten sollten, gehört die sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Es geht dabei um die Abwehr von Gefahren, die fĂŒr andere Menschen (Passanten, Besucher) entstehen könnten – sei es durch Baugruben, ungerĂ€umte Wege oder morsche Treppen. In vielen dieser FĂ€lle drohen erhebliche zivilrechtliche Forderungen, wenn sich jemand verletzt hat. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat einige Urteile deutscher Gerichte zu diesem Themenkreis gesammelt.

Urteile im Detail

Es ist nur menschlich, wenn man als FußgĂ€nger auf seinen Wegen durch die Stadt AbkĂŒrzungen nimmt, die sich einem gerade bieten. Allerdings sollte man damit nicht allzu leichtfertig umgehen. Wer nĂ€mlich auf PrivatgelĂ€nde ausweicht, wenn auch geduldet, um schneller voranzukommen, der tut sich nach einem Unfall schwer damit, Schadenersatz und Schmerzensgeld einzufordern. Das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen I-6 U 178/12) verweigerte einem Mann, der auf dem Weg ĂŒber einen privaten Garagenvorplatz auf Glatteis ausgerutscht war, die geforderten 10.000 Euro Schmerzensgeld. FĂŒr den EigentĂŒmer habe keine Streupflicht bestanden.

Wer Erdlöcher aushebt, der trĂ€gt auch die Verantwortung fĂŒr deren Absicherung. Eine EigentĂŒmergemeinschaft wollte die Pflanzinseln in einer Anlage mit mehreren GebĂ€uden neu gestalten. Dazu wurden drei BĂ€ume ausgegraben, der Freiraum sollte bald danach neu bepflanzt werden. Es blieben aber Gruben mit einer Tiefe von 10 bis 15 Zentimetern Tiefe, in die eine Bewohnerin trat und sich prompt verletzte. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 7 U 128/18) sprach ihr nur 1.500 Euro statt der geforderten 5.000 Euro zu. Die Frau treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie das Loch bei entsprechender Aufmerksamkeit hĂ€tte erkennen können.

Von Passanten darf man erwarten, dass sie Warn- und Verbotsschilder beachten. Wenn ein Radfahrer trotz erkennbarer Hinweise in eine Baustelle fĂ€hrt, dann hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz und der Verantwortliche fĂŒr die Baustelle hat seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. So entschied es das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen I-9 U 135/13) in einem entsprechenden Fall. Die Richter kamen zu der Überzeugung, dass die aufgestellten Schilder und Abwehrschranken einen ausreichenden Schutz dargestellt hĂ€tten. Dass sich jemand darĂŒber hinwegsetze, damit mĂŒsse der Verantwortliche nicht rechnen.

Auf einer Baustelle geht es nicht immer geordnet zu. Es liegen Baumaterial und Werkzeuge herum. So war es auch, als an der Grenze zweier GrundstĂŒcke eine Mauer errichtet wurde. Die Nachbarin wollte kurz mit ihrem Nachbarn, dem Auftraggeber, sprechen und begab sich zu diesem Zweck an diesen Gefahrenort. Prompt stĂŒrzte sie ĂŒber einen Schaufelstiel, brach sich einen Oberarmknochen und forderte Schmerzensgeld, dessen Höhe sie ins Ermessen des Gerichts stellte. Doch ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen 6 U 18/17) sprach der Nachbarin nichts zu. „Bereits mit beilĂ€ufigem Blick“ sei es erkennbar gewesen, dass hier eine „besonders vorsichtige Gehweise“ erforderlich sei. Dem habe die Betroffene, die die Baustelle immerhin freiwillig betrat, nicht entsprochen.

Eine besonders hĂ€ufige Stolperfalle stellen Treppenstufen im Hauseingangsbereich dar. Deswegen steht der EigentĂŒmer in einer besonderen Verpflichtung, das Unfallrisiko so weit wie möglich zu mindern. Eine etwa zehn Zentimeter hohe Treppenstufe stellt aber noch keine Gefahrenstelle dar, die beseitigt werden mĂŒsste. So urteilte das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen 7 U 76/19). Selbst in der MorgendĂ€mmerung sei der Stufenstein optisch noch genĂŒgend abgesetzt. Bei gebotener Sorgfalt habe man ihn erkennen können.

Wer mobile Verkehrsschilder aufstellt oder aufstellen lĂ€sst, die auf eine Baustelle hinweisen, der sollte auch fĂŒr deren rechtzeitige Entfernung sorgen. Eine Baufirma, die im Auftrag einer Gemeinde arbeitete, hatte das nicht getan, so dass besagtes Schild noch Wochen nach den Arbeiten im Wege stand. Ein Radfahrer fuhr nachts bei Nieselregen und schlechter Sicht auf das umgefallene mobile Schild auf und verletzte sich erheblich. Das Oberlandesgericht Schleswig (Aktenzeichen 7 U 260/19) erkannte hier eine Amtspflichtverletzung, weil das Schild als potenzielle Gefahrenquelle nicht zeitnah entsorgt worden sei. Gleichzeitig treffe aber den Radfahrer ein nicht unerhebliches Mitverschulden, denn das schlechte Wetter hĂ€tte erhöhte Sorgfalt erfordert. Als Vergleichssumme schlugen die Oberlandesrichter eine Zahlung von 1.000 Euro an den Radfahrer vor.

Wenn eine Tiefgarage nur einem begrenzten Personenkreis zugĂ€nglich ist, dann besteht die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auch nur in einem begrenzten Umfang. Eine PKW-Halterin war beim Fahren mit ihrem Auto aus der Garage unter das sich schließende Kipptor geraten, weil sie einem anderen Fahrzeug ausweichen wollte. Das Amtsgericht MĂŒnchen (Aktenzeichen 454 C 28946/12) sprach der Autofahrerin keinen Schadenersatz zu, weil sie seit zwei Jahren in der Anlage wohne und mit der Funktionsweise des Tores vertraut gewesen sei.

Ein Klassiker der Verkehrssicherungspflicht ist das RĂ€umen von BĂŒrgersteigen bei Schnee und Eis. Vor allem geht es um die Frage, zu welchen Zeiten die EigentĂŒmer von WohngrundstĂŒcken aktiv werden mĂŒssen. Das Kammergericht Berlin (Aktenzeichen 21 U 16/18) entschied, dass in einer Gegend ohne erhöhten Publikumsverkehr auch in der Silvesternacht die RĂ€umpflicht um 20 Uhr enden könne. Hier sei ein privates GrundstĂŒck betroffenen gewesen, das man nicht mit besonders frequentierten Orten vergleichen dĂŒrfe.