LINDNER-Interview: Es gibt keine Erhöhung der Erbschaftsteuer

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Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesminister der Finanzen Christian Lindner gab der „Augsburger Allgemeine“ (Dienstag-Ausgabe) und der „Augsburger Allgemeine Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Rudi Wais:

Frage: Herr Lindner, Erben von Immobilien mĂĽssen vom nächsten Jahr an in zahlreichen Fällen mehr Erbschaftsteuer bezahlen, teilweise sogar deutlich mehr. Hatten Sie nicht versprochen, mit Ihnen als Finanzminister und der FDP in der Regierung werde es keine Steuererhöhungen geben?

Lindner: Es gibt keine Erhöhung der Erbschaftsteuer. Warum sollte ich auch eine Steuer erhöhen, von der nicht mal der Bund profitiert, sondern nur Bayern? Es musste aber auf Verlangen des Verfassungsgerichts das Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien erneuert werden. Das geht pikanterweise auf Horst Seehofer von derselben CSU zurĂĽck, die jetzt dagegen eine Kampagne macht. In der Sache muss sich niemand sorgen. Selbstgenutzte Familienhäuser bleiben zumeist komplett steuerfrei.

Frage: Auch wenn Sie die Steuer nicht direkt erhöhen, eine indirekte Erhöhung bleibt es doch. Kinder fĂĽrchten nun sogar, dass sie ihre Elternhäuser verkaufen mĂĽssen, damit sie die Erbschaftsteuer bezahlen können. Eine begrĂĽndete Sorge?

Lindner: Nein. Wie gesagt, das selbst genutzte Familienheim unter 200 qm bleibt komplett steuerfrei. AuĂźerdem kann man mit einem Gutachten widersprechen, falls der Wert zu hoch angesetzt wird. Von den Möglichkeiten der Steuerstundung will ich gar nicht reden. Eines kann ich leider nicht ändern: Der Wert von Immobilien ist stark gestiegen und das Verfassungsgericht verlangt, dass ein realistischer Wert bei Erbschaften angelegt wird. Da hat niemand eine politische Entscheidungsfreiheit. Egal, ob FDP, SPD oder CSU.

Frage: Viele Menschen fĂĽhlen sich ĂĽberrumpelt, weil das entsprechende Gesetz gerade erst beschlossen wurde, und laufen den Notaren die TĂĽren ein, um ihre Immobilien noch in diesem Jahr zu ĂĽbertragen. Was ist da schief gelaufen?

Lindner: Das Urteil des Verfassungsgerichtes ist Jahre alt, die Verfahrensänderung von Horst Seehofer ist aus dem Jahr 2021. Insofern war der Sachverhalt länger bekannt.

Frage: Auch die Grundsteuer orientiert sich kĂĽnftig stärker am realen Wert einer Immobilie – allerdings erst ab dem Jahr 2025. Wäre es nicht fairer gewesen, die neue Erbschaft- und die neue Grundsteuer gleichzeitig einzufĂĽhren. Es handelt sich in beiden Fällen ja um die gleichen Wohnungen, Häuser und GrundstĂĽcke.

Lindner: Der Gesetzgeber war angehalten, schnellstmöglich die Ă„nderung vorzunehmen. Immobilien dĂĽrfen mit Blick auf ihre Bewertung nicht anders behandelt werden als etwa Aktiendepots. Das hat Karlsruhe untersagt.

Frage: Warum heben Sie die Freibeträge fĂĽr Erbschaften nicht einfach an? Auf der einen Seite sollen Immobilien höher bewertet werden, auf der anderen Seite sind die Freibeträge trotz der Inflation und der stark gestiegenen Immobilienwerte seit dem Jahr 2009 nicht mehr angehoben worden.

Lindner: Das wäre unabhängig von diesem Anlass absolut ĂĽberfällig. Die CSU, die jetzt so laut ist, hat seit 2009 nichts getan. Man muss dabei wissen, dass die Freibeträge dann auch fĂĽr Bargeld, Schmuck und so weiter gelten. In meinen Augen mĂĽssten sie um etwa 25 Prozent angehoben werden. Da die Erbschaft- und Schenkungsteuer aber allein den Ländern zusteht, sollte eine Initiative zur Erhöhung der Freibeträge vorzugsweise von den Ländern kommen. Bayern hat etwas auf den Weg gebracht, aber mir scheint, dass leider sogar CDU-gefĂĽhrte Länder eher ablehnend sind. Ohne eine Mehrheit im Bundesrat, bin ich als Bundesfinanzminister machtlos.

Frage: Die Ampel könnte das auch zu ihrem Thema machen. Oder ist der Widerstand in der SPD und von den GrĂĽnen zu groĂź?

Lindner: Wenn es nicht einmal im Bundesrat eine Mehrheit gäbe, wäre eine Initiative im Bundestag folgenlos. Deshalb sollte man das Votum der Länderkammer abwarten. Klar ist, dass SPD und GrĂĽne alle Steuern inklusive der auf Erbschaften eigentlich erhöhen wollen. Das kommt mit mir nicht. Wir haben genug Umverteilung in Deutschland, aber zu wenig Anerkennung von FleiĂź und Risikobereitschaft. Im Gegenteil möchte ich den Weg zum Eigentum erleichtern, durch niedrige Lohn- und Einkommensteuern und der Möglichkeit fĂĽr die Länder, einen Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer zu beschlieĂźen.

Frage: Warum nicht gleich die ganz groĂźe Lösung? Ă–sterreich hat die Erbschaftsteuer komplett abgeschafft.

Lindner: DafĂĽr sehe ich keine Mehrheit in Deutschland. Deshalb wäre die Debatte mĂĽĂźig.

Frage: Trotzdem, mal ganz grundsätzlich: Wenn ich meinen Kindern ein Haus oder ein Aktiendepot vererbe, ist dieses Vermögen bereits aus mehrfach versteuertem Geld geschaffen worden – Einkommensteuer, Mehrwertsteuer, Grunderwerbsteuer, Kapitalertragsteuer. Warum braucht es da noch eine Erbschaftsteuer?

Lindner: Dasselbe Argument gilt für die permanent von linken Parteien geforderte Vermögensteuer. Die lehne ich daher ab. Da müsste man jedes Jahr alle Vermögensbestandteile bewerten. Allein der Bürokratieaufwand wäre gigantisch. In eine Debatte über die Abschaffung der Erbschaftsteuer möchte ich aber nicht einsteigen.

Foto © Christian Lindner