Im deutschen Recht hat sich wĂ€hrend der zurĂŒckliegenden Jahre einiges geĂ€ndert, wenn es um Kinder und Jugendliche ging. Der Gesetzgeber und die Gerichte gestehen den jĂŒngsten Mitgliedern der Gesellschaft sehr viel mehr Möglichkeiten der Selbstentfaltung zu â auch dann, wenn dies mit gelegentlichen Störungen fĂŒr die Nachbarn verbunden ist. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS fasst in seiner Extra-Ausgabe einige Urteile aus diesem Themenkreis zusammen.
Urteile im Detail:
In einem allgemeinen Wohngebiet mĂŒssen gewisse RĂŒcksichten auf die dort lebenden Menschen genommen werden. Viele störende BetĂ€tigungen und Einrichtungen sind deswegen nicht erlaubt. Eine KindertagesstĂ€tte mit bis zu 95 Kindern zĂ€hlt allerdings nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen (Aktenzeichen 1 ME 42/21) nicht dazu, wenn genĂŒgend StellplĂ€tze fĂŒr den An- und Abfahrtsverkehr der Eltern vorhanden sind. Hier waren 40 StellplĂ€tze geplant, was dem Oberverwaltungsgericht ausreichend erschien.
GroĂe freilaufende Hunde können schon fĂŒr Erwachsene eine erhebliche Bedrohung darstellen. Bei Kindern ist das erst recht der Fall. Deswegen untersagte es das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 14 Wx 22/08), dass sich der Bernhardiner eines Ehepaares im gemeinschaftlich mit einer Familie genutzten Garten unangeleint aufhalten dĂŒrfe. Die Kinder der Familie waren erst vier und sechs Jahre alt. Das Gericht stellte fest, es komme gar nicht darauf an, ob das Tier schon einmal als gefĂ€hrlich aufgefallen sei. Alleine seine GröĂe reiche aus, um in bestimmten Situationen eine Bedrohung darzustellen.
Wenn Familien auseinandergehen, dann schlieĂen sich oft viele gravierende Probleme an. So leben die Eltern plötzlich in zwei Wohnungen und beherbergen dort jeweils im Wechsel ihre Kinder. Ein sorgeberechtigter Elternteil hat jedoch nach einer Trennung keinen Anspruch auf einen Berechtigungsschein fĂŒr eine Dreiraumwohnung, nur weil ihn am Wochenende die Kinder besuchen. So entschied es das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen 8 K 332.17). Die Kinder seien auf Grund ihres befristeten Aufenthalts keine Haushaltsangehörigen im rechtlichen Sinne.
Um Kinder nicht schon in jungen Jahren der NĂ€he zum GlĂŒcksspiel auszusetzen, gibt es in den BundeslĂ€ndern entsprechende gesetzliche Bestimmungen. So darf im Umkreis von 300 Metern von SpielplĂ€tzen und Kitas keine Spielhalle betrieben werden. Das Verwaltungsgericht Kassel (Aktenzeichen 3 L 1247/20) bestĂ€tigte die behördliche Anordnung der SchlieĂung einer Spielhalle aus diesem Grund.
Wenn eine Teileigentumseinheit in einer gemischten Wohnanlage als âLaden mit Lagerâ bezeichnet ist, dann darf dort eine Kindertageseinrichtung bzw. ein Eltern-Kind-Zentrum betrieben werden. Nachbarn hatten sich dagegen gewandt, weil sie unzumutbare GerĂ€uscheinwirkungen befĂŒrchteten. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen V ZR 203/18) stellte fest, KinderlĂ€rm sei grundsĂ€tzlich hinzunehmen.
Manche KinderspielplĂ€tze verfĂŒgen zur Unterhaltung der Kleinen sogar ĂŒber eine Seilbahn. Beim Betrieb dieser Einrichtung entstehen zwangslĂ€ufig GerĂ€usche. Eine Nachbarin, deren Balkon sich zehn Meter davon entfernt befand, hielt das fĂŒr unzumutbar. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 8 A 10301/12) sah es anders und erlaubte den weiteren Betrieb. Es handle sich hier nicht um einen atypischen Sonderfall der LĂ€rmbelĂ€stigung, mit dem eine Untersagung hĂ€tte begrĂŒndet werden können.
EigenbedarfskĂŒndigungen bedĂŒrfen einer nachvollziehbaren BegrĂŒndung. So ist es ein anerkanntes Argument, wenn der Wohnraum fĂŒr den EigentĂŒmer selbst oder fĂŒr nahe Angehörige wie Kinder, Enkelkinder und Geschwister benötigt wird. Doch ein Stiefkind â die bereits studierende Tochter der LebensgefĂ€hrtin â zĂ€hlt nicht dazu. Das Amtsgericht Siegburg (Aktenzeichen 105 C 97/18) stellte fest, es handle sich weder um eine Angehörige des Haushalts des WohnungseigentĂŒmers noch um eine Familienangehörige.
Kinder richten in ihrem Spieltrieb immer wieder unabsichtlich SchĂ€den an. So besuchte eine Mutter mit ihrem dreijĂ€hrigen Sohn den Haushalt ihrer Schwester, die selbst ein zweijĂ€hriges Kind hatte. Beide Kinder standen dabei nicht stĂ€ndig unter Beobachtung. Angeblich warf der Sohn der Besucherin in einem unbeobachteten Moment Schmuck der Wohnungsbesitzerin im Wert von etwa 4.000 Euro in die Toilette und spĂŒlte ihn hinunter. Das Amtsgericht Bonn (Aktenzeichen 104 C 444/10) erkannte keine Aufsichtspflichtverletzung der Mutter und auĂerdem sei der Schmuck offensichtlich an einem ungesicherten Ort abgelegt gewesen.