Wirtschaftsrat: Entlastungspaket lÀsst Wirtschaft im Regen stehen

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Wolfgang Steiger: Statt die Stromknappheit als Ursache der explodierenden Strompreise anzugehen, treibt das 65-Milliarden-Euro-Paket der Ampelregierung die Umverteilungsmaschinerie weiter an.

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. kritisiert, das Entlastungspaket der Ampelregierung gehe an den Ursachen der hohen Strompreise vorbei. Nicht eine „wuchtige“ Umverteilung ist das Gebot der Stunde, sondern eine schnelle Ausweitung des Stromangebotes, etwa ĂŒber eine LaufzeitverlĂ€ngerung der Kohle- und Kernkraftwerke. „Zudem wird die Wirtschaft völlig ignoriert“, kritisiert Wolfgang Steiger (Foto), GeneralsekretĂ€r des Wirtschaftsrates. „Kleine Handwerksbetriebe, mittelstĂ€ndisches Gewerbe und Industrie werden voll durch die gestiegenen Energiepreise getroffen – gehen bei den Entlastungen aber leer aus. Wie die Ampel ihre Versprechen bezahlen will, wenn diese Unternehmen abwandern oder schließen, bleibt ungelöst.“

Der Wirtschaftsrat spricht sich außerdem explizit gegen die von der Bundesregierung im dritten Entlastungspaket angestrebte Preisregulierung im Strommarkt aus. „Strom ist derzeit knapp und die Preise senden Marktsignale aus, um den Verbrauch zu senken und alle verfĂŒgbaren Kraftwerke kurzfristig ans Netz zu bringen, mit dem Ziel, die Knappheit zu beseitigen und damit die Preise zu verringern“, sagt Wolfgang Steiger. „Wird dieses Preissignal verfĂ€lscht, kann der Markt nicht funktionieren und die Knappheit wird andauern. Außerdem stehen die Kohlekraftwerks-Betreiber vor erheblichen Investitionen, um die bereits weitgehend zurĂŒckgebaute Kohlebeschaffungslogistik wieder aufzubauen.“ DarĂŒber hinaus benötigten auch die Betreiber der erneuerbaren Energien Planungssicherheit und die entsprechenden finanziellen Mittel fĂŒr den weiteren Ausbau. „Der weitere Ausbau der Windenergie beispielsweise leidet ohnehin unter den explodierenden Bau- und GrundstĂŒckspreisen. Wenn die Branche jetzt noch zusĂ€tzlich mit Preisregulierung bestraft wird, besteht die Gefahr, dass die Energiewende vollends steckenbleibt“, betont Wolfgang Steiger.

Belastend ist vor allem die Unsicherheit: Die Bundesregierung strebt eine europĂ€ische Lösung an, wann diese kommt und mit welchen konkreten Erlösobergrenzen, bleibt aber im Nebel. Die Drohung der Bundesregierung mit einer rein nationalen Lösung, sofern Europa nicht mitzieht, hĂ€lt Wolfgang Steiger fĂŒr substanzlos: „Deutschland ist im europĂ€ischen Strommarkt wirtschaftlich und physikalisch so weitgehend integriert, dass kĂŒnstlich verbilligter Strom sofort nach allen Seiten hin abfließt. Das wissen auch alle Marktteilnehmer. Die Bundesregierung macht sich mit dieser Drohung lĂ€cherlich.“

Wolfgang Steiger erneuert die Forderung des Wirtschaftsrats, sofort alle staatlichen Maßnahmen mit Hochdruck einzuleiten, die notwendig sind, um alle verfĂŒgbaren Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke kurzfristig ans Netz zu bekommen: „Die Instrumente gegen hohe Preise liegen auf dem Tisch und können sofort eingesetzt werden. Ideologische Vorbehalte mĂŒssen jetzt hinten angestellt werden, um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit zu garantieren.“

Statt die Stromknappheit und damit die explodierenden Strompreise an der Wurzel anzupacken, ist das 65-Milliarden-Euro-Paket der Koalition letztlich ein Sammelsurium nicht-abgestimmter Maßnahmen, das zahlreiche Probleme von Energieversorgung, Arbeitsmarkt, sozialer Sicherung und öffentlichem Personennahverkehr noch verstĂ€rkt. Wolfgang Steiger: „Gleichzeitig bleibt die Finanzierung völlig unklar. Die zusĂ€tzlichen 65 Milliarden Euro mĂŒssen entweder jetzt oder zukĂŒnftig von den Steuerzahlern geschultert werden.“

Einer der wenigen Lichtblicke des Paketes ist die Abschaffung der kalten Progression. „Es ist ein Unding, dass Arbeitnehmer trotz inflationsbedingt sinkender Reallöhne aktuell massenweise mit höheren SteuersĂ€tzen belegt werden, weil der Steuertarif bisher keinen Inflationsausgleich vorsieht. Die angekĂŒndigte Abschaffung der kalten Progression ist deshalb ĂŒberfĂ€llig“, sagt Wolfgang Steiger.

Die propagierte Abschöpfung von sogenannten „Zufallsgewinnen“ kann dagegen keinen sinnvollen Beitrag zur Staatsfinanzierung leisten. Zum einen sind die Unternehmensgewinne nicht gestiegen, sondern durch die Krisenfolgen insgesamt eingebrochen: Allein im zweiten Quartal 2022 sank der Gesamtgewinn der DAX-Konzerne um 19,3 Prozent. Will die Bundesregierung die Krisengewinne und -verluste ausgleichen, muss sie also krĂ€ftig draufzahlen. Zum anderen geht jedes Vertrauen in die Markt- und Eigentumsordnung verloren, wenn der Staat nach seinem Gusto Gewinne als ungerecht einstuft und konfisziert.

Umso schlimmer ist es, dass das Entlastungspaket die ohnehin bereits enorme Umverteilungsmaschinerie in Deutschland weiter antreibt. Wolfgang Steiger: „Profitieren sollen beispielsweise Rentner, deren Kaufkraft im Gegensatz zu ErwerbstĂ€tigen trotz Inflation nicht sinkt, weil die letzte Rentenerhöhung ĂŒberaus ĂŒppig war.“ Gleiches gilt fĂŒr Hartz IV-EmpfĂ€nger, die sowieso einen Ausgleich fĂŒr steigende Strom- und Gaspreise erhalten. Zudem soll der Regelsatz von 449 auf 500 Euro und damit um 11,4 Prozent angehoben werden. „Der Anreiz, sich aus dem Transferbezug zu befreien und stattdessen aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, sinkt dadurch weiter“, befĂŒrchtet Wolfgang Steiger.

Auch die angedachte Nachfolgeregelung fĂŒr das „9-Euro-Ticket“ steht exemplarisch fĂŒr einen symbolpolitischen Schnellschuss. „GrundsĂ€tzlich ist es richtig, den ÖPNV attraktiver zu machen. Dies aber wird nur gelingen, wenn die hinter dem Preis stehende Leistung auch stimmt. Was nĂŒtzt ein billiges Ticket, wenn die Eigenwirtschaftlichkeit des bereits hochdefizitĂ€ren ÖPNV noch weiter sinkt und die Mittel fĂŒr Investitionen in Netze, Taktung, Personal und Technik fehlen? Bevor ĂŒber Ticketpreise und weitere ZuschĂŒsse geredet wird, sollten zunĂ€chst einmal die Strukturen in den Blick genommen werden. Denn mittlerweile steuern die BundeslĂ€nder, in deren ZustĂ€ndigkeit der ÖPNV fĂ€llt, deutlich weniger Mittel als der Bund zur Finanzierung des ÖPNV bei und geben zudem zur VerfĂŒgung gestellte Bundesmittel zugleich nicht immer vollstĂ€ndig fĂŒr den öffentlichen Nahverkehr aus. Mehr Transparenz in der Mittelverwendung ist somit Voraussetzung fĂŒr die grundsĂ€tzliche Beantwortung der Finanzierungsfrage“, sagt Wolfgang Steiger abschließend.

Foto: Wolfgang Steiger © Jens Schicke