Sebastian Brehm (CSU): Regierung wird zum TotengrÀber des Mittelstands

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Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag, Sebastian Brehm (Foto) , hat der Ampelkoalition vorgeworfen, zum „TotengrĂ€ber des Mittelstands“ zu werden. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (26. September 2022) erklĂ€rte Brehm, der Gaspreis bereite ihm erhebliche Sorgen. Vielen Betrieben wĂŒrden derzeit ĂŒberhaupt keine VertrĂ€ge mehr fĂŒr das nĂ€chste Jahr angeboten. Sie mĂŒssten auf dem Spotmarkt zum zehn- bis zwölffachen Preis im Vergleich zu frĂŒher einkaufen. Das könne gerade den Mittelstand ruinieren. „Wir brauchen dringend ein Mittelstandsförderprogramm und Steuersenkungen fĂŒr den Mittelstand“ forderte Brehm. Bislang aber gebe es kein einziges Programm fĂŒr den Mittelstand – „und in acht Wochen ist Jahresende“. Es werde keinen „Habeckschen Stillstand“, sondern eine Insolvenzwelle und Produktionsverlagerungen in andere LĂ€nder geben. „Das wird ruinös fĂŒr den Mittelstand, das Herz unserer Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes. Deshalb ist jetzt Handeln geboten. Entweder die Regierung kann nicht helfen oder sie will es bewusst nicht. Beides ist schlecht. Die Ampel ist auf dem besten Weg der TotengrĂ€ber des Mittelstandes zu werden“, sagte Brehm.

Das Interview im Wortlaut:

Frage: Der jĂŒngste massive Anstieg der Erzeugerpreise könnte sich zu einem echten Inflationshammer mit zweistelligen Preissteigerungsraten auswirken. Reichen dann fĂŒr Familien 18 Euro mehr Kindergeld und etwas mehr Grundfreibetrag?

Sebastian Brehm: Nein, auf keinen Fall. Es mĂŒssen deutliche steuerliche Entlastungsmaßnahmen fĂŒr kleine und mittlere Einkommen auf den Weg gebracht werden. Das fordern wir seit langem. Auch die FDP hat das immer gefordert. Die Bundesregierung verzeichnet derzeit inflationsbedingte Steuereinnahmen wie nie zuvor. Das Geld muss den BĂŒrgern zurĂŒckgegeben werden, auch zum Ausgleich der kalten Progression.

Frage: Jetzt gibt etwas zurĂŒck, etwa die Energiepreispauschale, fĂŒr BeschĂ€ftigte und SelbststĂ€ndige lange beschlossen, fĂŒr Rentner kommt sie bis Jahresende. Diese Pauschale ist steuerpflichtig. Kann das denn richtig sein, weil viele Rentner dadurch in die Steuerpflicht rutschen können?

Brehm: Auch ich habe die Pauschale im Rahmen der Einkommensteuervorauszahlung im dritten Quartal erhalten. Diese 300 Euro Energiepreispauschale fĂŒr jedermann sind der völlig falsche Weg. Gutverdiener und Bundestagsabgeordnete brauchen diese 300 Euro mit Sicherheit nicht. Im unteren Einkommensbereich und fĂŒr Rentner hĂ€tte es mehr Geld geben mĂŒssen. Und das hĂ€tte steuerfrei sein mĂŒssen. Die von der Regierung gewĂ€hlte Systematik ist völlig falsch.

Frage: Um die Entlastungspakete zu finanzieren, wird an eine Übergewinnsteuer fĂŒr Energieunternehmen gedacht. EU-KommissionsprĂ€sidentin Ursula von der Leyen schwĂ€rmt bereits davon und will ĂŒber diesen Weg 140 Milliarden Euro umverteilen. Ist das die Lösung?

Brehm: Das ist keine Lösung der Probleme. Eine Übergewinnsteuer ist eine reine Neidsteuer. Es ist völlig unklar, was ein Übergewinn oder ein Zufallsgewinn ist. WĂŒrde so etwas jetzt eingefĂŒhrt, wĂ€re eine Ausweitung auf andere Branchen zu befĂŒrchten, womit wir in der Planwirtschaft ankĂ€men. Besser wĂ€re es, das Angebot zu verbreitern, etwa durch die VerlĂ€ngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Das wĂŒrde zur Entspannung bei den Energiepreisen beitragen.

Frage: Dann kommen wir zu den Konzernen. Uniper zum Beispiel verschlingt mehrstellige MilliardenbetrĂ€ge an öffentlichen Krediten, und jetzt will der Staat den Konzern auch noch ĂŒbernehmen. Ist dieser Weg richtig?

Brehm: Auch dieser Weg ist falsch. Er fĂŒhrt direkt in die Planwirtschaft. Wenn Gaskonzerne wirklich UnterstĂŒtzung brauchen, dann kann diese UnterstĂŒtzung ĂŒber Darlehen erfolgen wie bei der Lufthansa oder anderen Unternehmen in der Corona-Krise. Und auch nur dann, wenn sich die Anteilseigner hinreichend an einer Rettung beteiligen. Was gar nicht geht, ist das Zahlen von ZuschĂŒssen, wenn gleichzeitig VorstandsgehĂ€lter in der aktuellen Höhe weiterbezahlt und weiter AusschĂŒttungen an die Gesellschafter oder AktionĂ€re vorgenommen werden. Das ist klassische Geldvernichtung.

Frage: Ein anderer Vorschlag zur Entlastung der BĂŒrger und Unternehmen ist die Deckelung der Strom- und Gaspreise.

Brehm: FĂŒr eine Entspannung bei den Strom- und Gaspreisen ist zunĂ€chst eine Verbreiterung des Angebots nötigt. Dazu gehören dringend die VerlĂ€ngerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke und eine Reaktivierung von Kohlekraftwerken auf breiter Front. Derzeit kauft Deutschland beim Gas alles, was auf dem Markt verfĂŒgbar ist und heizt damit die Preise in ganz Europa an. Eine Gaspreisdeckelung wĂ€re angebracht, aber ich glaube, dass die Regierung ablehnen wird. 

Der Gaspreis bereitet mir erhebliche Sorgen. Vielen Betrieben werden derzeit ĂŒberhaupt keine VertrĂ€ge mehr fĂŒr das nĂ€chste Jahr angeboten. Sie mĂŒssen auf dem Spotmarkt zum zehn- bis zwölffachen Preis im Vergleich zu frĂŒher einkaufen. Das kann gerade den Mittelstand ruinieren. Ich mache mir deshalb große Sorgen, wie der Mittelstand die nĂ€chsten Monate ĂŒberleben soll.

Frage: Zu den VorschlĂ€gen gehört auch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas. WĂ€re es nicht besser, das gleich dauerhaft zu machen? 

Brehm: Die Befristung ist erst einmal in Ordnung. Es geht jetzt akut um  InflationsbekĂ€mpfung. SpĂ€ter kann man sich mit der gesamten Energiebesteuerung befassen. Es war unser Vorschlag, die Steuer zu senken. Die Regierung hat den Vorschlag ĂŒbernommen. Das ist gut. Aber es ist keine tatsĂ€chliche Entlastung, denn gleichzeitig werden Unternehmen und BĂŒrger mit der Gasumlage belastet.

Frage: Nachdem sich herausgestellt hat, dass Minister Habecks BetriebspausenplĂ€ne fĂŒr BĂ€cker und andere MittelstĂ€ndler nur WunschtrĂ€ume sind, stellt sich die Frage, wie den Betrieben geholfen werden kann, wenn zum Beispiel die Ölrechnung einer WĂ€scherei von 2.000 Euro auf 10.000 Euro im Monat steigt.

Brehm: Wir sehen dramatische Kostensteigerungen in allen Branchen –  ob bei BĂ€ckereien, Metzgereien oder auch in der Landwirtschaft, wenn unter Glas produziert wird. Eine Verzehnfachung der Energiepreise können diese Betriebe nicht tragen. Wir brauchen dringend ein Mittelstandsförderprogramm und Steuersenkungen fĂŒr den Mittelstand. Bislang aber gibt es kein einziges Programm fĂŒr den Mittelstand – und in acht Wochen ist Jahresende. Wir werden nicht in einen Habeckschen Stillstand kommen, sondern es wird eine Insolvenzwelle geben. Und im Unterschied zu den Pandemie-Zeiten werden wir Produktionsverlagerungen in andere LĂ€nder erleben. Das wird ruinös fĂŒr den Mittelstand, das Herz unserer Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes. Deshalb ist jetzt Handeln geboten. Entweder die Regierung kann nicht helfen oder sie will es bewusst nicht. Beides ist schlecht. Die Ampel ist auf dem besten Weg der TotengrĂ€ber des Mittelstandes zu werden.

Frage: Eine maßgebliche Mitverantwortung an der Inflationsentwicklung trĂ€gt auch die EuropĂ€ische Zentralbank durch ihre Niedrigzinspolitik und AnleihenkĂ€ufe. FrĂŒher wurde das als Gelddrucken bezeichnet. Gibt es da eine Lösung?

Brehm: Die EuropĂ€ische Zentralbank ist mit ihrer Zinswende viel zu spĂ€t dran. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ein Treiber dieser Inflation ist. Sie hĂ€tte wesentlich frĂŒher aus den AnleihenkĂ€ufen aussteigen mĂŒssen. Und sie muss die AnleihenkĂ€ufe jetzt endlich ganz stoppen. Das war zwar angekĂŒndigt, wurde aber nicht gemacht. Dann muss sie vorsichtige Zinserhöhungen vornehmen, um die Inflationsentwicklung jetzt nicht auch noch zu befeuern. Eigentlich hĂ€tte man schon in der guten Phase die Zinsen erhöhen mĂŒssen. Dann könnten die Zinsen jetzt in der schwierigen Wirtschaftslage wieder sinken können. Aber jetzt werden in einer schlechten Phase die Zinsen erhöht.

Frage: Wirtschaftswissenschaftler sagen, höhere Zinsen fĂŒhren in eine Rezession.

Brehm: Deshalb sollten Zinserhöhungen moderat erfolgen. An Zinserhöhungen auf bis zu fĂŒnf Prozent glaube ich nicht. Das wĂŒrde direkt in eine Rezession fĂŒhren. 

Frage: Bei all diesen Problemen können wir doch die Schuldenbremse in Deutschland vergessen.

Brehm: Auf keinen Fall. Die Schuldenbremse ist absolut notwendig und richtig, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir die höchsten Steuereinnahmen fĂŒr Bund und LĂ€nder haben. Denn die Inflation lĂ€sst vor allem die Umsatzsteuereinahmen in die Höhe schnellen. Derzeit betreibt die Regierung nichts anderes als Geldverteilung mit der Gießkanne. Wir brauchen aber gezielte Maßnahmen. Und notwendig ist auch ein hartes Sparprogramm. Dazu gehören eine kritische Analyse der Staatsausgaben, VerĂ€nderungen im Sozialsystem,  eine VerlĂ€ngerung der Lebensarbeitszeit und viele andere Dinge. Wir mĂŒssen zurĂŒckkommen zur Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft und weg von der Umverteilung und Planwirtschaft dieser Bundesregierung.

Quelle / Wochenzeitung „Das Parlament“

Foto (c) BĂŒro Sebastian Brehm