Neues aus AusschĂŒssen und aktuelle parlamentarische Initiativen
Mittwoch, 6. Juli 2022
Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschÀtzung/Ausschuss
Berlin: (hib/HARI) Der Ausbildungsmarkt hat sich noch nicht von der Corona-Krise erholt, davon unabhĂ€ngig bestehen weiterhin strukturelle Probleme in der Beruflichen Bildung: Darin waren sich die Expertinnen und Experten von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft einig bei dem öffentlichen FachgesprĂ€ch am Mittwoch im Ausschusses fĂŒr Bildung, Forschung und TechnologiefolgenabschĂ€tzung. Konsens ist, dass der RĂŒckgang der abgeschlossenen AusbildungsvertrĂ€ge die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft ernsthaft gefĂ€hrde. Ăber Ursachen und Lösungswege gibt es unterschiedliche EinschĂ€tzungen.
Barbara Dorn, Abteilungsleiterin Bildung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA), unterstrich, dass die Chancen der Jugendlichen im Prinzip – trotz Pandemie – sehr gut seien. Im VerhĂ€ltnis kĂ€men auf fĂŒnf offene Stelle vier Bewerberinnen und Bewerber. Auch sei die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland mit einer Quote von 5,7 Prozent in Relation zum europĂ€ischen Durchschnitt von 10,1 Prozent sehr niedrig. Es gebe kein Versorgungsproblem der Jugendlichen. Vielmehr hĂ€tten die Betriebe das Problem, geeignete junge Menschen fĂŒr eine Ausbildung zu finden. Nötig sei deshalb eine intensivere Berufsorientierung an allen Schulformen, einschlieĂlich des Gymnasiums. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften spricht Dorn statt von einer âAusbildungsgarantieâ von einer âChancengarantieâ. Auf lokaler Ebene sollten Schule und Betreibe enger zusammenarbeiten, sich besser vernetzen. Aber: Eine Ausbildungsgarantie fĂŒr den Wunschberuf könne es nicht geben. Dies wĂ€re eine âVerzerrung des Ausbildungsmarktesâ. Auch von einer Umlagefinanzierung hĂ€lt die Wirtschaftsvertreterin nichts, da sie kleinere Betriebe benachteilige.
Besorgt ĂŒber die âangespannte Ausbildungslageâ Ă€uĂerte sich Friedrich Hubert Esser, PrĂ€sident des Bundesinstituts fĂŒr Berufsbildung (BiBB). DafĂŒr machte Esser die zurĂŒckgehende Nachfrage nach AusbildungsplĂ€tzen verantwortlich. Als Ursache nannte er einen Strukturwandel weg von der âIndustriegesellschaft hin zur Wissensgesellschaftâ: âAlles was mit Hand und Herz konnotiertâ sei, habe an AttraktivitĂ€t eingebĂŒĂt. Er sprach in dem Zusammenhang von einer âVerkopfung der Bildungâ. Das Problem sei âmassivâ, das System der dualen Berufsausbildung drohe zu âkippenâ. Auf die deutsche Wirtschaft komme eine âFachkrĂ€ftekatastropheâ zu. Sie sei nur durch einen mentalen Wandel abzuwenden, indem die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung stĂ€rker ins öffentliche Bewusstsein rĂŒcke. In dem Zusammenhang sprach sich der BiBB-PrĂ€sident dafĂŒr aus, das âVerfahren des Hochschulzugangs in den Blick zu nehmenâ. Berufliche Bildung sei kein âReparaturbetriebâ fĂŒr VersĂ€umnisse der Schule. Wandeln mĂŒsse sich auch das SelbstverstĂ€ndnis des Gymnasiums wandeln. Die berufliche Orientierung mĂŒsse auf Augenhöhe mit der Vorbereitung auf den Hochschulzugang erfolgen. Das Gymnasium sei faktisch heute âdie Volksschule der Wissensgesellschaftâ. Auch die ElternhĂ€user nahm der Wissenschaftler in die Pflicht und forderte âeine Berufsorientierung fĂŒr Elternâ.
Eine âbedenkliche Entwicklungâ der Ausbildungslage infolge der Corona-Krise stellte auch Elke Hannack, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), fest. Die Gewerkschafterin sieht zwar âkleine Lichtblickeâ , trotzdem bestehe weiterhin fĂŒr die Berufliche Bildung die Gefahr eines âSubstanzverlustesâ. Die Corana-BeschrĂ€nkungen in der Ausbildung hĂ€tten âmassive Auswirkungenâ gehabt. Zehntausende junge Menschen seien dadurch dem Ausbildungsmarkt verloren gegangen, âvon denen wir nicht wissen, wo sie verblieben sindâ.
In der Altersgruppe der 20-bis 34-JĂ€hrigen seien bisher bereits 2,1 Millionen ohne Berufsausbildung. Die isolierte Betrachtung des VerhĂ€ltnisses der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber fĂŒhre daher âin die Irreâ. Zwar seien derzeit 63.000 AusbildungsplĂ€tze unbesetzt, aber auch 68.000 junge Menschen unversorgt geblieben. Das betriebliche Angebot reiche nicht aus, um jedem eine Ausbildung zu ermöglichen. Eine GroĂteil des Angebotes lasse zudem Jugendliche mit Hauptschulabschluss auĂen vor, kritisierte Hannack. Eine Lösung der Ausbildungsmisere sieht der DGB in einer umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie, die allen die Chance gebe, in einen Beruf zu starten. Beim Ăbergang von Schule in den Beruf dĂŒrfe kein junger Mensch verloren gehen. Die Gewerkschafterin plĂ€dierte fĂŒr einen âPakt fĂŒr Berufliche Schulenâ und wies vor allem auf das Problem des LehrkrĂ€ftemangels hin. Hilfreich fĂŒr junge Menschen, die in Ausbildung wollten, wĂ€re es auch, den Kriterienkatalog der âAusbildungsreife abzuschaffen.
Dem Ausschuss lagen die Berufsbildungsberichte fĂŒr 2021 (19/30295) und 2022 (20/19390) vor sowie zwei begleitende AntrĂ€ge der Fraktionen der CDU/CSU (20/2340) sowie der LINKEN (20/ 2335) vor. Als MaĂnahme gegen den drastischen FachkrĂ€ftemangel spricht sich die Union unter anderem dafĂŒr aus, die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Qualifikation noch deutlicher zu stĂ€rken. Die LINKE plĂ€diert unter anderem fĂŒr einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Ausbildung, um den FachkrĂ€ftenachwuchs zu sichern.