STRACK-ZIMMERMANN-Interview: Die EU muss eine starke Säule in der NATO sein

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Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments und Leiterin der FDP-Delegation im Europäischen Parlament Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdEP gab dem WDR Hörfunk folgendes Interview. Die Fragen stellte Andreas Bursche:

Frage: Wir haben schon gehört, dass NATO-Generalsekretär Mark Rutte und US-Präsident Donald Trump sich gut verstehen. Ich habe noch ein schönes Zitat: „Donald, du hast uns wirklich zu einem sehr, sehr wichtigen Moment gebracht. Du wirst erreichen, was jahrzehntelang kein US-Präsident geschafft hat.“ Das hat Rutte Trump im Juni privat geschrieben. Das wurde dann geleakt. Da ging es um diese 3 bis 5 Prozent-Ausgaben fĂĽr die NATO. Was wĂĽrden Sie sagen? Ist das PräsidentenflĂĽstern, wie einige sagen, oder schon schleimen?

Strack-Zimmermann: Nein, das ist kein Schleimen. Das ist ein pragmatischer Umgang mit einem Präsidenten, der so erratisch ist, dass wir heute Informationen bekommen, aber nicht wissen, ob morgen das noch gilt. Insofern macht Rutte das gut. Es ist klug. Und anders mit Trump umzugehen, fĂĽhrt ja nur dazu, dass er sich ausklingt. Und das wäre nun wirklich nicht das, was wir gerade gebrauchen können. Und er hat ja recht, Rutte, nämlich diese 3 bis 5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in die Hand zu nehmen, um die Sicherheit in Europa und in der NATO zu gewährleisten, war vorher ein völliges Unding. Wenn Sie ĂĽberlegen, wie wir ĂĽber das alles gesprochen haben, was fĂĽr ein Krampf das war, in Deutschland ĂĽberhaupt 2 Prozent zu erreichen des Bruttoinlandsproduktes, zeigt, dass in der Tat dieses rustikale Auftreten von Herrn Trump Wirkung zeigt und natĂĽrlich gleichzeitig die Brutalität Russlands in der Ukraine sein Ăśbriges gibt. Also die Länder sind aufgewacht – nicht alle, aber fast alle. Und das ist auch gut und richtig so.

Frage: Inwiefern darf man denn aber die Frage nach der Augenhöhe stellen? Also wĂĽrden Sie sagen, dieses sehr zurĂĽckgenommene, dieses Vorsichtige mit Trump – Sie haben ihn erratisch genannt, da muss man natĂĽrlich darauf reagieren – glauben Sie, dass das dazu gefĂĽhrt hat, dass Trump eben nicht hingeschmissen hat in der NATO, wegen Rutte?

Strack-Zimmermann: Na ja, das ist super schwer natĂĽrlich zu beantworten. Tatsache ist, dass schon die Präsidenten vor Trump, sei es Obama, schon Clinton, alle darauf hingewiesen haben, dass Europa deutlich mehr tun mĂĽsse, dass es nicht sein kann, dass die NATO – inzwischen aus 32 Staaten bestehend, also die Schweden und Finnen sind auch dazugekommen – , dass den groĂźen Anteil die Vereinigten Staaten bezahlen, obwohl 29 Länder von 32 europäisch sind. Und da merken Sie schon: Da ist ja irgendwas in Schieflage geraten. Ich glaube, dass Rutte auch mit seiner Persönlichkeit – er hat ja etwas wirklich derart Frisches, Jugendliches, wenn Sie mit ihm unterwegs sind, da ist kein Bodyguard, der geht da ins Flugzeug, als ob er nicht diese Rolle spielen wĂĽrde, diese wichtige – [einen positiven Einfluss hat]. Das heiĂźt, er ist verbindlich. Er ist diplomatisch. Er ist wirklich jemand, der fast gar nicht in diese Welt passt, weil wir ja alle so bedeutungsschwanger durch die Welt rennen, also vor allen Dingen manche Politiker auch, und besonders in Berlin, dass diese frische Art möglicherweise im Establishment irritiert. Ich persönlich finde es gut. Und er kommt auch in der NATO unglaublich gut an, weil wenn etwas gemacht werden muss, macht er es. Da wird nicht lange rumgefackelt, sondern: Problem erkannt, Problem umsetzen. Das kommt in der NATO extrem gut an.

Frage: Im Umkehrschluss wĂĽrden Sie also auch sofort und laut sagen: Ja, Rutte hat die NATO stärker gemacht. Wir sind zumindest sicherer als noch vor einem Jahr in Europa.

Strack-Zimmermann: Soweit wĂĽrde ich jetzt nicht gehen, weil auch Herr Stoltenberg in 10 Jahren einen fabelhaften Job gemacht hat. Er ist einfach ein anderer Typ. Aber was Sie gerade sagten: Rutte begann vor einem Jahr. Und jetzt schauen wir mal, was in dem Jahr passiert ist. Da ist ja nicht nur der alte, neue Trump auf die BĂĽhne gesprungen. Und wir sehen ja gerade, wie er diese Welt umbaut, nicht nur in den USA, sondern auch darum herum. Das heiĂźt, dass in diesem Jahr enorm viel passiert ist. Seit Trump gesagt hat, „ich will Frieden in der Ukraine“ – was ja sehr erfreulich ist –, werden die Angriffe Russlands massiv. Und eins muss uns klar sein: Russland probiert jetzt immer wieder aus, wie weit ist Trump wirklich bereit den Artikel 5, also den Artikel umzusetzen, dass wenn ein Staat angegriffen wird, die Vereinigten Staaten zur Seite stehen, also die NATO zur Seite steht. Das ist unglaublich wichtig. Das testet Putin aus. Und wenn dem so ist, wenn eben auch bei den Luftraumverletzungen der amerikanische Präsident sehr deutlich sagt, dass da etwas passieren muss, dass man sich da wehren muss, dann ist das ein Signal Richtung Moskau, dass die Rechnung, Trump vorzufĂĽhren, doch wohl nicht so aufgeht.

Frage: Jetzt ist natĂĽrlich bei Trump immer die Frage, wie lange bleibt er bei seiner Haltung? Jetzt gibt es einen VorstoĂź von BundesauĂźenminister Johann Wadephul, der hat gestern nochmal eine stärkere Vernetzung von EU und NATO bei der Abwehr, naja, sagen wir mal, ins Feld gefĂĽhrt. Er hat es jetzt nicht unbedingt gefordert, sondern gesagt, da sollten wir mal drĂĽber nachdenken. Ist das schon aber dann wieder eine leichte Vorbereitung, möglicherweise die Kräfte zu bĂĽndeln, falls Trump doch nochmal irgendwie ausschert?

Strack-Zimmermann: Also, dass man mit allem rechnen muss bei ihm, ist klug. Aber man muss eines sagen: Die NATO ist das Rückgrat unserer Sicherheit. Punkt. Die Europäische Union – 23 Staaten der EU sind auch in der NATO – hat eine völlig andere Aufgabe. Also Europa ist keine NATO-Konkurrenzveranstaltung. Sondern es ist unsere Aufgabe, auch im Ausschuss im EU-Parlament, dafür zu sorgen, dass jedes Land, welches Mitglied der NATO ist und in der EU, seinen Leistungen auch nachkommen muss. Sie müssen sich vorstellen, es gibt einen Verteidigungsplan der NATO. Also wenn Angriffe kommen, welches Land hat was zu leisten und zu organisieren? Das hat auch was mit der geografischen Lage des Landes zu tun. Es macht einen Unterschied, ob sie eine russische Grenze haben oder am Mittelmeer liegen oder wie Deutschland für die Flexibilität und militärische Mobilität verantwortlich sind. Diese Pläne müssen umgesetzt werden. Da müssen die Europäer ihre Leistungen auch der NATO melden. Und da ist eine Menge gemeldet worden, auch von Deutschland, was im Grunde genommen nicht unterfüttert ist.

Und jetzt treten wir auf den Plan, nämlich um gemeinsame Beschaffung zu organisieren und die militärische Mobilität aufzubauen und zu erleichtern. Denn Bürokratie ist auch im Militärischen ein Albtraum. [Es ist unsere Aufgabe], das alles sofort abzubauen und aus dem EU-Binnenmarkt auch einen militärischen Markt zu machen, sodass nicht an jeder Grenze alles deklariert werden muss, was schon hundertmal deklariert worden ist – also Transport von Gütern, Verlegung von Soldaten, all das. Darum kümmern wir uns. Und das ist eine wichtige Aufgabe. Das heißt, dass wir eine starke Säule in der NATO sind. Das ist unsere Aufgabe. Also keine Konkurrenz, sondern miteinander wirken. Dass Herr Wadephul auf diesen Trichter kommt, freut mich. Aber da sind wir schon einen Schritt weiter.

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Quelle: Freie Demokratische Partei am 01. Oktober 2025

Foto: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (c) FDP