Katastrophenschutz in Sachsen-Anhalt

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RĂŒdiger Erben legt Eckpunkte fĂŒr ein neues Landeskatastrophen-schutzgesetzes vor

In wenigen Wochen wird die aktuelle Fassung des Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt 20 Jahre alt. Von kleinen Änderungen abgesehen, ist das Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KatSG-LSA) seit seinem erstmaligen Inkrafttreten 1994 quasi unverĂ€ndert geblieben.

Am 03. Juli dieses Jahres hatte RĂŒdiger Erben (Foto), innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt Änderungen am Gesetz angekĂŒndigt. Jetzt legt er konkrete Eckpunkte fĂŒr eine Novelle vor.

Allenfalls die Hochwasserkatastrohe 2002 hat zu kleinen Änderungen im KatSG-LSA gefĂŒhrt. In nahezu allen anderen BundeslĂ€ndern gab es in den letzten Jahren Fortentwicklungen der jeweiligen Katastrophenschutzgesetze. Anlass hierfĂŒr waren u. a. die ersten Lehren fĂŒr den Bevölkerungsschutz aus der Corona-Pandemie, aber auch Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 in Westdeutschland und die Erfordernisse, welche sich aus Klimawandel, den Gefahren im Cyber-Raum oder der verĂ€nderten geopolitischen Lage ergeben.

Der Katastrophenschutz in Sachsen-Anhalt steht heute vor völlig anderen Herausforderungen als in den 1990er oder 2000er Jahren. Klima, internationale Konflikte, die Bedrohungen im Cyber-Raum und die Verwundbarkeit der kritischen Infrastruktur machen gesetzgeberisches Handeln in Sachsen-Anhalt notwendig.

Erben: â€žEs wird Zeit, dass wir den rechtlichen Rahmen fĂŒr den Katastrophenschutz in Sachsen-Anhalt grundlegend modernisieren. Dazu gehört, dass wir die neuen Herausforderungen aufnehmen und ĂŒber die starren Grenzen zwischen gemeindlicher Gefahrenabwehr, kreislichem Katastrophenschutz und ziviler Verteidigung jeweils hinausdenken.“

Anfang der Woche hat Erben seine VorschlÀge an Innenministerin Zieschang und seine Kollegen in den Koalitionsfraktionen versandt. Sein Bestreben ist es, dass aus diesen und sicher weiteren VorschlÀgen im Herbst ein gemeinsamer Gesetzentwurf wird. Auch Feuerwehren und Hilfsorganisationen sind aufgerufen, sich in den Prozess mit VorschlÀgen einzubringen.

Folgende Änderungen werden im Katastrophenschutzrecht des Landes vorgeschlagen:

  1. ZusammenfĂŒhren des Brandschutzgesetzes (BrSchG), des Rettungsdienstgesetzes (RettDG LSA) und des Katastrophenschutzgesetzes (KatSG-LSA) zu einem einheitlichen Hilfeleistungssgesetz.

Egal welchen Rechtsbereich ein Einsatz zuzuordnen ist, es sind oft dieselben Behörden, Einrichtungen und Hilfsorganisationen, die ihn gemeinsam zu bewÀltigen haben. Der Rettungsdienst kommt oft nicht ohne die Hilfeleistung der Feuerwehren aus. Aus einem Massenunfall von Verletzten, der sich noch im Anwendungsbereich des RettDG LSA bewegt, kann schnell ein Ereignis werden, das dem KatSG-LSA unterfÀllt.

Es spricht viel dafĂŒr, den Verantwortlichen ein einheitliches und widerspruchfreies Gesetzeswerk zur VerfĂŒgung zu stellen, wie es beispielsweise in den LĂ€ndern Bremen und Sachsen der Fall ist.

  1. Aufnahme des „außergewöhnlichen Ereignis“ und des „Katastrophenvoralarm“ in das KatSG-LSA

Bislang kennt das KatSG-LSA nur den Katastrophenfall. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, dann ist dieser festzustellen.

Es gibt jedoch Gefahren fĂŒr Leben, Gesundheit, die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung, die Umwelt oder erhebliche Sachwerte, die die Voraussetzungen des Katastrophenfalles (noch) nicht erfĂŒllen, aber mit den Mitteln der örtlichen Gefahrenabwehr nicht mehr zu bewĂ€ltigen sind und es zu deren BekĂ€mpfung eine zentrale UnterstĂŒtzung durch die zustĂ€ndigen Behörden und die notwendigen EinsatzkrĂ€fte und -mittel des Katastrophenschutzes erforderlich ist. Um diese auch vom Katastrophenschutzrecht zu erfassen, soll unterhalb der Schwelle des Katastrophenfalls ein „außergewöhnliches Ereignis“ gesetzlich normiert werden.

Gefahren oder Sachlagen, die zu einem Katastrophenfall oder einem außergewöhnlichen Ereignis fĂŒhren können, zeichnen sich oft vorher ab und wachsen auf. Das erfordert die besondere Alarmbereitschaft der EinsatzkrĂ€fte und -mittel des Katastrophenschutzes zur Vorbereitung der BekĂ€mpfung von Katastrophen und außergewöhnlichen Ereignissen. Diesem Erfordernis soll nach dem Vorbild anderen BundeslĂ€nder durch die gesetzliche Normierung eines „Katastrophenvoralarms“ Rechnung getragen werden.

  1. Besondere BerĂŒcksichtigung kritischer Infrastrukturen im KatSG-LSA

Der Ausfall kritischer Infrastrukturen (KRITIS) fĂŒhrt in unserer heutigen Gesellschaft unweigerlich zur GefĂ€hrdung der Bevölkerung, da in einem hochentwickelten Industrieland die Strukturen in direkter AbhĂ€ngigkeit voneinander stehen, kann es schnell zu Kaskadeneffekten kommen, die dramatische Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. ZunĂ€chst muss gesetzlich definiert werden, was KRITIS sind. Diese sollen durch den Gesetzgeber in die Pflicht genommen werden, umfangreiche Notfallplanungen anzustel­len, die sicherstellen, dass wichtige Funktionen im Krisenfall aufrechterhalten werden können.

  1. Abstimmung mit dem Zivilschutz im Spannungs- und Verteidigungsfall als verpflichtende Aufgabe der Katastrophenschutzbehörden

Die Aufgabe des Zivilschutzes (Schutz der Zivilbevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren) liegt beim Bund. In einer sich verĂ€ndernden sicherheitspolitischen Lage und in Anbetracht hybrider Bedrohungen ist die Abgrenzung zwischen dem Katastrophenschutz des Landes und dem Zivilschutz des Bundes nicht immer und zu jedem Zeitpunkt sicher möglich. Deshalb soll im KatSG-LSA eine gesetzliche Pflicht der Katastrophenschutzbehörden normiert werden, dass die Belange des Zivilschutzes im Spannungs- und Verteidigungs­fall bei allen Planungen BerĂŒcksichtigung finden mĂŒssen.

  1. Vorhaltung einer Landesreserve an Katastrophenschutzmaterial

CDU, SPD und FDP haben 2021 in ihrem Koalitionsvertrag die Festlegung getroffen, dass Konzept fĂŒr den Aufbau einer Landesreserve an Katastrophenschutzmaterial, welches fĂŒr die DurchhaltefĂ€higkeit im Falle von lĂ€nger anhaltenden Krisenlage erforderlich ist, zu erarbeiten. FĂŒr eine solche Landesreserve soll im KatSG-LSA eine verbindliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Vergangene Krisen haben gezeigt, dass die Vorhaltung von Material mittels zentraler Lagerhaltung deutlich wirtschaftlicher und zudem einsatztaktisch sinnvoll ist, als es die Beschaffung auf dem Markt in einer solchen Lage ist.

  1. Warnung der Bevölkerung und Duldungspflichten von GrundstĂŒckeigentĂŒmern

Im Unterschied zu anderen BundeslĂ€ndern gibt es in Sachsen-Anhalt keine klare Aufgabenzuweisung fĂŒr die Warnung der Bevölkerung vor bestehenden Gefahren sowie die In-formation ĂŒber die Gefahrensituation und mögliche Schutzmaßnahmen. Im KatSG-LSA soll deshalb ausdrĂŒcklich klargestellt werden, dass dies den unteren Katastrophenschutzbehörden obliegt. Ebenfalls im Unterschied zu den Rechtsgrundlagen in anderen BundeslĂ€ndern ist im Landesrecht von Sachsen-Anhalt keine ausdrĂŒckliche Duldungspflicht von GrundstĂŒckeigentĂŒmern zur Anbringung von Warneinrichtungen normiert. Durch eine ErgĂ€nzung in § 20 KatSG-LSA soll diese Duldungspflicht, insbesondere fĂŒr die Schaffung eines flĂ€chendeckenden Sirenennetzes, geschaffen werden.

  1. Gleichstellung von Helferinnen und Helfern

Neben den Feuerwehren sind hĂ€ufig auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer anderer Organisationen im Einsatz. Freistellungs- und ErstattungsansprĂŒche hatten bei solchen EinsĂ€tzen bislang nur Personen aus den Reihen der Feuerwehren und anerkannter Einheiten des Katastrophenschutzes, und letztere erst nach Ausrufen des Katastrophenfalles. Bei schweren VerkehrsunfĂ€llen, Starkregen, Schnee, Sturm, EisenbahnunglĂŒcken oder bei stundenlangen Autobahnstaus in der Sommerhitze kommen Helferinnen und Helfer zum Einsatz. Diese sind unterhalb der Katastrophenschwelle, im Unterschied zu den Angehörigen der Feuerwehren oder des THW nicht entsprechend sozial abgesichert. Nach dem Vorbild anderer BundeslĂ€nder sollen diese Helferinnen und Helfer bei Freistellungs- und ErstattungsansprĂŒchen gelichgestellt werden. Auch die Angehörigen von Wasser- und Bergrettungseinheiten und der psychosozialen Notfallversorgung sollen in diese Regelung einbezogen werden.

Foto (c) SPD Sachsen-Anhalt