Verfassungsrechtler beklagt Intransparenz bei Einstufung durch Bundesverfassungsschutz – Wirkung „zulasten der Partei“
Osnabrück (ots). Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat das Vorgehen des Bundesverfassungsschutzes bei der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ kritisiert und warnt vor den Folgen eines Scheiterns bei einem Verbotsantrag. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) sagte Papier: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Begründungen für eine solche Qualifizierung transparenter dargestellt werden und jetzt nicht tröpfchenweise mit Zitaten in den Medien belegt werden.“ Er habe Bedenken gegenüber dem Vorgehen, „weil diese Qualifizierung ,gesichert rechtsextremistisch‘ über ihre unmittelbare juristische Wirkung hinaus weitreichende faktische, politische und psychologische Wirkungen zulasten der Partei hat“.
Angesichts von Demonstrationen und Politikern, die seit der Einstufung ein AfD-Verbot fordern, mahnt Papier zur Vorsicht. „Das Parteiverbot ist ein Instrument zum Schutz der Demokratie, das aber ein an sich demokratiefremdes, autoritäres Mittel darstellt.“ Durch das Verbieten einer Partei werde „in den politischen Willensbildungsprozess und in den parteipolitischen Wettbewerb massiv eingegriffen“. Die Verfassungsorgane, die antragsberechtigt sind, müssten „eigenständig prüfen“, ob die Voraussetzungen eines Parteiverbots erfüllt sein werden. „Man müsste also zu dem Schluss kommen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Verfahren Erfolg haben wird.“ Bei einem Scheitern wäre es „ein politisch höchst abträglicher Fehlschlag“. „Der Staat darf zwar die rechtsstaatliche Demokratie nicht ihren erklärten Feinden zur Vernichtung ausliefern. Andererseits darf das Parteiverbotsverfahren auch nicht eingesetzt werden, um unliebsame politische Konkurrenz auszuschalten und damit im Grunde die Demokratie zu gefährden, wenn auch in guter Absicht“, warnte Papier.
Foto: Professor Dr. Hans-Jürgen Papier © Bundesstiftung Aufarbeitung
