Projektion: AfD legt zu â Union nur noch knapp vorn / Reform des Sozialstaats: Wenig Vertrauen in Bundesregierung
Nach der Klausurtagung in der vergangenen Woche und dem Koalitionsgipfel am Mittwoch demonstrieren die Spitzen von CDU/CSU und SPD Einigkeit und Tatendrang. Positive Auswirkungen auf die Zustimmungswerte der Bundesregierung hat das aber bisher nicht: Wenn am nĂ€chsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wĂ€re, kĂ€me die CDU/CSU in der Projektion unverĂ€ndert auf 27 Prozent, die AfD könnte sich hingegen mit 25 Prozent (plus 2) auf ihren bislang höchsten Wert verbessern und damit den Abstand zur Union auf nur noch zwei Prozentpunkte verringern. Die SPD bliebe bei 15 Prozent, die GrĂŒnen und die Linke wĂŒrden sich jeweils leicht verschlechtern und 11 Prozent beziehungsweise 10 Prozent (beide minus 1) erreichen. Das BSW und die FDP könnten nach wie vor mit jeweils 3 Prozent rechnen, alle anderen Parteien erhielten zusammen 6 Prozent (unverĂ€ndert), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erzielen wĂŒrde. Mit diesem Ergebnis hĂ€tte Schwarz-Rot weiterhin keine parlamentarische Mehrheit.
Arbeit von Bundeskanzler und Bundesregierung
Die Leistungsbilanz von Bundeskanzler Merz fĂ€llt schlechter aus als jemals zuvor in dieser Legislaturperiode: 46 Prozent der Befragten attestieren ihm eher gute Arbeit, genauso viele (46 Prozent) bewerten sein Tun negativ (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils âweiĂ nichtâ). Auch die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung erreicht einen neuen Höchstwert: 51 Prozent der Deutschen stellen der Koalition ein schlechtes Zeugnis aus, fĂŒr 41 Prozent macht sie ihre Sache eher gut. Zudem ist nur eine Minderheit von 40 Prozent der Meinung, dass CDU/CSU und SPD in der Bundesregierung zukĂŒnftig eher gut zusammenarbeiten werden. 55 Prozent, darunter auch jeweils knapp ein Drittel der Unions- und SPD-AnhĂ€nger, glauben das nicht.
Reformen: Zweifel an Bundesregierung
Bundeskanzler Merz hat zwar einen Herbst der Reformen ausgerufen, in der Bevölkerung gibt es aber groĂe Zweifel daran, dass Schwarz-Rot mit Blick auf den Sozialstaat wirklich etwas bewegen kann. Mit Verbesserungen im Gesundheitswesen rechnen lediglich 25 Prozent (nein: 72 Prozent), im Bereich Rente und Alterssicherung sind es Ă€hnlich viele (23 Prozent; nein: 75 Prozent). Zudem glauben nach 64 Prozent im Mai und 54 Prozent im Juli jetzt nur noch 47 Prozent, dass das schwarz-rote BĂŒndnis einen wichtigen Beitrag zur Ankurbelung der Wirtschaft leisten wird, 48 Prozent sind gegenteiliger Ansicht.
Umstrittene Themen in der Bundesregierung
Strittig zwischen den Koalitionspartnern ist das Thema Steuererhöhungen fĂŒr Besserverdienende: 68 Prozent der Deutschen, darunter auch 56 Prozent der Unions-AnhĂ€nger, sprechen sich, wie von der SPD gefordert, fĂŒr eine stĂ€rkere Besteuerung hoher Einkommen aus, insgesamt 28 Prozent sind dagegen. Uneinigkeit besteht innerhalb der Bundesregierung auch bei KĂŒrzungen im Bereich Soziales, eine Forderung der Union. 40 Prozent der Befragten und Mehrheiten in den AnhĂ€ngerschaften von CDU/CSU (65 Prozent), AfD (54 Prozent) und FDP (73 Prozent) unterstĂŒtzen solche KĂŒrzungen, insgesamt 52 Prozent Ă€uĂern sich ablehnend.
Top Ten: Leichte VerÀnderungen
Bei der Beurteilung von Politikerinnen und Politikern nach Sympathie und Leistung (âWas halten Sie von?â) fĂŒhrt Verteidigungsminister Boris Pistorius das Ranking weiterhin an. Er wird auf der Skala von +5 bis -5 mit einem Durchschnittswert von 2,0 (hier und im Folgenden Vergleichswert von August: 2,1) eingestuft. Mit Abstand folgen Johann Wadephul mit 0,7 (0,6), BĂ€rbel Bas mit 0,5 (0,5), Lars Klingbeil mit 0,4 (0,2) und Friedrich Merz mit 0,0 (minus 0,1). Danach kommen im Negativbereich Markus Söder mit minus 0,4 (minus 0,5), Alexander Dobrindt mit minus 0,5 (minus 0,5) und Heidi Reichinnek, die sich auf minus 0,7 (minus 0,4) verschlechtert. Auf dem neunten Platz landet erneut Sahra Wagenknecht mit minus 1,9 (minus 1,9). Schlusslicht bleibt Alice Weidel mit minus 2,4 (minus 2,7).
Neuer Wehrdienst
Die Bundesregierung plant ein neues Wehrdienstmodell, das verschiedene MaĂnahmen vorsieht, um mehr Freiwillige fĂŒr die Bundeswehr zu gewinnen. 61 Prozent der Deutschen finden es gut, dass zunĂ€chst versucht wird, auf der Basis von Freiwilligkeit die Bundeswehr zu stĂ€rken, 30 Prozent sind gleich fĂŒr eine Wehrpflicht und 8 Prozent sprechen sich grundsĂ€tzlich gegen eine VergröĂerung der Bundeswehr aus. Auch wenn eine Mehrheit das Prinzip der Freiwilligkeit gutheiĂt, geht nur gut ein FĂŒnftel (22 Prozent) davon aus, dass dadurch ausreichend Soldatinnen und Soldaten fĂŒr die Bundeswehr gewonnen werden können. 72 Prozent und klare Mehrheiten in allen ParteianhĂ€ngergruppen sehen das skeptisch. Geht es ganz allgemein um die Wehrpflicht, befĂŒrworten 22 Prozent deren WiedereinfĂŒhrung fĂŒr MĂ€nner, 45 Prozent begrĂŒĂen eine Wehrpflicht fĂŒr MĂ€nner und Frauen und fĂŒr 30 Prozent sollte es weiterhin keine Wehrpflicht geben, darunter deutlich mehr jĂŒngere als Ă€ltere Befragte.
Ukraine-Krieg: Waffenruhe
Sollte es zwischen Russland und der Ukraine zu einer Waffenruhe kommen, die durch europĂ€ische Truppen abgesichert wird, meint rund die HĂ€lfte der Befragten (53 Prozent), dass sich auch Deutschland mit der Bundeswehr daran beteiligen sollte. 42 Prozent lehnen eine deutsche Beteiligung ab, darunter mit 54 Prozent eine Mehrheit der Ostdeutschen. Dass es im Ukraine-Krieg in den nĂ€chsten Wochen zu einer dauerhaften Waffenruhe kommen wird, erwarten aber nur die Wenigsten (4 Prozent), 94 Prozent Ă€uĂern sich pessimistisch.
Die Umfrage zum Politbarometer wurde wie immer von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgefĂŒhrt. Die Interviews wurden in der Zeit vom 2. bis 4. September 2025 bei 1.269 zufĂ€llig ausgewĂ€hlten Wahlberechtigten telefonisch und online erhoben. Dabei wurden sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknummern berĂŒcksichtigt. Die Befragung ist reprĂ€sentativ fĂŒr die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Der Fehlerbereich betrĂ€gt bei einem Anteilswert von 40% rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Anteilswert von 10 Prozent rund +/-zwei Prozentpunkte. Daten zur politischen Stimmung: CDU/CSU 30 Prozent, AfD 20 Prozent, SPD 16 Prozent, GrĂŒne 17 Prozent, Linke 10 Prozent, BSW 2 Prozent, FDP 2 Prozent.
Das nÀchste Politbarometer sendet das ZDF am Freitag, 19. September 2025.
Foto (c) ZDF/Forschungsgruppe Wahlen am 05. September 2025
