Ukrainische Atomanlagen: Akut keine Gefahr fĂŒr Deutschland

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Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/MIS) Die Situation in der Ukraine sei kritisch und besorgniserregend, es gehe aber gegenwĂ€rtig keine akute Gefahr fĂŒr die deutsche Bevölkerung von den zum Teil unter Beschuss geratenen Atomkraftwerken im Kriegsgebiet aus. Das sagte der Parlamentarische StaatssekretĂ€r Christian KĂŒhn am Freitag in einer Sondersitzung des Ausschusses fĂŒr Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zum Thema „Nukleare Sicherheit und Sicherung der Atomanlagen in der Ukraine“.

Einen Überblick ĂŒber den Stand der Dinge in den Kernkraftwerken des Landes gab Anna Bradford, Leiterin der Einheit fĂŒr Anlagensicherheit der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA), den Abgeordneten. Der Reaktor in Tschernobyl war demnach mindestens vorĂŒbergehend vom Stromnetz abgehĂ€ngt. Eine unmittelbare Gefahr fĂŒr die Umgebung bedeute ein solcher Ausfall aber nicht, es gebe genĂŒgend KĂŒhlwasser auch auf lĂ€ngere Sicht, zudem stĂŒnden Dieselgeneratoren als Ersatz-Stromproduzenten bereit. So auch im unter Beschuss geratenen AKW Saporischschja. Dennoch wĂ€re es hier, sollte das nötig werden, aktuell nicht möglich, Experten oder Ersatzteile zu schicken, weil es problematisch sei, den Kontakt zur Belegschaft aufrecht und ĂŒberhaupt Daten und Informationen zur Lage zu erhalten.

Inge Paulini, PrĂ€sidentin des Bundesamtes fĂŒr Strahlenschutz, bestĂ€tigte den Abgeordneten, dass es bisher weder an den Kraftwerksstandorten noch an anderen Orten wie Deponien oder in Kliniken zu einer Freisetzung von RadioaktivitĂ€t gekommen sei. Selbst wenn es dazu kĂ€me, so fĂŒhrte Paulini aus, seien die Auswirkungen auf Deutschland vergleichsweise gering, wirklich drastische Maßnahmen wie Evakuierungen oder auch die Einnahme von Jodtabletten wĂŒrden hier nicht nötig werden. Das Bundesamt rate auch dringend davon ab, jetzt Jodtabletten vorsorglich einzunehmen, das sei nicht nur nicht notwendig, sondern wegen der hohen Dosierung sogar schĂ€dlich.

Die SPD-Fraktion interessierte, wie kooperativ sich Russland bei den GesprĂ€chen mit ukrainischen Vertretern am Donnerstag in der TĂŒrkei gezeigt habe. IAEA-Expertin Bradford sagte, beide Seiten hĂ€tten bekrĂ€ftigt dass Sicherheit und Sicherung der Anlagen wichtig seien und hĂ€tten weitere GesprĂ€che darĂŒber vereinbart.

Die Unionsfraktion wollte wissen, wie lange man die KĂŒhlung der BrennstĂ€be in Tschernobyl unter den derzeit schlechten Bedingungen aufrechterhalten könne. Dazu sagten die zu Rate gezogenen Expertinnen, zurĂŒckhaltenden SchĂ€tzungen zufolge dauere es Wochen, bis das KĂŒhlwasser verdampft sei. Und da es sich um alte BrennstĂ€be handle, die sich weniger stark erhitzen wĂŒrden, sei eine Kernschmelze sehr unwahrscheinlich.

Auch die FDP- und die GrĂŒnen-Fraktion nahmen Sorgen in Deutschland zum Anlass, zu fragen, ob heute ein Super-Gau wie vor 36 Jahren in Tschernobyl wieder möglich sei und welche Konsequenzen die Energieagentur daraus ziehe, im Moment kaum etwas in der Hand zu haben, um die Einhaltung ihrer Sicherheitsstandards zu gewĂ€hrleisten.

Die AfD-Fraktion wollte wissen, ob Russland bewusst Kernkraftwerke besetze, um in Verhandlungen ein weiteres Druckmittel zu haben. Über politische Motive der Kriegsparteien wollten die Expertinnen aber nicht spekulieren.

Aus der Linksfraktion kam die Frage, wie es um die Lebensmittel- und medizinische Versorgung der in den Reaktoren BeschĂ€ftigten stehe – verbunden mit der Bitte an die Bundesregierung, dieses Thema und die Frage, wie die Versorgung der Standorte mit Diesel fĂŒr die Stromgeneratoren zu gewĂ€hrleisten sei, immer wieder anzusprechen.

Deutscher Bundestag am 11. MĂ€rz 2022