Ministerpräsident Haseloff heute im Bundesrat: „Halte die Legalisierung von Cannabis für einen großen Fehler“

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Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung auch den „Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ beraten. In der Debatte kritisierte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff den Zeitpunkt der Beratungen: „Haben wir in unserem Land keine anderen Probleme? Ich denke an den Ukrainekrieg, die Migration, führende Wirtschaftsinstitute sehen Deutschland 2023 tief in der Rezession, unsere energieintensiven Betriebe sind mit existenziellen Problemen konfrontiert, wir stehen vor einem Umbau unserer Krankenhauslandschaft, es gibt einen Medikamentenmangel, und wir diskutieren über die Legalisierung von Cannabis. Das ist nur schwer zu vermitteln.“

Zum Gesetzentwurf sagte Haseloff: „Ich halte die Legalisierung von Cannabis für einen großen Fehler und lehne sie ab.“  Er wies auf die gesundheitlichen Gefahren des Konsums von Cannabis hin und kritisierte die Bundesregierung: „Politik lässt sich im besten Fall von medizinischer Expertise leiten. Beim vorliegenden Gesetzentwurf wurde das offenbar vernachlässigt. Denn dann hätte die Bundesregierung die Warnungen medizinischer Fachgesellschaften, wie zum Beispiel aus der Kinder- und Jugendmedizin, der Psychiatrie oder vom diesjährigen Deutschen Ärztetag, ernster genommen.“

Er befürchte, dass „durch eine Legalisierung von Cannabis junge Menschen nicht etwa vor Drogenkonsum geschützt, sondern eher an Drogen herangeführt werden“.

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Rede von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff im Bundesrat am 29. September 2023

Anrede

heute beraten wir mit dem Entwurf des Cannabisgesetzes eines der umstrittensten Vorhaben der letzten Jahre. Ich frage mich: Haben wir in unserem Land keine anderen Probleme? Ich denke an den Ukrainekrieg, die Migration, führende Wirtschaftsinstitute sehen Deutschland 2023 tief in der Rezession, unsere energieintensiven Betriebe sind mit existenziellen Problemen konfrontiert, wir stehen vor einem Umbau unserer Krankenhauslandschaft, es gibt einen Medikamentenmangel, und wir diskutieren über die Legalisierung von Cannabis. Das ist nur schwer zu vermitteln.

Zum Thema selbst sage ich ganz klar: Ich halte die Legalisierung von Cannabis für einen großen Fehler und lehne sie ab. Mich beruhigt auch die Begleitkampagne des Bundesgesundheitsministeriums „Cannabis – Legal, aber …“ nicht, die in hippem Pink und mit einem kleinen Hanfblättchen daherkommt: Um substanzielle Informationen zu den Risiken des Cannabis-Konsums zu erhalten, muss man sich erst auf die inhaltliche Ebene bzw. zum Internetauftritt „cannabispraevention.de“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchklicken. Wenn ich an meine Enkel denke, bezweifle ich, dass sich junge Menschen von solchen eher rational abgefassten Internetseiten angesprochen fühlen. Das funktioniert weder bei Alkohol noch bei Tabak, und es wird auch nicht bei Cannabis funktionieren.

Ich teile die Position des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der sich im Zusammenhang mit der Vorstellung des Europäischen Drogenberichts im Juni 2023 geäußert hat. Nach seiner Einschätzung wird Cannabis schon jetzt am häufigsten von allen illegalen Drogen konsumiert, auch von Jugendlichen. Aber weder Gras noch andere Drogen wie Alkohol und Tabak gehören in die Hände von Kindern und Jugendlichen. Das Fazit des Bundesdrogenbeauftragten lautet daher auch: Nicht alles, was erlaubt ist, sei auch gesund!

Umso weniger kann ich seine Schlussfolgerung nachvollziehen, dass wir den Konsum von Cannabis entkriminalisieren müssten, um endlich den Gesundheitsschutz und die Prävention zu verbessern. Es gibt keinen Kausalzusammenhang, dass Prävention und Gesundheitsschutz durch die Entkriminalisierung einer Droge besser funktionieren. Sonst hätten wir keine Probleme bei legalen Drogen wie Tabak oder Alkohol.

Politik lässt sich im besten Fall von medizinischer Expertise leiten. Beim vorliegenden Gesetzentwurf wurde das offenbar vernachlässigt. Denn dann hätte die Bundesregierung die Warnungen medizinischer Fachgesellschaften, wie zum Beispiel aus der Kinder- und Jugendmedizin, der Psychiatrie oder vom diesjährigen Deutschen Ärztetag, ernster genommen und sich folgende Fragen gestellt: Weshalb soll Cannabis schon für Erwachsene ab 18 legalisiert werden, wenn die Gehirnreifung erst mit etwa 25 Jahren abgeschlossen ist? Wozu muss ein Mensch eine Menge von 25 g Cannabis bei sich haben dürfen, obwohl die gesundheitsschädlichen Wirkungen dieser Droge bekannt sind? Wer garantiert, dass der zulässige THC-Gehalt von maximal 10 Prozent eingehalten wird? Starke Bedenken gegen den Gesetzentwurf hat im Übrigen auch die kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, Dr. Katrin Schaller, wie Sie mir vor zwei Tagen schrieb. Das Cannabisrauchen habe ein großes Potenzial, die Bemühungen der Tabakprävention zu untergraben und die Erfolge der vergangenen Jahre zunichte zu machen.

Durch eine Legalisierung von Cannabis werden junge Menschen nicht etwa vor Drogenkonsum geschützt, sondern eher an Drogen herangeführt . Schon heute liegt der Anteil unter den Konsumenten von Cannabis, die täglich diese Droge konsumieren, bei über 17 Prozent. Ich beziehe mich hier auf aktuelle Zahlen aus dem Suchtsurvey ESA 2021.

Ich befürchte, dass mit der Legalisierung der Konsum weiter ansteigen wird.

Die hochkomplexen Vorgaben zum Kinder- und Jugendschutz dürften kaum das Problem eines regelmäßigen hohen Cannabis-Konsums oder eines zu frühen Einstiegs beseitigen. Zudem sind die Vorgaben nicht praxistauglich. Wo soll zum Beispiel das qualifizierte Personal herkommen, das mit auffällig gewordenen Minderjährigen die vorgesehenen Maßnahmen der Frühintervention durchführt? Eine solche zusätzliche Pflichtaufgabe für die Kommunen erfordert zusätzliches Personal und entsprechende Mittel. Die kann man nicht von jetzt auf gleich „aus dem Boden stampfen“.

Wenn künftig noch mehr Menschen mit Cannabis angetroffen werden, muss die Polizei ermitteln, ob diese Menschen mit einer zulässigen Menge Cannabis aus einer legalen Quelle unterwegs sind und der nach Alter differenzierte THC-Höchstgehalt nicht überschritten ist. Und wie ist ohne großen Aufwand zu beweisen, ob das Cannabis in der Jackentasche aus Eigenanbau stammt oder vom Schwarzmarkt im Park nebenan?

Das geplante Cannabisgesetz beinhaltet viele Regeln, Maßnahmen und Beschränkungen. All das müssen die Behörden vor Ort umsetzen und kontrollieren. Polizei, Justiz und Kommunen werden mit einer Legalisierung nicht weniger belastet, wie von Bundesgesundheitsminister Lauterbach erhofft, sondern im Gegenteil: es wird mehr Bürokratie geben.

Quelle: Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt

Foto/Bundesrat