LINDNER-Gastbeitrag: Eine Vermögensteuer kann Deutschland sich nicht leisten

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Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesminister der Finanzen Christian Lindner schrieb fĂŒr das „Handelsblatt“ (Freitag-Ausgabe) und „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Die Bundesregierung hat grĂ¶ĂŸere Entlastungen auf den Weg gebracht als die meisten Regierungen vor ihr. Sie bewegen sich im dreistelligen Milliardenbereich. Diese Entlastungen sind angesichts der hohen Inflation dringend geboten.

Viele Menschen sorgen sich, ob sie am Ende des Monats noch alle Rechnungen bezahlen können. Die hart erarbeitete Kaufkraft der breiten Mitte der Gesellschaft sinkt. Viele kleine und mittelstĂ€ndische Betriebe stehen vor existenziellen Nöten. Dem stelle ich mich als Finanzminister entschieden entgegen – zum Beispiel, indem ich die kalte Progression bekĂ€mpfe.

Die geopolitische und wirtschaftliche Lage bleibt fragil. Umso mehr ĂŒberrascht es, dass nun wieder Rufe nach neuen Belastungen laut werden. Ausgerechnet jetzt flammt die Debatte um eine Vermögensabgabe oder Vermögensteuer auf.

Mit gutem Grund wurde diese Diskussion in den vergangenen Jahren zumeist abstrakt gefĂŒhrt, aber nicht anhand konkreter GesetzentwĂŒrfe im Parlament. Den BefĂŒrwortern gelingt es nicht, ein rechtssicheres Konzept fĂŒr eine effiziente und bĂŒrokratiearme Erhebung vorzulegen.

Es ist kein Zufall, dass keine Bundesregierung – egal welcher politischer Farbe – die seit 1997 ausgesetzte Vermögensteuer wieder eingefĂŒhrt hat. Damals war es nicht möglich, die Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten zu regeln. Die Erhebungskosten machten rund ein Drittel des Aufkommens aus. FĂŒr beide Probleme gibt es keine ĂŒberzeugende Lösung.

Die Diskussion um die Vermögensteuer immer wieder zu fĂŒhren, scheue ich nicht. Über rechtliche und verwaltungstechnische Fragen hinaus gibt es gute ökonomische GrĂŒnde, warum eine solche Steuer abzulehnen ist.

Das bestÀtigt auch der Blick ins Ausland: Die Vermögensteuer ist innerhalb der EU ein Auslaufmodell. Nur zwei EU-LÀnder erheben noch eine breite Vermögensteuer.

In anderen OECD-Staaten gibt es zwar noch Vermögensteuern – diese mĂŒssen aber im Zusammenhang mit der dortigen Steuerstruktur gesehen werden. Das oft als Argument bemĂŒhte Beispiel der Schweiz etwa fĂŒhrt in die Irre, weil dort ĂŒber niedrigere Grund-, Erbschaft-, Unternehmen- und Einkommensteuern insgesamt eine deutlich niedrigere Steuerlast besteht.

Eine Vermögensteuer ist auch kein Instrument der Gerechtigkeit: Sie trifft nicht in erster Linie den Fußballprofi oder den Dax-Vorstand. Der grĂ¶ĂŸte Teil des Vermögens in Deutschland liegt nicht in ominösen Geldspeichern vergraben. Das Vermögen in Deutschland ist zu weiten Teilen das betriebliche Vermögen der mittelstĂ€ndischen Betriebe. Es ist Vermögen, das wir fĂŒr die Zukunft brauchen.

Das betriebliche Vermögen wird produktiv eingesetzt fĂŒr unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand: Dieses Vermögen sichert ArbeitsplĂ€tze. Es finanziert Investitionen in die ModernitĂ€t unseres Landes.

Schon in normalen Zeiten wĂŒrde eine Besteuerung, die an der Substanz unseres Landes ansetzt, Entwicklung und Fortschritt hemmen. Denn auch wenn allein der Buchwert des gebundenen Vermögens steigt, erhöht sich die Steuerlast der Betriebe, ohne dass dem mehr LiquiditĂ€t gegenĂŒberstehen wĂŒrde.

Das schlĂ€gt direkt auf die Renditen durch – und dadurch auch auf ArbeitsplĂ€tze und Investitionen. Das können und sollten wir uns in Deutschland nicht leisten.

Nach der Corona-Wirtschaftskrise und vor dem Hintergrund explodierender Energiepreise steht der deutsche Mittelstand ohnehin unter starkem Druck. Fallen Gewinne nun ganz aus oder schrumpfen erheblich, wird aus einer Steuer, die nicht am Ertrag, sondern am Bestand ansetzt, sehr schnell eine existenzbedrohende Gefahr. Kleine und mittelstĂ€ndische Betriebe sollten jetzt die beschlossenen Entlastungen spĂŒren, nicht neu belastet werden.

Auch langfristig glaube ich nicht an den volkswirtschaftlichen Nutzen einer Vermögensteuer. Es ist offensichtlich, wie groß der Modernisierungsstau in unserem Land ist. Die notwendigen Investitionen kann der Staat nicht allein stemmen. Das Gros muss aus dem privaten Bereich kommen.

Das wĂŒrde eine Vermögensteuer jedoch bremsen. Das hat auch der unabhĂ€ngige Wissenschaftliche Beirat meines Hauses schon in einem Gutachten fĂŒr die vorherige Bundesregierung bestĂ€tigt: Die Expertinnen und Experten warnen darin, dass selbst eine einmalige Vermögensabgabe „erhebliche wirtschaftliche SchĂ€den verursachen wĂŒrde, weil sie das Vertrauen von Sparern und Investoren erschĂŒttert“.

Sie wĂŒrde Deutschlands â€žĂŒber Jahrzehnte erarbeiteten Ruf als sicherer Investitionsstandort unnötig, schnell und dauerhaft zerstören“. Stattdessen werden Investitionen im Ausland attraktiver. Das theoretisch erhoffte Aufkommen wird sich bei uns also nicht einstellen.

Eine Vermögensteuer lehne ich ab. Eine Diskussion ĂŒber die Besteuerung in Deutschland ist aber angebracht. Die konjunkturellen Aussichten sind unsicher. Der Standortvorteil des deutschen Wirtschaftsmodells – billige Energie aus Russland – fĂ€llt weg.

Wir mĂŒssen unsere internationale WettbewerbsfĂ€higkeit stĂ€rken. Ansonsten drohen wir ArbeitsplĂ€tze und Wirtschaftskraft an andere Standorte auf der Welt zu verlieren. Um das zu verhindern, brauchen wir eine Steuerreform.

Ich werte den aktuellen Vorstoß als Offenheit in dieser Debatte. Die kann in einem Höchststeuerland im Abschwung aber nur in eine Richtung fĂŒhren – zu Entlastungen statt zu noch mehr Belastungen.

Foto © Christian Lindner