Henriette Quade: Mit der AfD gibt es nichts zu besprechen, schon gar nicht über den Schutz der Demokratie

Veröffentlicht in: Landtag von Sachsen-Anhalt | 0

In der aktuellen Debatte um die von der Bundesinnenministerin geplanten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus betont Henriette Quade (Foto), innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke:

„Was liegt uns hier eigentlich vor? Ein Antrag der extremen Rechten auf eine aktuelle Debatte, der einem altbekannten Muster folgt: es wird vermeintliche Sorge um jene Demokratie vorgetäuscht, welche die AfD zerstören will. Dazu wählt die AfD Formulierungen, die sonst in Reden und Texten genutzt werden, um ihr Agieren zu analysieren und bringt sie gegen ihre politischen Gegnerinnen und Gegner in Stellung. Da wird dann ein Mitglied der Bundesregierung und Sozialdemokratin wie Bundesinnenministerin Faeser vom AfD-Bundestagsabgeordneten Ziegler Faschistin genannt, da wird, wer elementarste Grundsätze der Demokratie verteidigt zum Demokratiefeind erklärt.

Schauen wir noch mal auf den Titel, dort lesen wir von einem „Faeser-Putsch“. Der Name der Bundesministerin für Inneres und Heimat verbunden mit dem Wort „Putsch“. In der jüngeren deutschen Geschichte finden wir vergleichbare Verbindungen prominent zwei Mal. Historikerinnen und Historiker beschreiben u.a. mit „Hitler-Putsch“ den Versuch von Nationalsozialisten, im Jahr 1923 die Regierung in Berlin zu stürzen. Und eben jene Nationalsozialisten erfanden und prägten in ihrer Propaganda elf Jahre später die Rede vom „Röhm-Putsch“, um die Ermordung von mindestens 90 Mitgliedern der nationalsozialistischen Führung vermeintlich zu rechtfertigen. Wer heute den Namen eines Politikers mit einem Bindestrich mit dem Begriff „Putsch“ verbindet, der weiß das natürlich. Die extreme Rechte weiß das allemal. Was soll hier also angedeutet werden?

Wo wird denn tatsächlich ein gewaltsamer Umsturz geplant, wo wird denn an einem Putsch gearbeitet? In der extremen Rechten. Deren zentrale Kraft ist die AfD. Umsturzpläne, die Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Neonazis, eine Konferenz zur Planung der millionenfachen Vertreibung von Menschen – die historischen Bezüge schafft die AfD nicht nur in Titeln. Sie schafft sie jeden Tag als Teil ihres Kampfs gegen Demokratie, gegen Freiheit, gegen soziale Gerechtigkeit. Und wer sich dagegen wehrt, der findet – und das ist mehr als ein historischer Bezug – Hakenkreuze an seinem eigenen Wohnhaus, wie zuletzt geschehen bei der Präsidentin des Landtags von Thüringen oder der wird mit einem Brandanschlag angegriffen, wie der Kollege von der SPD-Fraktion in Thüringen, Michael Müller. Der Kampf der extremen Rechten ist ein gewaltsamer, brutaler Kampf. Immer. Volle Solidarität an dieser Stelle an die Kolleg:innen in Thüringen.

In den vergangenen Wochen haben wir aber noch etwas anderes gesehen. Wir haben gesehen, wie hunderttausende Menschen in der gesamten Bundesrepublik und in Sachsen-Anhalt, ob in den großen Metropolen oder in den kleinen Dörfern, auf die Straße gegangen sind. Immer und immer wieder. Gegen die extreme Rechte, gegen die AfD. Die AfD hat mal plakatiert „Vollende die Wende“ – Tatsache ist: Wir haben erst kürzlich in Halle die größte Demonstration seit 1989 gesehen. Die größte Demonstration, weil kein anderes Anliegen seitdem so viele Menschen auf die Straße gebracht hat wie die Verteidigung der Demokratie, und zwar die Verteidigung der Demokratie gegen die AfD.

Viele der Demonstrationen haben auch die Forderung nach einer Prüfung eines Verbotes der AfD zur Forderung gehabt. Ausgelöst wurden sie auch durch die für alle sichtbar gewordene Vernetzung von AfD, Konservativen und Mitgliedern der „Identitären Bewegung“. Wer richtigerweise über ein AfD-Verbot nachdenkt, der muss erst Recht über ein Verbot der „Identitären Bewegung“ nachdenken. Hier muss die Bundesinnenministerin schnell handeln und die vorhandenen Instrumente auch anwenden. Denn – schauen wir nun auf das Papier, gegen das die extrem Rechten hier anreden – finden wir dort Punkt acht, „Rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“. Doch, und das ist insgesamt das Problem mit diesem Papier, das ständige Ankündigen von Maßnahmen kann diese nicht ersetzen. Wo ist das Demokratieförderungsgesetz? Bis heute ist es nicht verabschiedet, obwohl wir spätestens seit den NSU-Untersuchungsausschüssen wissen, wie dringend es gebraucht wird. Aber die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen bleiben weiter gefangen in einem Kampf mit der FDP, die nicht regieren will, sondern es als wesentliche Leistung betrachtet, die anderen vom Regieren abzuhalten. Das gilt auch für die Entwaffnung von Rechtsextremisten. Hier liegt seit mehr als einem Jahr ein Entwurf des Bundesinnenministeriums vor, bis heute ist daraus kein Gesetz geworden. Während hunderttausende Menschen bundesweit aus Sorge um die Demokratie und die Freiheit dieser Gesellschaft auf die Straße gehen, können sich SPD, Grüne und FDP nicht mal darauf einigen, der extremen Rechten kriegswaffenähnliche Halbautomatikwaffen wegzugnehmen.

Die Antwort auf die Demonstrationen wären nicht die Wiederholungen der Ankündigungen überfälliger Maßnahmen durch die Bundesinnenministerin, sondern ihre Umsetzung. Noch nötiger als Reden von Politiker:innen des Landtags auf den verschiedenen Demos wäre sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was im Land besser laufen muss, um rechte Gewalt zu ahnden und zu bekämpfen. Wenn z. B. die politische Motivation der schweren Angriffe in Seehausen und die Abwertung und Feindmarkierung der Betroffenen durch die Angreifenden als „Zecken“ vor Gericht nicht gewürdigt werden, obwohl die Richtlinien zum Umgang mit politisch motivierter Gewalt das vorsehen, dann gibt es hier Handlungsbedarf.

Hunderttausenden machen gerade richtigerweise deutlich, dass es mit der AfD schlichtweg nichts zu verhandeln gibt, dass sie gestoppt und ein Verbot ernsthaft geprüft werden muss. Eine adäquate Antwort dieses Landtags darauf wäre es auch, zu überlegen, ob es wirklich noch angemessen ist, über jede rechtsextreme Propaganda in diesem Haus ausführlich zu debattieren, wie wir das heute wieder getan haben. Mit der AfD gibt es nichts zu besprechen, schon gar nicht über den Schutz der Demokratie.“

Text/Foto: Fraktion Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt am 22. Februar 2024