Mindestlohnanhebung: HDE warnt vor großem Vertrauensschaden

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AnlĂ€sslich der an diesem Freitag stattfindenden Bundestagsberatungen ĂŒber den Gesetzentwurf zur Mindestlohnanhebung bekrĂ€ftigt der Handelsverband Deutschland (HDE) seine Kritik am Verfahren der Anpassung. Der Verband lehnt eine Änderung des Mindestlohns unmittelbar durch den Gesetzgeber und ohne Beteiligung der paritĂ€tisch besetzen und unabhĂ€ngigen Mindestlohnkommission der Sozialpartner strikt ab. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung greife in dieser Fassung tief in die durch Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes geschĂŒtzte Tarifautonomie ein.

„Mit dem Eingriff in die Tarifautonomie schafft die Bundesregierung einen gefĂ€hrlichen und irreversiblen PrĂ€zedenzfall. Der Mindestlohn droht damit zukĂŒnftig vor jeder Bundestagswahl erneut zum Spielball politischer Ambitionen zu werden“, so HDE-HauptgeschĂ€ftsfĂŒhrer Stefan Genth. Wer die unabhĂ€ngige Mindestlohnkommission einmal aushebele, werde dies bei Gelegenheit erneut tun. Zudem zerstöre die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde bereits zum 1. Oktober 2022 durch den Gesetzgeber wertvolles Vertrauen in das Verfahren und die BeschlĂŒsse der Mindestlohnkommission. „Tarifbindung wird in Zukunft weniger attraktiv. Schließlich ist Planungssicherheit fĂŒr die Unternehmen hierbei ein ganz zentrales Argument“, betont Genth.

Tarifentgelte unterhalb von zwölf Euro pro Stunde wĂŒrden mit Oktoberbeginn einfach verdrĂ€ngt, obwohl nur die Tarifvertragsparteien die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen in ihrer Branche angemessen beurteilen können. „Der Vertrauensschaden, den die Politik hier in Kauf nimmt, ist enorm“, so Genth. Es bedĂŒrfte zumindest einer Verschiebung der Mindestlohnanhebung auf den 1. Januar 2023. Vollkommen unverstĂ€ndlich sei auch, warum der Entwurf der Bundesregierung trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken nach wie vor keine Öffnungsklausel fĂŒr noch laufende EntgelttarifvertrĂ€ge enthalte. Die Mindestlohnanhebung treffe zudem auf eine aufgrund der anhaltenden Pandemie und des russischen Krieges in der Ukraine besonders volatile wirtschaftliche Gesamtsituation. „FĂŒr große Teile des Einzelhandels sind die schweren Zeiten noch lĂ€ngst nicht vorbei“, so Genth weiter.

Die ebenfalls im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Anhebung und Dynamisierung der Verdienstgrenze fĂŒr die Minijobs begrĂŒĂŸt der HDE hingegen ausdrĂŒcklich. „Die Verdienstgrenze bei den Minijobs anzuheben und zu dynamisieren, ist gut und lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig. Dabei muss es aber auch bleiben“, betont Genth. Minijobber seien fĂŒr den Einzelhandel trotz eines starken RĂŒckgangs in den vergangenen Jahren weiter von großer Bedeutung. Diese BeschĂ€ftigungsform sei bei den Arbeitnehmern sehr beliebt und werden in der Praxis zumeist auch ausdrĂŒcklich angefragt. Zudem seien Minijobs auch fĂŒr Arbeitgeber ein wichtiges FlexibilitĂ€tsinstrument, um etwa branchentypische Stoßzeiten besser abzufedern.

Vollkommen inakzeptabel sei allerdings die erneute Anhebung der Midijob-Verdienstgrenze auf nunmehr 1.600 Euro pro Monat sowie auch die Umverteilung bei den SozialversicherungsbeitrĂ€gen zulasten der Arbeitgeber. Damit werde der Grundsatz der paritĂ€tischen Finanzierung in der Sozialversicherung im Übergangsbereich der Midijobs einfach abgeschafft. „Arbeitgeber mit hoher Teilzeitquote werden gezielt bestraft. Die Politik muss hier eine rote Linie ziehen und zumindest die Midijob-Grenze bei 1.300 Euro belassen“, so Genth.

An diesem Freitag soll der Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Mindestlohnanhebung verabschieden. Der HDE hatte seine Kritik zuvor in der Anhörung des Bundestagsausschusses fĂŒr Arbeit und Soziales vorgebracht. Der Bundesrat wird den Entwurf voraussichtlich Anfang Juli 2022 final beraten.

Text/Foto HDE am 01. Juni 2022