Vorgriffsstunde: Trotz gewonnenen Urteils erneut vor Gericht

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Magdeburg. Der Lehrer Torsten Richter sieht sich gezwungen, auch in diesem Jahr erneut den Rechtsweg zu beschreiten, um die VergĂŒtung seiner sogenannten Vorgriffsstunde einzufordern. Dies, obwohl er bereits im vergangenen Jahr vor dem Arbeitsgericht Halle in identischer Sache obsiegt hatte.

Im vergangenen Jahr hatte das Arbeitsgericht Halle im Fall von Torsten Richter entschieden, dass die Vorgriffsstunde monatlich und auch dann zu vergĂŒten ist, wenn sie aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfĂ€llt. Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Vorgriffsstunde um einen festen Bestandteil der regelmĂ€ĂŸigen Arbeitszeit handelt, der auch bei Entgeltfortzahlung an Feiertagen zu berĂŒcksichtigen ist.

Trotz dieses rechtskrĂ€ftigen Urteils verweigert das Land Sachsen-Anhalt in vergleichbaren FĂ€llen weiterhin die Auszahlung der VergĂŒtung. Torsten Richter sieht sich daher gezwungen, erneut Klage beim Arbeitsgericht einzureichen, um seine AnsprĂŒche durchzusetzen.

„Es ist fĂŒr mich nicht nachvollziehbar, dass ich trotz eines klaren und rechtskrĂ€ftigen Urteils erneut den Klageweg beschreiten muss. Dies ist nicht nur fĂŒr mich persönlich belastend, sondern wirft auch grundsĂ€tzliche Fragen zum Umgang mit gerichtlichen Entscheidungen im öffentlichen Dienst auf“, erklĂ€rt Torsten Richter, der gleichzeitig Mitglied des Landesvorstandes der GEW Sachsen-Anhalt ist.

Der Fall verdeutlicht die bestehenden Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung der Vorgriffsstunden-Regelung in Sachsen-Anhalt und wirft Fragen hinsichtlich der VerlÀsslichkeit und Rechtsverbindlichkeit von gerichtlichen Entscheidungen im öffentlichen Dienst auf. Die wiederholte Notwendigkeit gerichtlicher KlÀrung bindet Ressourcen und belastet das VertrauensverhÀltnis zwischen LehrkrÀften und dem Land Sachsen-Anhalt enorm.

Hintergrund

Die sogenannte Vorgriffsstunde wurde im Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2023 als zusĂ€tzliche wöchentliche Unterrichtsverpflichtung fĂŒr LehrkrĂ€fte eingefĂŒhrt, um dem anhaltenden LehrkrĂ€ftemangel zu begegnen. Die LehrkrĂ€fte können sich diese Stunde entweder auszahlen lassen oder sie auf ein Arbeitszeitkonto gutschreiben lassen. Das Land Sachsen-Anhalt kam der Verpflichtung zur monatlichen Zahlung nicht nach und verweigerte auch die Entgeltzahlung an Feiertagen, die sich fĂŒr alle Arbeitnehmer aus dem Entgeltfortzahlungsgesetzes ergibt.

Dauraufhin hatte das Arbeitsgericht Halle im Fall von Torsten Richter mit Urteil vom 10.07.2024 – 3 Ca 1900/23 – entschieden, dass die Vorgriffsstunde nicht nur monatlich zu zahlen sondern auch dann zu vergĂŒten ist, wenn sie aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfĂ€llt. Das Land Sachsen-Anhalt zahlte im verurteilten Rahmen der Leistungsklage und stellt die Anwendung des Urteils auf weitere Feiertage in Abrede. Damit muss nun das Arbeitsgericht Halle nochmals – nun im Rahmen einer Feststellungsklage – ĂŒber den Anspruch entscheiden.

Quelle: GEW Sachsen-Anhalt am 11. Mai 2025

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