Universitätsmedizin Magdeburg: Spitzengerät für Hochpräzisions-bestrahlung in allen Körperregionen

Veröffentlicht in: Gesundheit | 0

Am 3. November wurde ein hochmoderner Linearbeschleuniger auf dem Gelände der Universitätsmedizin angeliefert.

Das Gerät mit einem Gewicht von 3 Tonnen wurde mit Hilfe eines Krans in den eigens dafür erstellen Anbau eingebracht. Dieser sog. Erweiterungsbau der Universitätsklinik für Strahlentherapie (Klinikdirektor Prof. Dr. Thomas Brunner) am Haus 23 wurde nach nur 10 Monaten Bauzeit aktuell fertiggestellt. In diesem sind nun sowohl das Hochpräzisionsgerät als auch eine Erweiterung der Arztzimmer und der Diensträume untergebracht. Das leistungsstarke Bestrahlungsgerät wird es erlauben, mit einer Präzision von unter einem Millimeter, Radiochirurgie im Gehirn und stereotaktische Radiotherapie (SBRT) in sehr wenigen Sitzungen zum Beispiel in der Lunge oder im Bauchraum durchzuführen. Damit die Patient:innen zuverlässig positioniert sind, kann der Tisch millimetergenau in sechs Ebenen – drei linear und drei der Rotation – bewegt werden. Darüber hinaus unterstützt eine Infrarotkamera durch die Abtastung der Oberfläche des Patienten kontinuierlich das Gleichbleiben seiner Lagerung. Über die Stereotaxie hinaus können mit diesem Beschleuniger aber auch 80% aller anderen medizinischen Situationen, in denen eine Strahlentherapie für die Behandlung vorgesehen ist, bedient werden, so dass das Gerät ökonomisch eingesetzt werden kann.

Titelfoto: Der neue (RF)-Linearbeschleuniger wird in den Erweiterungsbau eingebracht.
(c) Sarah Kossmann/UMMD

Vor der eigentlichen Inbetriebnahme des Linearbeschleunigers erfolgt derzeit die Montage des Gerätes durch den Hersteller bis kurz vor Weihnachten. Danach stehen bis Ende Januar aufwändige physikalische Messungen an, damit exakt die vorgesehene Dosis am Tumor ankommt. Das ist komplex, weil sich gleichzeitig während der Drehung des Gerätes um den Patienten die Blenden des Bestrahlungskopfes öffnen und schließen. Auch das Personal muss entsprechend eingewiesen werden, um die Patientenbehandlung zu beginnen.

Bei diesem Hochfrequenz (RF)-Linearbeschleuniger handelt es sich um einen der effizientesten Linearbeschleuniger, den der Weltmarkt aktuell zu bieten hat. Ein Linearbeschleuniger ist ein Teilchenbeschleuniger, der geladene Teilchen in gerader Linie beschleunigt. In den speziell für die Strahlentherapie konstruierten Geräten werden Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, dann auf einen Metallkörper gelenkt, der sie abrupt abbremst und dadurch letztlich durchdringende Röntgenstrahlen (Bremsstrahlung) im Megavolt-Energiebereich generiert, mit denen auch tiefliegende Tumoren gut behandelt werden können.

Prof. Dr. Thomas Brunner, der auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe Radiochirurgie & Stereotaxie der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie ist, betont: “Das ist ein Gerät, das uns die Möglichkeit bietet, die Hochpräzision in allen Körperregionen durchzuführen. Bei Patienten mit wenigen Metastasen – in der Regel bis zu fünf – spielen stereotaktische Bestrahlungen eine zunehmend wichtiger werdende Rolle, diese Fernabsiedlungen örtlich dauerhaft abzutöten. Für Prostatakrebs und für Lungenkrebs gibt es bereits Studien sehr hoher Qualität, die zeigen, dass dadurch das Überleben der Patienten verlängert werden kann. Beispielsweise können ohne Weiteres 1-10 Hirnmetastasen mit einer Präzision von weniger als 1 mm Abweichung in einer einzigen Sitzung in weniger als 10 Minuten präzise behandelt werden und dabei umliegendes gesundes Gewebe geschont werden, wie zum Beispiel die Hirnregion, die für das Gedächtnis verantwortlich ist. Das bedeutet eine enorme Verkürzung der Behandlungsdauer. Bisher mussten die Metastasen einzeln nacheinander behandelt werden.“

Insbesondere profitieren stereotaktische Behandlungen sehr von diesem Hochleistungsgerät.

„Ich freue mich sehr über den baldigen Einsatz dieser revolutionären Technologie in Sachsen-Anhalt. Diese Entwicklung geht genau in die Zukunftsvision, die wir hier wollen. Denn wir wollen Präzisionsmedizin machen und unser Profil nennt sich d.h. Präzision, Intervention und Prävention. Wir wollen das Entstehen und Weiterwachsen von Krankheiten verhindern. Und dieses Gerät mit seiner extremen Präzisionsleistung, insbesondere im Bereich der Neurologie bei Hirntumoren, ist der Schritt in die richtige Richtung“, so Prof. Dr. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg.

Hintergrundinfo:

Die Baugenehmigung für die bauliche Hülle dieses Hochpräzisionsgerätes wurde im September 2020 erteilt. Bereits im November 2020 konnte mit den vorbereitenden Maßnahmen begonnen werden. Mit der Ausführung des Rohbaus inklusive des Bunkers, welcher aus durchschnittlich 1,5m starken Stahlbetonwänden besteht und das Herzstück des Gebäudes darstellt, wurde Anfang 2021 begonnen. Der ambitionierte Zeitplan von nur einem Jahr für die Fertigstellung der baulichen Hülle wurde trotz Pandemie, Schneechaos und Lieferengpässen eingehalten. Nachdem der Linearbeschleuniger eingebracht wurde, müssen die baulichen Medien an das Gerät angeschlossen werden. Ende November kann das Gebäude voraussichtlich übergeben werden. Die Inbetriebnahme des Gerätes erfolgt dann weitergehend, so dass bereits im Februar 2022 die ersten Patient:innen behandelt werden können. Die Baukosten belaufen sich auf ca. 4,6 Millionen Euro.

Foto 2: v. l.: Lisa Lahne, Projektleiterin Bauabteilung, Prof. Dr. Thomas Brunner, Direktor der Universitätsklinik für Strahlentherapie und Prof. Dr. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Magdeburg stehen vor dem neuen Hochpräzisionsgerät TrueBeam STx der Firma Varian im Erweiterungsbau der Klinik für Strahlentherapie auf dem Gelände der Universitätsmedizin.
(c) Sarah Kossmann/UMMD