Paradigmenwechsel in der Medizin: Frauen und MĂ€nner erkranken anders

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Magdeburg. UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg besetzt deutschlandweit erste Vollzeit Univ.-Professur fĂŒr Geschlechtersensible Medizin mit klinischer TĂ€tigkeit

Zum 1. MĂ€rz 2024 wird an der Medizinischen FakultĂ€t der Otto-von-Guericke UniversitĂ€t Magdeburg eine neue Stiftungsprofessur fĂŒr das Fachgebiet Geschlechtersensible Medizin mit der Professorin Dr. med. Ute Seeland von der CharitĂ©-UniversitĂ€tsmedizin Berlin besetzt. Ziel dieser bundesweit ersten Professur in Vollzeit und mit klinischer Anbindung ist es, das Bewusstsein fĂŒr geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin zu schĂ€rfen und innovative AnsĂ€tze fĂŒr eine gerechtere und individuellere Gesundheitsversorgung zu entwickeln. Finanziert wird die Stiftungsprofessur von der Margarete-Ammon-Stiftung.

Wie unterscheiden sich die Symptome und die Behandlung von Krankheiten bei Frauen und MĂ€nnern und warum ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen und auch zu berĂŒcksichtigen? Mit diesen und weiteren zentralen Fragen befasst sich Professorin Seeland im Rahmen ihrer neuen Stiftungsprofessur fĂŒr Geschlechtersensible Medizin. â€žBesonders wichtig ist es mir, das bisher theoretische Fachwissen in die klinische Praxis zu bringen, um eine geschlechtersensible personalisierte Medizin fĂŒr alle Geschlechter anbieten zu können und den Ă€rztlichen Nachwuchs zu fördern“, so Seeland. Im Rahmen dieses innovativen Konzepts wird sich die Gendermedizinerin nicht nur auf Lehre und Forschung konzentrieren, sondern auch eine Ambulanz fĂŒr PrĂ€vention und Geschlechtersensible Medizin aufbauen. â€žMagdeburg bietet mir die einmalige Möglichkeit, interdisziplinĂ€r sowohl mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Grundlagenwissenschaften als auch mit den klinisch TĂ€tigen und etablierten ForschungsverbĂ€nden wissenschaftlich und klinisch zu arbeiten. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Erforschung der geschlechterspezifischen Ursachen von Bluthochdruck.“

Die Wissenschaftlerin hebt hervor, dass das weibliche Geschlecht in Studien hĂ€ufig unterreprĂ€sentiert ist, so dass die Wirkung von Medikamenten und Therapien bei Frauen oft unzureichend erforscht wird. „Frauen einzubinden, gilt als kompliziert, da ihre Reaktionen auf Medikamente hormonell bedingt variieren können. Mittlerweile wĂ€chst aber das Bewusstsein dafĂŒr, dass es wichtig ist, Diagnose, Therapie und PrĂ€vention an die unterschiedlichen hormonellen Phasen anzupassen.“

Prof. Dr. Daniela C. Dieterich, Dekanin der Medizinischen FakultĂ€t Magdeburg, betont: „Wir freuen uns außerordentlich ĂŒber das Vertrauen der Stiftung in die UniversitĂ€tsmedizin Magdeburg. Die bundesweite Erstbesetzung einer solchen Vollprofessur ermöglicht es uns, einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und zur Förderung der Chancengleichheit zu leisten. Die Arbeit von Professorin Seeland wird nicht nur den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis maßgeblich vorantreiben, sondern auch das Bewusstsein unserer angehenden Ärztinnen und Ärzte fĂŒr die gesellschaftliche Relevanz dieser Thematik schĂ€rfen.“

Die Möglichkeit, Magdeburg als ein Zentrum fĂŒr Geschlechtersensible Medizin aufzubauen und innovative AnsĂ€tze fĂŒr eine gerechtere und individuellere Gesundheitsversorgung entwickeln zu können, ist nicht zuletzt der 2022 mit 100 Jahren verstorbenen Stifterin Margarete Ammon zu verdanken. Sie erkannte schon in den 1980er Jahren die enorme Bedeutung der geschlechtersensiblen Medizinforschung.

„Frau Ammon war ĂŒberzeugt, dass wir nur, indem wir Unterschiede berĂŒcksichtigen, Krankheiten verhindern und unsere LebensqualitĂ€t steigern können. Sie hat sich ein Leben lang fĂŒr mehr Gerechtigkeit in der Medizinforschung eingesetzt und es war ein großes Geschenk, dass sie die Zusage aus Magdeburg fĂŒr die Etablierung des Lehrstuhls fĂŒr Geschlechtersensible Medizin noch erleben durfte“, erklĂ€rt die VorstĂ€ndin der Margarete-Ammon-Stiftung Dr. Andrea HĂŒbner. 

Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann betonte: „Stiftungsprofessuren sind ein GlĂŒcksfall fĂŒr die Forschung sowie zugleich deutliches Zeichen ĂŒberregionaler wissenschaftlicher Reputation und sichtbaren Potenzials. Das gilt erst Recht in einem Bereich wie Gendermedizin, der kĂŒnftig noch an Bedeutung gewinnen wird. Von Risikofaktoren und Symptomen, ĂŒber KrankheitshĂ€ufigkeit und -verlauf, bis hin zur MedikamentenvertrĂ€glichkeit: In vielen Bereichen der Medizin bestehen große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Daher freue ich mich, dass die Unimedizin Magdeburg unter Dekanin Daniela Dieterich zu diesem Zukunftsthema eine Stiftungsprofessur einwerben konnte. Dies wird Forschung wie Lehre zur geschlechtersensiblen Medizin voranbringen und ermöglicht zudem die gezielte Förderung von hoch qualifiziertem Nachwuchs.“

Zur Person

Prof. Dr. med. Ute Seeland wurde in Berlin geboren. Ihr Studium der Humanmedizin absolvierte sie an den UniversitĂ€ten BerlinMarburg und Göttingen. Im Anschluss konnte sie als Postdoc mit einem Lise-Meitner-Stipendium an den UniversitĂ€ten Köln und des Saarlandes in Homburg/Saar ihre Kenntnisse in den Grundlagenwissenschaften und der Klinik vertiefen. Die Promotion erfolgte 1999 an der UniversitĂ€t Marburg. FĂŒr Ihre Forschungsarbeiten erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. den Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundesder Deutschen Gesellschaft fĂŒr Kardiologie und eine Anerkennung von der European Society of Cardiology fĂŒr ihre Arbeit an den Leitlinien zu kardiovaskulĂ€ren Erkrankungen in der Schwangerschaft. Seeland ist FachĂ€rztin fĂŒr Innere Medizin und habilitierte 2021 fĂŒr das Fach Innere Medizin/Geschlechtersensible Medizin an der CharitĂ©- UniversitĂ€tsmedizin Berlin. Sie ist Mitglied mehrerer nationaler und internationaler Fachgesellschaften, darunter auch die Deutsche Gesellschaft fĂŒr Geschlechtsspezifische Medizin e.V. (DGesGMÂź), wo sie seit 2021 den Vorsitz innehat. Dr. Seeland wechselt im MĂ€rz 2024 aus ihrer Position als Wissenschaftlerin und Expertin fĂŒr den Teilbereich Geschlechtersensible Medizin am Institut fĂŒr Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der CharitĂ©- UniversitĂ€tsmedizin Berlin an die UniversitĂ€t Magdeburg.

Über die Margarete-Ammon-Stiftung

Die 2002 gegrĂŒndete Margarete-Ammon-Stiftung widmet sich der Förderung des Gemeinwohls sowie der UnterstĂŒtzung von KreativitĂ€t und Erfindungswesen in den Bereichen Naturwissenschaft, Technologie, Ökologie und Kultur. Die Stiftung fördert ausgewĂ€hlte gemeinnĂŒtzige Vorhaben Dritter, setzt aber auch eigene Projekte um. Einer der Schwerpunkte ihrer TĂ€tigkeit liegt auf der Förderung der Forschung im Bereich der Humanmedizin, insbesondere mit Fokus auf Geschlechtersensible Medizin.

Stiftungsprofessuren werden durch Drittmittelgeber finanziert und tragen dazu bei, innovative Forschungsfelder in einer spezifischen Fachrichtung zu fördern.

Hintergrund

Um in Sachsen-Anhalt eine Professur an einer UniversitĂ€t zu erlangen, muss gemĂ€ĂŸ Â§36 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA) ein Berufungsverfahren durchgefĂŒhrt werden. Geeignete Kandidat:innen durchlaufen dabei ein umfangreiches Verfahren. Eine mit mehreren Expert:innen besetzte Berufungskommission begutachtet die Leistungen der Kandidat:innen in Forschung, Lehre und Krankenversorgung.

Foto: Prof. Dr. med. Ute Seeland wechselt an die UniversitĂ€t Magdeburg und besetzt seit MĂ€rz 2024 die bundesweit erste Professur in Vollzeit und mit klinischer Anbindung fĂŒr das Fachgebiet Geschlechtersensible Medizin.
(c) Fotografin: Melitta Schubert/UMMD