KfW: Zwei Drittel der mittelstÀndischen Unternehmen von gestiegenen Energiepreisen betroffen

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  • ReprĂ€sentative Befragung von KfW Research Anfang September
  • HĂ€lfte der Unternehmen hĂ€lt Mehrbelastung fĂŒr tragbar
  • Höhere Gaspreise treffen Mittelstand vor allem bei Heizkosten
  • Besondere Belastung fĂŒr das Verarbeitende Gewerbe: wenige Unternehmen, aber erhebliches wirtschaftliches Gewicht

Fast zwei Drittel aller kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sehen sich aktuell von gestiegenen Energiekosten betroffen. Das zeigt eine von KfW Research Anfang September 2022 durchgefĂŒhrte Sonderbefragung auf Basis des reprĂ€sentativen KfW-Mittelstandspanels. GegenĂŒber Mai 2022 hat sich der Anteil der MittelstĂ€ndler, die den Preisanstieg bei Energie spĂŒren, damit um rund 7 Prozentpunkte auf 62 % erhöht.

Ein Großteil der Unternehmen sieht sich jedoch in der Lage, die Energiekosten auf dem Niveau von Anfang September auch dauerhaft zu schultern. Im Vergleich zum FrĂŒhsommer hat sich damit trotz der weiter gestiegenen Energiepreise wenig an der EinschĂ€tzung der Unternehmen geĂ€ndert. So stellen die Energiekosten derzeit weiter fĂŒr rund die HĂ€lfte aller MittelstĂ€ndler (53 %; Mai 2022: 51 %) eine Mehrbelastung dar, die sie nach eigener EinschĂ€tzung aber abfedern können – auch langfristig. Bei rund 13 % (Mai 2022: 16 %) aller MittelstĂ€ndler fallen die Energiekosten kaum ins Gewicht, die Frage nach der Tragbarkeit stellt sich fĂŒr diese Unternehmen bislang nicht. Ebenfalls rund 13 % (Mai 2022: 14 %) aller MittelstĂ€ndler erleben in den aktuell hohen Energiekosten dagegen eine erhebliche Mehrbelastung, die – sollte sie dauerhaft auf dem Niveau von September 2022 bleiben oder weiter zunehmen – das Unternehmen finanziell ĂŒberfordern wĂŒrde. Dass das Thema Energiekosten und auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einer hohen Unsicherheit unterliegen, zeigt sich in einem Anteil von 21 % der Unternehmen, die derzeit nicht abschĂ€tzen können, ob die gestiegenen Energiekosten langfristig tragbar sein werden.

Ein wesentlicher Grund dafĂŒr, dass die gestiegenen Energiekosten von der Mehrheit der mittelstĂ€ndischen Unternehmen als tragbar betrachtet werden, liegt darin, dass Energiekosten bislang fĂŒr die Breite der mittelstĂ€ndischen Unternehmen in Deutschland nicht so stark ins Gewicht fielen. Vor Beginn des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise machten sie bei mehr als drei Viertel der 3,8 Millionen MittelstĂ€ndler weniger als 10 % der Gesamtkosten aus, bei jedem zweiten Unternehmen sogar weniger als 5 %. Dies zeigen aktuelle Vorabergebnisse aus dem neuen KfW-Mittelstandspanel, das Ende Oktober 2022 veröffentlicht wird. Der Anteil der fĂŒr Energie anfallenden Kosten ist demnach seit 2017 gestiegen: Vor fĂŒnf Jahren hatten noch neun von zehn MittelstĂ€ndlern Energiekostenanteile von unter 10 %. Damit liegen die Energiekostenanteile 2021 höher als 2017, aber auf einem zum Jahr 2013 vergleichbaren Niveau. Auch in der Summe sind die Energiekosten zuletzt gestiegen: Im Jahr 2017 hatte die HĂ€lfte aller Unternehmen jĂ€hrliche Energiekosten von maximal 4.000 EUR. Im Jahr 2021 lag dieser Wert bei 9.000 EUR.

Die aktuelle Diskussion bezĂŒglich der Energiekosten dreht sich stark um die Entwicklung der Gaspreise. Um die GasabhĂ€ngigkeit des deutschen Mittelstands besser einschĂ€tzen zu können, hat KfW Research in der Sonderbefragung im September nachgefragt, wo genau bei kleinen und mittleren Unternehmen Gas zum Einsatz kommt. In der Gesamtsicht spielt Gas fĂŒr die mittelstĂ€ndische Wirtschaft demnach vor allem bei der Beheizung von BetriebsgebĂ€uden und BĂŒros eine wichtige Rolle: Die HĂ€lfte der Unternehmen (49 %) gibt hier eine sehr starke oder starke AbhĂ€ngigkeit an. DarĂŒber hinaus kommt Gas vergleichsweise hĂ€ufig als Kraftstoff zum Betrieb von

(Nutz-)Fahrzeugen zum Einsatz: 15 % aller mittelstĂ€ndischen Unternehmen sehen hier eine hohe AbhĂ€ngigkeit. Von geringer Relevanz in der Gesamtheit des Mittelstands (2 %) ist Gas als EnergietrĂ€ger zur Erzeugung von ProzesswĂ€rme, die zum Beispiel fĂŒr technische Prozesse wie Trocknen, Schmelzen oder Dampferzeugung notwendig ist. Das Verarbeitende Gewerbe nimmt hier jedoch eine Sonderrolle ein: 13 % der Firmen dieses Wirtschaftsbereichs hĂ€ngen bei der Erzeugung von ProzesswĂ€rme sehr stark oder stark vom Gas ab.

Der alleinige Blick auf aggregierte Entwicklungen des gesamten Mittelstands greift daher in der aktuellen Debatte um die Betroffenheit von Energiekostenerhöhungen und Tragbarkeit der aktuellen Energiepreise zu kurz. Das Gesamtlagebild fĂŒr den Mittelstand wird strukturell von Dienstleistungsunternehmen bestimmt, die 2,92 Millionen der insgesamt 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland stellen. Das Verarbeitende Gewerbe hat nur einen Anteil von 5,8 % an der Zahl aller Unternehmen, vereint jedoch einen deutlich ĂŒberproportionalen Anteil aller ErwerbstĂ€tigen, UmsĂ€tze und Investitionen des Mittelstands auf sich und verdient damit besondere Aufmerksamkeit. Dort sind naturgemĂ€ĂŸ auch die rund 29.000 Unternehmen mit energieintensiver Produktion verortet, wie etwa das Papiergewerbe oder die Metallerzeugung und -verarbeitung. Diese Unternehmen sind gegenwĂ€rtig besonders belastet. Die Auswirkungen, sollten eine Vielzahl gerade dieser Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, wĂ€ren entsprechend enorm.

„Noch zeigt der Großteil der mittelstĂ€ndischen Unternehmen breite Schultern. Die in der Breite bislang eher geringen Energiekostenanteile und die hohe AnpassungsfĂ€higkeit mildern die Folgen stark steigender Energiepreise fĂŒr den Mittelstand ab. Viele Unternehmen können die eigene Belastung auch dadurch mindern, dass sie einen Teil der Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben,“ sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib (Foto), Chefvolkswirtin der KfW. „Dieses Ergebnis darf jedoch nicht darĂŒber hinwegtĂ€uschen, dass die Preiserhöhungen auf den EnergiemĂ€rkten bis Anfang September 2022 noch nicht im vollen Umfang auf die Unternehmen durchgeschlagen haben. Die große Preiswelle dĂŒrfte mit dem Auslaufen langfristiger EnergieversorgungsvertrĂ€ge und Preisbindungen in den kommenden Monaten erst noch anrollen“.

Gleichzeitig gebe es auch heute schon einen nennenswerten Anteil von MittelstĂ€ndlern, der sich durch dauerhaft hohe Energiekosten finanziell ĂŒberfordert sieht. Sei deren GeschĂ€ftsmodell nicht mehr tragbar, könne sich dies auch auf nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette auswirken. „Eine Entlastung der von den hohen Energiepreisen besonders betroffenen Unternehmen ist notwendig, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Das dritte Entlastungspaket wirkt in die Richtung. DarĂŒber hinaus braucht es verstĂ€rkte Anreize fĂŒr Investitionen in Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren. Ohne verstĂ€rkte Investitionen zur Erschließung alternativer Energien und zur Senkung des Energieverbrauchs bleibt die AbhĂ€ngigkeit von Lieferanten fossiler Brennstoffe hoch – und eine Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft ein kaum zu erreichendes Ziel,“ so Köhler-Geib.

Text/Foto: KfW