Emotionales Essen: Wenn die Psyche Hunger hat

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(ams). Wir essen nicht nur, wenn wir Hunger haben, sondern manchmal auch, wenn wir uns mental unwohl fühlen. Auf Dauer kann dieses emotionale Essen krank und dick machen. Wie können wir lernen, mit negativen Gefühlen umzugehen, statt sie mit dem Griff in den Kühlschrank zu verdrängen? Und wann wird emotionales Essen krankhaft? Das erklärt Dr. Sylvia Böhme, Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK.

Stress, Angst, Einsamkeit, Langeweile, Frust oder einfach nicht gut drauf: Viele Menschen neigen in schwierigen Situationen dazu, sich mit Schokolade, Pommes, Kuchen, Chips oder anderen Snacks zu trösten. „Von emotionalem Essen spricht man, wenn Menschen versuchen, ihre Gefühle durch Essen zu beeinflussen, sich zum Beispiel regelmäßig mit Essen beruhigen oder die Stimmung heben zu wollen, ohne wirklich Hunger zu haben. Der Griff zur Schokolade bei Frust oder Stress, der Kuchen oder die Chips, um sich zu trösten – dieses Verhalten wirkt jedoch nur kurzfristig, die eigentlichen Gefühle werden dabei nicht bearbeitet“, erklärt Psychologin Dr. Böhme.

Folgen für die Gesundheit

Doch diese Wirkung hält nicht lange an. Das schlechte Gewissen meldet sich, bis hin zu Schuldgefühlen. Zumal das ursprüngliche Problem nicht bearbeitet ist, wie etwa der Ärger über eine geplatzte Verabredung, die Trauer um einen geliebten Menschen, die Enttäuschung nach einer Trennung, die Angst und Wut bei Konflikten. In der Folge nehmen die Menschen eventuell an Gewicht zu und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Psychologin Dr. Böhme merkt an: „Emotionales Essen ist zwar an sich keine Krankheit, doch die psychische und körperliche Gesundheit kann darunter leiden.“

Biologisch oder erlernt?

Doch warum bekämpfen manche Menschen den Stress mit Essen, andere wiederum bekommen bei Aufregung gar nichts runter? Ist emotionales Essen biologisch bedingt oder ein im Laufe des Lebens erworbenes Verhaltensmuster? Oft ist das ein erlerntes Verhalten. Manche Eltern beruhigen oder trösten ihre Kinder mit Essen. Und auch das Essverhalten der Eltern hat eine Vorbildfunktion. „Außerdem wird uns natürlich auch in der Werbung und in den Medien beigebracht, dass Essen und Stimmung im Zusammenhang stehen“, so Böhme. Dazu können biologische Faktoren kommen, denn das Belohnungssystem mancher Menschen ist besonders empfänglich für die Reize von Lebensmitteln.

Achtsam spüren

Wer bei Stress oder Frust isst, sollte lernen, sich von dem gewohnten Muster zur Stressbewältigung zu lösen. „Zunächst ist es wichtig, sich diese Automatismen erst einmal bewusst zu machen“, sagt Dr. Böhme. Achtsamkeit im Alltag kann dabei helfen, den Auslösern auf die Spur zu kommen und auch die negativen Gefühle zu spüren, überhaupt benennen zu können und zuzulassen. Das haben viele Menschen nie wirklich gelernt und drängen ihre Emotionen eher beiseite und überlagern sie – zum Beispiel mit Essen. Ein Achtsamkeitstraining kann dabei helfen, mit Stress oder anderen psychischen Belastungen umzugehen und damit echten Hunger von emotionalem Essen unterscheiden zu lernen. AOK-Expertin Böhme: „Was wenig hilft, ist eine Diät, nach dem Motto: Ich muss nur mehr Disziplin an den Tag legen! Das führt an dem eigentlichen Problem vorbei. Denn das übermäßige Essen ist nur das Symptom. Ursachen sind nicht angemessen verarbeitete unangenehme Gefühle, und die verarbeiten sich mit einer Diät auch nicht besser.“

Text/Foto: AOK