Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts fĂĽr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) liegt im August – gegenĂĽber Juli unverändert – bei 90,3 Punkten. Damit verharrt der Barometerwert nun seit Mai deutlich unter der neutralen 100-Punkte-Marke, die ein durchschnittliches Wachstum anzeigt. „Noch ist fĂĽr die deutsche Wirtschaft kein deutlicher Aufschwung in Sicht“, sagt Timm Bönke, Co-Leiter des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik im DIW Berlin.
„Die Wirtschaft hat nach der Winterrezession im zweiten Quartal stagniert und dĂĽrfte auch in der zweiten Jahreshälfte nur verhalten zulegen“, so Bönke. Geraldine Dany-Knedlik, Co-Leiterin des Prognosebereichs im DIW Berlin, ergänzt: „Die Konjunkturschwäche zieht sich aktuell durch alle Bereiche. Die Exportwirtschaft leidet vor allem unter der schwächelnden Weltkonjunktur, während der private Konsum aktuell durch die hierzulande nur allmählich nachlassende Inflation und eine abwartende Haltung der Haushalte gebremst wird.“
Sorgen bereitet in erster Linie die deutsche Industrie. Die gedämpfte Nachfrage aus dem In- und Ausland und die höheren Zinsen belasten die Stimmung und die Geschäftserwartungen merklich. Die Industrieproduktion ist auf ihren langfristig fallenden Trend zurückgekehrt, sank zuletzt zwei Mal in Folge und wird sich laut Unternehmenseinschätzungen auch im August nicht erholt haben. Immerhin hilft der nach wie vor hohe Auftragsbestand vieler Unternehmen – dieser kann angesichts schwindender Materialprobleme vermehrt abgebaut werden.
Aufgrund fehlender Neuaufträge schrumpft jedoch auch das Auftragspolster zunehmend. Da die Industriekonjunktur weltweit schwächelt, ist keine baldige Erholung zu erwarten. „Die Unternehmen dĂĽrften sich mit Investitionen wohl noch eine ganze Weile zurĂĽckhalten,“ sagt Laura Pagenhardt, DIW-Konjunkturexpertin. Nur kleine Bereiche der Industrie profitieren aktuell von verstärkten Investitionen der öffentlichen Hand. Ein besonderes Sorgenkind ist dabei die Bauwirtschaft. „Die hohen Zinsen schlagen sich immer deutlicher in einem Mangel an Aufträgen und Baugenehmigungen nieder“, so Pagenhardt. „Dieses Problem wird ohne neue Anreize wohl bis zu einer eventuellen Zinswende bestehen bleiben.“
Bei den Dienstleistungen ist die Lage zwar noch etwas besser, trübt sich aber allmählich ein. Die Umsätze im Einzelhandel waren zuletzt rückläufig. Das Konsumklima hat sich im August zwar etwas verbessert, ist aber im historischen Vergleich immer noch auf einem Tiefstand. Auch am Arbeitsmarkt zeichnet sich eine langsame Abkühlung ab. So planen etwa die Unternehmen weniger Neueinstellungen. Angesichts des immer noch weit verbreiteten Fachkräftemangels ist aber kein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten. Dies stützt die Kauflaune der Haushalte.
Auch der allmähliche RĂĽckgang der Inflation und erstmals seit drei Jahren steigende Realverdienste dĂĽrften dem privaten Konsum und der deutschen Konjunktur im Herbst wieder etwas Schub verleihen. „Der Aufschwung fĂĽr die deutsche Wirtschaft lässt vorerst weiterhin auf sich warten und wird wohl nur zaghaft einsetzen“, so DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi. „Gerade in der momentan gebeutelten Industrie besitzt die deutsche Wirtschaft aber weiterhin viele Stärken, die bei einer robusteren Erholung der Weltwirtschaft wieder stärker zum Tragen kommen werden.“
Das nächste DIW-Konjunkturbarometer erscheint am Mittwoch, den 27. September 2023.
Text/Foto: DIW Berlin