Außenministerin Baerbock zum Jahrestag der Einnahme Kabuls durch die Taliban

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Zum Jahrestag der Einnahme Kabuls durch die Taliban erklĂ€rte Außenministerin Annalena Baerbock heute (14.08.):

“ Ein Jahr ist vergangen, doch wir alle haben noch die Bilder im Kopf als sich verzweifelte Menschen an Flugzeuge klammerten und Kabul ins Chaos stĂŒrzte. Seither hat sich die Herrschaft der Taliban wie ein dunkler Schleier ĂŒber Afghanistan gelegt. Heute haben viele Afghaninnen und Afghanen nicht genug zu essen, leben in tĂ€glicher Furcht vor Verfolgung und werden in ihren Grundrechten beschnitten.

FĂŒr Frauen und MĂ€dchen bedeutet dies ein Leben wie im GefĂ€ngnis. Die Vorstellung, dass MĂ€dchen im 21. Jahrhundert keinen uneingeschrĂ€nkten Zugang zu Bildung erhalten und sich Frauen ohne mĂ€nnliche Verwandte nicht frei bewegen können, ist kaum zu ertragen, aber in Afghanistan fĂŒr viele bittere RealitĂ€t.

Der 20-jĂ€hrige Einsatz in Afghanistan sollte Afghaninnen und Afghanen die Chance auf ein Leben in Freiheit ermöglichen. UnzĂ€hlige Deutsche haben sich ĂŒber die Jahre dort unter großem persönlichen Risiko engagiert, 59 Bundeswehrsoldaten haben dafĂŒr mit ihrem Leben bezahlt, ebenso wie mehrere deutsche Polizisten und Mitarbeitende der Entwicklungszusammenarbeit. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass dieses Engagement nicht umsonst war.

Auch deswegen hat die internationale Gemeinschaft eine Verantwortung fĂŒr die afghanische Zivilgesellschaft und all diejenigen, die fĂŒr Menschenrechte und demokratische Werte in Afghanistan einstehen. Sie sind die HoffnungstrĂ€ger fĂŒr eine friedlichere Zukunft. Wir werden diese Menschen nicht im Stich lassen.

Trotz vieler HĂŒrden konnten bereits ĂŒber 70% der SchutzbedĂŒrftigen mit Aufnahmezusage evakuiert werden. Ohne die tatkrĂ€ftige UnterstĂŒtzung der Zivilgesellschaft wĂ€re dies undenkbar gewesen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, weiteren Menschen die Ausreise zu ermöglichen. In KĂŒrze werden Innenministerin Nancy Faeser und ich dazu das Bundesaufnahmeprogramm vorstellen, das sich auf die am meisten gefĂ€hrdeten Menschen konzentriert, vor allem Frauen und MĂ€dchen.

Aber es geht nicht nur darum, Menschen aus Afghanistan herauszubringen. Auch diejenigen, die bleiben, brauchen dringend Hilfe. Deswegen hat Deutschland seine humanitĂ€re Hilfe fĂŒr die Menschen in Afghanistan erneut aufgestockt.

Um aus Fehlern der Vergangenheit fĂŒr die Zukunft zu lernen, bleibt eine lĂŒckenlose Aufarbeitung unerlĂ€sslich. Ich bin froh, dass der Bundestag einen Untersuchungsausschuss und eine Enquete-Kommission eingesetzt hat. Zugleich möchte ich all denjenigen danken, die bei der Evakuierung von deutschen StaatsbĂŒrgern und OrtskrĂ€ften im vergangenen August mit Herzblut im Einsatz waren.

Ein Regime, das Menschenrechte mit FĂŒĂŸen tritt, werden wir unter keinen UmstĂ€nden anerkennen. Aber die Menschen in Afghanistan dĂŒrfen wir nicht vergessen, auch nicht ein Jahr nach MachtĂŒbernahme der Taliban.

Foto © gruene.de