Zahl der Fälle von Speiseröhrenkrebs nehmen weltweit zu
Magdeburg. Mal ist es ein Brennen im Hals, mal ein Völlegefühl oder beißender Schmerz beim Schlucken: Gut jeder fünfte Mensch in Deutschland leidet unter Sodbrennen. Wobei man sagen muss, dass dieses Sodbrennen nur ein Symptom ist, also durch eine Erkrankung ausgelöst wird. „Zwischen Speiseröhre und Magen gibt es normalerweise einen Schließmuskel, der sich öffnet, wenn Nahrung in den Magen gelangt, und wieder fest verschließt, wenn dieser Vorgang beendet ist. Dieser Prozess funktioniert bei Menschen mit Sodbrennen nur eingeschränkt. Es kommt zu einem Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, einem gastro-ösophagealen Reflux“, erklärt Prof. Dr. Ines Gockel (Foto), eine von Deutschlands führenden Spezialistinnen für u.a. Erkrankungen der Speiseröhre (Ösophagus).
Weltweit, so Prof. Gockel, nehme die Zahl der Erkrankungen zu. „Das liegt überwiegend an unseren Lebensgewohnheiten: Übergewicht, wenig Bewegung, dazu ungesunde Ernährung, also Fast Food, wenig Obst und Gemüse. Alles das kann einen gastro-ösophagealen Reflux begünstigen“, sagt die Expertin. Das Problem: Während die Säure die Innenwand des Magens wenig schädigt, ist die Speiseröhrenschleimhaut weitgehend ungeschützt. So kann es dauerhaft zu Zellveränderungen an der Innenschicht der Speiseröhre kommen, die in Krebs im unteren Bereich der Speiseröhre (sog. Barrett-Karzinom) münden können.
Nicht selten muss dann Prof. Gockel große Teile der Speiseröhre (oder sie sogar komplett) entfernen. Das ist jedoch möglich, weil sie dann den Magen zu einem Schlauch umwandelt, in das alte Bett der Speiseröhre verlagert und mit dem Rest der Röhre verbindet. „Wir haben leider noch keine Prothese als Ersatz für die Speiseröhre in klinischer Anwendung, wenngleich eine solche bereits in unserem Labor entwickelt wurde. Der Schlauchmagen ist jedoch sehr mobil und kann theoretisch sogar bis zum Hals hochgezogen werden“, erklärt die Medizinerin.
Sollte der Magen aus verschiedensten Gründen nicht für einen solchen Hochzug geeignet sein, gibt es noch eine Alternative. Dazu kann ein Stück Dickdarm entnommen werden, das dann als Ersatz der Speiseröhre im Brustbereich implantiert wird. Dieser Bereich der Chirurgie ist sehr komplex und anspruchsvoll, da er einen 2-Höhlen- (Bauch und Brustkorb) bzw. 3-Höhlen-Eingriff (Bauch, Brustkorb und Hals) umfasst. Spezielle Methoden der Bildgebung können dabei angewendet werden, um den Operateurinnen und Operateuren die optimale Durchblutung des Schlauchmagens anzuzeigen und so die Heilung zu verbessern. Zudem ist diese Behandlung immer auch eingebettet in ein multimodales Konzept, das heißt in eine Chemo- oder Strahlentherapie vor der OP zur Verkleinerung des Tumors und einer adjuvanten, also ergänzenden Therapie nach der OP.
Prof. Gockel nutzt für die OP in der Regel den DaVinci-Roboter als Assistenz-System. „Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Menschen, die bei Speiseröhren-Krebs mit dem DaVinci-Assistenzsystem operiert werden, schneller wieder fit sind, weil die Wunden kleiner und das chirurgische Trauma geringer sind“, sagt Prof. Gockel.
Das Durchschnittsalter der Erkrankten beträgt laut Deutscher Krebsgesellschaft bei Männern 67 Jahre und bei Frauen 71 Jahre. Krebserkrankungen der Speiseröhre werden oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Die Heilungsaussichten sind dann ungünstig. Nach Angaben des Robert-Koch Instituts verstarben 2016 in Deutschland im Schnitt pro Tag fast 16 Menschen an Speiseröhrenkrebs (umgerechnet: 4.434 Männer und 1.245 Frauen).
Text/Foto: Klinikum Magdeburg