RKI: Entwicklung der psychischen Gesundheit wÀhrend der COVID-19-Pandemie

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Das Robert Koch-Institut untersucht im Verlauf der COVID-19-Pandemie die Entwicklung verschiedener Merkmale psychischer Gesundheit bei Erwachsenen in Deutschland. Nun haben RKI-Forschende dazu neue Ergebnisse veröffentlicht. „Als nationales Public-Health-Institut erhebt das RKI vielfĂ€ltige Daten, mit denen die Gesundheit der Bevölkerung umfassend eingeschĂ€tzt werden kann“, sagt Lothar H. Wieler (Foto), PrĂ€sident des RKI. Die Auswirkungen der Pandemie spielen dabei eine wichtige Rolle. „Durch die RKI-Daten lassen sich Trends frĂŒhzeitig erkennen und Handlungsbedarf fĂŒr Forschung, Praxis und Politik identifizieren“, unterstreicht Wieler.

Berichtet werden Ergebnisse zu drei Indikatoren: depressive Symptome, Angstsymptome und subjektive psychische Gesundheit. Depressive Symptome (Interessenverlust und Niedergeschlagenheit) gingen in der Zeit der ersten COVID-19-Welle und im Sommer 2020 gegenĂŒber demselben Zeitraum in 2019 zunĂ€chst zurĂŒck, von Herbst 2020 bis FrĂŒhjahr 2021 und von Ende 2021 bis FrĂŒhjahr 2022 nahmen sie deutlich zu. Eine auffĂ€llige Symptombelastung ĂŒber dem Schwellenwert lag im Zeitraum MĂ€rz-September 2019 bei 11 % der Bevölkerung vor. In den ersten Pandemiemonaten – zwischen MĂ€rz und September 2020 – sank er auf etwa 9 %. Der Anteil stieg auf 13 % im gleichen Zeitraum 2021 und auf 17 % im Zeitraum MĂ€rz bis Juni 2022. Auf eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit weisen auch Ergebnisse zu Angstsymptomen (Ängstlichkeit und unkontrollierbare Sorgen) und subjektiver psychischer Gesundheit hin. Im Zeitraum MĂ€rz-Sept. 2021 gaben 7 % der Bevölkerung eine auffĂ€llige Belastung durch Angstsymptome an, im Zeitraum MĂ€rz-Juni 2022 waren es 11 %. Zeitgleich sank der Anteil derjenigen, die ihre allgemeine psychische Gesundheit als „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“ einschĂ€tzen, von 44 % auf 40 %. Diese Entwicklungen zeigen den Bedarf nach weiterer Beobachtung, auch um eine mögliche ReversibilitĂ€t der Trends einschĂ€tzen zu können.

Die Ergebnisse wurden in einem Preprint auf dem Dokumentenserver medrxiv veröffentlicht (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.10.09.22280826v1), sind also noch nicht von unabhĂ€ngigen Gutachtern bewertet. Die Daten stammen aus Telefoninterviews mit monatlich ca. 1.000 Erwachsenen (2019-2021), aktuell mit monatlich ca. 3.000 Erwachsenen (2022). Die Interviews wurden im Rahmen der GEDA-Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ und der COVIMO-Studie durchgefĂŒhrt. Neben einer Frage zur selbsteingeschĂ€tzten psychischen Gesundheit wurden Screening-Fragen eingesetzt, die ggf. auf einen AbklĂ€rungsbedarf psychischer Symptome hinweisen können. Es ist nicht möglich, damit die HĂ€ufigkeit psychischer Störungen zu bestimmen, da die Messinstrumente keine Diagnosestellung erlauben.

In der Studie werden diese Ergebnisse in den zeitlichen Kontext der Phasen der COVID-19-Pandemie gesetzt. Im Beobachtungszeitraum (April 2019 bis Juni 2022) ist mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein weiterer akuter Stressor auf Bevölkerungsebene hinzugekommen. Außerdem tragen möglicherweise komplexe Effekte weiterer kollektiver Krisen wie der Klimakrise sowie saisonale Schwankungen und langjĂ€hrige Trends zu den Entwicklungen bei. Ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Stressoren und der Entwicklung der psychischen Gesundheit auch ursĂ€chlich zu verstehen ist, kann anhand der Studie nicht bewertet werden. Ziel der Analysen war es, VerĂ€nderungen im Sinne eines FrĂŒhwarnsystems ĂŒber eine visuelle Darstellung zeitlicher Trends möglichst sensitiv zu entdecken. Diese Hinweise auf eine sich verschlechternde psychische Gesundheit konnten auch statistisch nachgewiesen werden.

Foto: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Lothar H. Wieler (c) BrauerPhotos / J.Reetz