Gutachten zur Optimierung der notÀrztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt vorgestellt

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Magdeburg. Die RUN Rettungswesen und Notfallmedizin GmbH wurde von den Krankenkassen als KostentrÀger des Rettungsdienstes beauftragt, ein Gutachten zur Optimierung der Notarztstandorte unter Einbeziehung der Luftrettung in Sachsen-Anhalt zu erstellen. Innenministerin Dr. Tamara Zieschang und Ralf Dralle, Vorstand der AOK Sachsen-Anhalt, haben die Ergebnisse des Gutachtens zur notÀrztlichen Versorgung heute vorgestellt:

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (Foto): „Die Menschen erwarten, dass ihnen im Falle eines medizinischen Notfalls schnell, zuverlĂ€ssig und auf höchstem Niveau Hilfe geleistet wird. Das muss in der Stadt genauso gelten wie auf dem Land. Damit das auch in Zukunft so bleibt, zeigt das Gutachten auf, wie die notĂ€rztliche Versorgung verbessert werden kann. Es ist ein Wegweiser fĂŒr die kommenden Jahre. Alle Handlungsempfehlungen des Gutachtens werden intensiv mit allen Akteuren im Rettungsdienst im Detail und sorgfĂ€ltig ausgewertet. FĂŒr deren Umsetzung werden wir tragfĂ€hige Lösungen entwickeln. Unser Ziel bleibt im Interesse der Menschen unseres Landes eine zukunftssichere, flĂ€chendeckende und qualitativ hochwertige Notfallversorgung – sowohl am Boden als auch in der Luft.“

Vorstand der AOK Sachsen-Anhalt, Ralf Dralle: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, den Rettungsdienst zu modernisieren und schrittweise zu einem Vorzeigemodell zu entwickeln. Die gesetzlichen Krankenkassen fordern, die Empfehlungen des Experten-Gutachtens konsequent umzusetzen. DafĂŒr sind eine kluge Standortplanung, mehr Digitalisierung und der gezielte Einsatz von NotĂ€rzten und Rettungsmitteln entscheidend, wie auch die EinfĂŒhrung des Telenotarztes, die Vernetzung von 112 und 116 117 sowie die flĂ€chendeckende IVENA-Nutzung. Potenziale in der Rettungskette mĂŒssen gehoben werden. Sie sind entscheidend fĂŒr das Einhalten der Hilfsfrist, denn wenige Minuten können ĂŒber Menschenleben entscheiden. Wissenschaftlich fundierte Standards fĂŒr AblĂ€ufe und Behandlungen mĂŒssen landesweit gelten – fĂŒr mehr QualitĂ€t und Transparenz.

Eckpunkte zur aktuellen Situation der notÀrztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt:

Sachsen-Anhalt hat elf Landkreise und drei kreisfreie StĂ€dte und damit 14 Rettungsdienstbereiche. Die Notarzteinsatzrate in den einzelnen Rettungsdienstbereichen zeigt erhebliche Unterschiede: Sie liegt zwischen 26,7 und 57,7 EinsĂ€tzen je 1.000 Einwohner im Jahr. DarĂŒber hinaus liegt sie mit durchschnittlich 42,2 EinsĂ€tzen je 1.000 Einwohner im Jahr deutlich höher als im Bundesvergleich (26,4).

Um die Lage der Rettungswachen im Land festlegen zu können, sind die Hilfsfristen eine Planungsvorgabe fĂŒr die TrĂ€ger des Rettungsdienstes. Die Hilfsfrist bezeichnet den Zeitraum vom Meldungseingang eines Notfalls bis zum Eintreffen des Einsatzmittels am Einsatzort. Sie liegt fĂŒr NotĂ€rzte bei 20 Minuten und soll unter gewöhnlichen Bedingungen in 95 Prozent aller NotfĂ€lle eingehalten werden. Dieser Zielerreichungsgrad wird bislang nur in der Landeshauptstadt Magdeburg erreicht. Durchschnittlich liegt der Zielerreichungsgrad der notĂ€rztlichen Hilfsfristen in Sachsen-Anhalt bei 88,3 Prozent.

Sachsen-Anhalt verfĂŒgt fĂŒr die Luftrettung derzeit ĂŒber drei Hubschrauber an zwei Standorten. Zwei sind in Halle-Oppin (Landsberg Ortsteil Oppin) und einer in Magdeburg stationiert. Deren Einsatzgebiete decken zusammen mit weiteren aus den NachbarlĂ€ndern einfliegenden Hubschraubern das Landesgebiet nahezu vollstĂ€ndig ab. Je ein Hubschrauber in Magdeburg und Halle-Oppin sind im Tagesdienst eingesetzt; der Intensivhubschrauber in Halle-Oppin steht im 24/7-Betrieb zur VerfĂŒgung.

Handlungsempfehlungen des Gutachters:

Der Gutachter empfiehlt die EinfĂŒhrung eines Telenotarztsystems. Nach der erfolgreichen Erprobung seit Oktober 2024 im Landkreis Mansfeld-SĂŒdharz, im Saalekreis und der Stadt Halle (Saale) soll der Telenotarzt dauerhaft im Rettungsdienstgesetz fĂŒr das gesamte Land verankert werden. Die Erfahrungen zeigen deutlich, dass der Telenotarzt zu einer StĂ€rkung des Rettungsdienstes fĂŒhrt, da die VersorgungsqualitĂ€t erhöht wird und die personellen Ressourcen im Rettungsdienst besser und effizienter genutzt werden können.

Laut dem Gutachten sollen die Standardarbeitsanweisungen (SAA) und Behandlungspfade im Rettungsdienst (BPR) flĂ€chendeckend angewendet werden. SAA und BPR sind standardisierte Handlungsanweisungen fĂŒr NotfallsanitĂ€ter, die ein einheitliches Vorgehen in verschiedenen Notfallsituationen sicherstellen sollen. Die flĂ€chendeckende Anwendung ist ebenfalls in der in Vorbereitung befindlichen Novelle des Rettungsdienstgesetzes bereits vorgesehen. Konkret sollen die Ärztlichen Leiter verpflichtet werden, heilkundliche Maßnahmen auf NotfallsanitĂ€ter zu delegieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die mit anderen BundeslĂ€ndern abgestimmte SAA und BPR landesweit einheitlich angewendet werden.

Eine weitere Handlungsempfehlung des Gutachters ist die Entwicklung einer konsequenten bereichs- und bundeslandĂŒbergreifenden Zusammenarbeit. Um die Dispositionszeiten (Zeitraum vom Meldungseingang bis zur Alarmierung) zu verkĂŒrzen und dadurch die Einsatzsteuerung weiter zu verbessern, sollen insbesondere die Leitstellen enger kooperieren. In der Novelle des Rettungsdienstgesetzes ist bereits eine Abstimmungspflicht fĂŒr die Planung der Notarztstandorte vorgesehen. Die TrĂ€ger des Rettungsdienstes sollen verpflichtet werden, sich mit den ihnen angrenzenden Landkreisen und kreisfreien StĂ€dten bei der Planung der Notarztstandorte abzustimmen.

Weitere Informationen zur Novelle des Rettungsdienstgesetzes: lsaurl.de/RettDG.

In Bezug auf die Luftrettung in Sachsen-Anhalt stellt der Gutachter fest, dass die Bereiche, die mit Notarzteinsatzfahrzeugen nicht innerhalb der Hilfsfrist zu erreichen sind, primĂ€r der Luftrettung zuzuordnen sind. Daneben wird empfohlen, bei Transportstrecken von mehr als 30 Minuten die Luftrettung zu nutzen, da sie fĂŒr den Patienten einen Zeitvorteil bringt.

Im SĂŒden des Landes besteht aus Sicht des Gutachters fĂŒr die Luftrettung kein Anpassungsbedarf. Im Norden des Landes schlĂ€gt der Gutachter vor, dass der Hubschrauber auf einen 24/7-Betrieb ausgeweitet wird, damit eine zeitgerechte nĂ€chtliche Abdeckung sichergestellt werden kann. FĂŒr eine bessere FlĂ€chenabdeckung sollte der Hubschrauber „Magdeburg“ nordwestlich im Bereich Haldensleben stationiert werden. FĂŒr die Stationierung eines weiteren Hubschraubers noch weiter im Norden von Sachsen-Anhalt sieht der Gutachter keinen Bedarf.

Insgesamt stellt der Gutachter fest, dass die Luftrettung konsequenter in die Disposition von RettungseinsÀtzen eingebunden werden muss.

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Text/Foto: Ministerium fĂŒr Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt am 18. November 2025