Willingmann besichtigt deutschlandweit einmaliges Wasserstoff-Pilotprojekt

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Anlage im Jerichower Land erprobt höhere Wasserstoffanteile im Gasnetz

Die Wasserstoff-Beimischung im Gasnetz im FlĂ€ming geht in die Endphase fĂŒr diese Heizperiode. In den kommenden Wochen sollen im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes des Energieversorgers Avacon und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) bis zu 20 Prozent Wasserstoff in ein bestehendes Teilnetz eingespeist werden. Den Start der letzten Phase des deutschlandweit bislang einmaligen Projekts lĂ€utete am heutigen Mittwoch Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann (Foto) mit seinem Besuch in Schopsdorf ein.

Das im vergangenen Dezember gestartete Gemeinschaftsprojekt von Avacon und dem DVGW soll zeigen, dass es technisch möglich ist, Wasserstoff zu einem deutlich höheren Prozentsatz in ein existierendes Gasnetz einzuspeisen, als es die Technischen Regeln des DVGW vorsehen. Die Ergebnisse des Projektes haben Bedeutung fĂŒr die gesamte Gaswirtschaft und dienen als Vorbild fĂŒr den zukĂŒnftigen Einsatz von Wasserstoff in Gasverteilnetzen. 

„Sachsen-Anhalt wird sich in den kommenden Jahren intensiv am Aufbau der grĂŒnen Wasserstoffwirtschaft beteiligen. Es geht darum, unabhĂ€ngiger von Energieimporten zu werden, das Ziel der KlimaneutralitĂ€t zu erreichen und zugleich die WettbewerbsfĂ€higkeit des Wirtschaftsstandorts sowie ArbeitsplĂ€tze langfristig zu sichern“, erklĂ€rte Willingmann. „Mit der Wasserstoff-Beimischung im Gasnetz im FlĂ€ming können hierfĂŒr wertvolle Praxiserfahrungen gesammelt werden, die dem weiteren Infrastruktur-Ausbau zugutekommen. Gerade die energieintensiven Industrien des Landes werden kĂŒnftig verstĂ€rkt auf klimaneutral produzierten Wasserstoff angewiesen sein. Neben dem Ausbau der Wasserstoffproduktion wird es darum gehen, die Netz- und SpeicherkapazitĂ€ten deutlich zu erhöhen.“

„Der bereits begonnene Transformationspfad der Gaswirtschaft hin zur KlimaneutralitĂ€t wird in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen wichtiger denn je. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung sehen wir großes Potential bei der Umstellung der Gasnetze auf erneuerbare und klimaneutrale Gase, insbesondere in der Nutzung von Wasserstoff“, sagte Frank Schwermer, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Avacon Netz GmbH. „Mit unserem Projekt zeigen wir, dass unsere Netze erneuerbare und klimaneutrale Gase sowohl effizient als auch in relevanten Mengen aufnehmen können. Damit unterstreichen wir den nachhaltigen Wert der Verteilnetze als SchlĂŒssel fĂŒr eine CO2-freie Energieversorgung“, ergĂ€nzte er.

Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender DVGW: „Das Praxisprojekt von DVGW und Avacon ist ein wichtiger Meilenstein intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Der Blick auf Schopsdorf fokussiert in beeindruckender Weise, worauf es in der zukĂŒnftigen Energieversorgung Deutschlands ankommt, nĂ€mlich nicht zu theoretisieren, sondern anzupacken. Heute speisen wir bereits 20 Prozent Wasserstoff in das Gasnetz ein, ein Beispiel, dass sofort auch anderorts umgesetzt werden kann. Mit den neuen Gas-EndgerĂ€ten können es schon bald 100 Prozent sein. Wasserstoff aus Norwegen, Nordafrika oder in Deutschland selbst erzeugt aus Wind- und Sonnenenergie oder durch Umwandlung der zukĂŒnftigen an der KĂŒste anlandenden LNG-Mengen, das ist dann nicht nur der richtige klimapolitische Schritt, sondern auch der Weg zur Erhöhung der deutschen Energie-Resilienz.”

Die Einspeisung von Wasserstoff ist ĂŒber die zwei Heizperioden 2021/22 und 2022/23 in Stufen von 10, 15 und 20 Prozent Wasserstoffbeimischung geplant. In der ersten Stufe, die im Dezember 2021 mit der Inbetriebnahme der Beimischanlage begann, wurden zehn Prozent Wasserstoff ĂŒber etwa vier Wochen dem Erdgas beigemischt. Damit bewegte sich der Anteil noch in der durch das DVGW-Regelwerk gedeckten Beimischungshöhe. Bei rund einem Drittel der GasgerĂ€te werden ĂŒber den gesamten Projektzeitraum Stichprobenmessungen bezĂŒglich der VerbrennungsgĂŒte mit Messungen des tatsĂ€chlichen Wasserstoffgehalts vor Ort durchgefĂŒhrt, um die Einspeisung wissenschaftlich bei allen Einspeisestufen zu begleiten.

Schrittweise wird in Steigerungsstufen von fĂŒnf Prozent die maximale Wasserstoffbeimischung bis 20 Prozent erreicht werden. „Die 15 Prozent Phase haben wir inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Die bisherigen Auswertungen haben gezeigt, dass die GerĂ€te störungsfrei mit einem höheren Anteil von Wasserstoff im Gasnetz arbeiten“, zeigte sich Frank Schwermer ĂŒber den aktuellen Projektstand erfreut. „Damit können wir mit der Beimischung der Zielkonzentration von 20 Prozent Wasserstoff in diesen Tagen beginnen“, sagte er weiter.

Eine weitere 20-Prozent-Einspeisephase folgt in der Heizperiode 2022/23 ĂŒber mehrere Wochen. Neben einer möglichst gleichförmigen Beimischung sind auch volatile Einspeisungen vorgesehen, um die volatilen Erneuerbaren Energien als Wasserstoffquellen nachzubilden und die Effekte von schwankenden Wasserstoff-Gehalten im Bestand zu untersuchen.

FĂŒr das Projekt wurde ein Netzabschnitt im Gasverteilnetz von Avacon im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt ausgewĂ€hlt. Dieser eignet sich vor allem deshalb, weil die dort verbaute Netzinfrastruktur reprĂ€sentativ fĂŒr das gesamte Avacon-Gasverteilnetz ist und die Ergebnisse somit ĂŒbertragbar sind. Bei dem Netzabschnitt handelt es sich um ein Mitteldruck-Verteilnetz mit rund 35 Kilometern LeitungslĂ€nge, von dem etwa 350 Netzkunden mit Erdgas versorgt werden. Mit der entsprechenden Menge an GasgerĂ€ten, die vor allem zur WĂ€rmeversorgung dienen, deckt das ausgewĂ€hlte Netzgebiet eine breite GerĂ€tetechnik ab.

Vor dem Start der Wasserstoff-Beimischung wurden in Zusammenarbeit mit dem Gas- und WĂ€rme-Institut Essen (GWI) und den GasgerĂ€teherstellern alle bei den Kunden verbauten GasgerĂ€te erfasst und sowohl betriebs- und sicherheitstechnisch als auch auf WasserstoffvertrĂ€glichkeit ĂŒberprĂŒft. Insgesamt wurden die bislang erhobenen Gasinstallationen mit den GasgerĂ€ten fast zu 100 Prozent positiv bewertet.

Foto (c) BD-LPSA