„Runter vom Baum, Jura studieren“- Helene Hegemann fordert Aktivisten auf, Probleme legal zu lösen

Veröffentlicht in: NACHRICHTEN | 0

Hamburg (ots) – Die Frage, wie sich Recht zu Gerechtigkeit verhĂ€lt, findet die Schriftstellerin und Regisseurin Helene Hegemann schwierig zu beantworten. Im Interview mit dem Magazin ZEIT VERBRECHEN (ab morgen im Handel) sagt sie: „Ich plĂ€diere generell fĂŒr verantwortungsvolle, gezielte Regelverletzung.“ Sie selbst habe beispielsweise wĂ€hrend der Pandemie abgewogen, „ob es moralisch gerechtfertigt war, gegen die KontaktbeschrĂ€nkungen zu verstoßen.“ Die Autorin des Romans „Axolotl Roadkill“ entschied: „Ich habe es moralisch fĂŒr legitim erachtet, ein Abendessen zu viert zu veranstalten. Ohne das GefĂŒhl zu haben, ich hĂ€tte ein Unrecht begangen.“ Zu Aktivisten, die Gesetze brechen, hat die 30-JĂ€hrige hingegen eine klare Haltung: „Ich halte das in erster Linie fĂŒr PR-Aktionen. Wenn ĂŒberhaupt, besteht das Resultat am Ende darin, dass medial ĂŒber diese GrenzĂŒberschreitung berichtet wird – und man sich dann schnell damit zufriedengibt, dass irgendwo ein paar VerrĂŒckte schon die Ratten aus den Versuchslaboren befreien werden und man sich selbst damit nicht weiter beschĂ€ftigen muss.“ Sie plĂ€diert stattdessen dafĂŒr, die Probleme auf legalem Wege zu lösen und fordert: „Also runter vom Baum, Jura studieren!“

Aktuell inszeniert die Wahlberlinerin den Film „Subotnik“ nach Ferdinand von Schirach, in dem auch das Thema Gewalt gegen Frauen und Machtmissbrauch behandelt wird. Helene Hegemann ist dieser Form des Bösen auch selbst begegnet: „Ein Mann ist mir um vier Uhr morgens durch Berlin-Mitte gefolgt, hat mich unter dem Rock angefasst und ist mir hinterhergerannt, als ich weggelaufen bin. Um diese Zeit war alles dunkel, ein totes Viertel. GlĂŒcklicherweise wurde in einem Bioladen noch gefeiert. Dahin konnte ich mich flĂŒchten.“ Sie weiß, dass sie mit dieser Erfahrung nicht allein ist: „Jede Frau, die ich kenne, auch ich, hat nachts auf der Straße Angst, weil sie schon mal eine kritische Situation erlebt hat.“

Die von der Literaturkritik gefeierte Autorin gesteht sich eigene kriminelle Neigungen ein, sie meint: „Das haben alle KĂŒnstler.“ Bei ihr Ă€ußerten sich diese aber „glĂŒcklicherweise nicht in Straftaten.“ In ihrer Jugend gab es allerdings Zeiten, in denen ihr Vater gedacht habe, „entweder sie wird großkriminell oder sie macht Kunst“. Mit schlechtem Gewissen klaute Helene Hegemann ihrem Vater Zigaretten und auch mal 20 Euro. Nachdem sie einmal beim Klauen von Klamotten bei H&M erwischt wurde, beendete sie jedoch ihren Abstecher in die KleinkriminalitĂ€t: „Ich bin wohl zu feige und zu empathisch fĂŒr grĂ¶ĂŸere DiebstĂ€hle oder BetrĂŒgereien.“

Die aktuelle Ausgabe des Magazins ZEIT VERBRECHEN (Ausgabe 16/2022) ist ab 9. August im Handel und auch hier erhÀltlich.

Cover ZEIT VERBRECHEN 16/2022 (EVT: 09.08.2022) (c) DIE ZEIT / Fotograf: Guillaume Blondiau