Halle (Saale). In Sachsen-Anhalt leben rund 56.000 Menschen mit einer Demenz. Das heißt, dass etwa jede 38. Person betroffen ist – mehr als in jedem anderen Bundesland. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Menschen mit Demenz bis zum Jahr 2060 voraussichtlich verdoppeln. Damit gehört Demenz zu den größten gesundheitlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte.
Vor diesem Hintergrund hat das Land Sachsen-Anhalt heute erstmals eine umfassende Demenzstrategie veröffentlicht, welche am Dienstag durch das Landeskabinett beschlossen wurde. Sie schafft einen verbindlichen Rahmen, um die gesellschaftliche Teilhabe, die Würde und die Selbstbestimmung von Menschen mit Demenz zu stärken und gleichzeitig eine verlässliche medizinische und pflegerische Versorgung sicherzustellen – von der frühen Diagnostik bis zur Langzeitpflege. An der Erarbeitung der Strategie wirkten rund 700 Akteurinnen und Akteure aus allen Landkreisen und kreisfreien Städten mit. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus Gesundheitswesen, Pflege, Sozialverbänden, Wissenschaft und Kommunen beteiligten sich auch Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (Foto) betonte in der Pressekonferenz: „Demenz ist eine Herausforderung, der wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Sie betrifft nicht nur Menschen mit Demenz, sondern auch ihre Familien und Angehörigen. Es ist unsere Verantwortung, ihnen Unterstützung und Hilfen zu bieten, damit sie ein würdevolles und erfülltes Leben führen können. Mit der Demenzstrategie wollen wir die Situation für Menschen mit Demenz und ihre Familien verbessern.“ Die Ministerin hob hervor, dass Demenz mehr sei als eine medizinische Diagnose: „Demenz verändert das Leben der Betroffenen Schritt für Schritt und stellt Angehörige Tag für Tag vor neue Anforderungen. Gerade weil viele Menschen mit Demenz möglichst lange zu Hause leben möchten, braucht es flächendeckende Unterstützungsangebote, die Orientierung spenden, Halt geben und Isolation verhindern.“ Mit der neuen Strategie will das Land Unterstützungs- und Alltagsbegleitungsangebote ausbauen. Ziel ist es, Menschen mit Demenz im eigenen Umfeld bestmöglich zu unterstützen und pflegende Angehörige spürbar zu entlasten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der wohnortnahen, leicht zugänglichen Beratung. Alle Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sollen künftig individuelle, demenzspezifische Beratungs- und Schulungsangebote erhalten können – unabhängig davon, wo sie im Land leben. Damit auch das gesellschaftliche Umfeld kompetent agiert, sollen unter anderem Mitarbeitende in Betrieben und Institutionen sensibilisiert werden, die regelmäßig in Kontakt mit Menschen mit Demenz stehen.
Frau Dr. Anja Bieber, Projektkoordinatorin des Landeskompetenzzentrums Demenz, sagte: „Als Landeskompetenzzentrum Demenz unterstützen wir die Akteure der verschiedenen Bereiche bei der Umsetzung der Demenzstrategie. Dazu gehören Schulungsformate, die Bereitstellung von Informationen, die Koordinierung von Maßnahmen sowie die Förderung der Kommunikation über die gesellschaftlichen Ebenen hinweg. Das Wohl von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen bleibt dabei die Richtschnur aller Aktivitäten.“ Das Landeskompetenzzentrum Demenz wurde im Jahr 2022 initiiert. Es ist unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Gabriele Meyer im Institut für Gesundheits-, Hebammen- und Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt. Das Kompetenzzentrum wird durch das Sozialministerium, die Landesverbände der Pflegekassen Sachsen-Anhalt sowie den Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. gefördert. Es berät Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
„Mit der Demenzstrategie haben wir die richtigen Weichen gestellt. Sachsen-Anhalt benötigt eine verlässliche Basis, damit Kommunen, Pflegekassen und alle anderen Akteure dauerhaft zusammenarbeiten können, um unsere Gesellschaft in allen Lebensbereichen demenzsensibel zu gestalten. Nun gilt es, die Strategie umzusetzen und sie einem nächsten Schritt aus dem Fördermodus herauszuführen, um sie in eine dauerhafte, institutionelle Struktur zu überführen. Nur so können wir sie nachhaltig nutzen, um auch zukünftig regionale Angebote zu entwickeln und eine dringend notwendige demenzfreundliche Infrastruktur zu schaffen“, betonte Corinna Beutel, Leiterin der Pflegekasse bei der AOK Sachsen-Anhalt stellvertretend für die gesetzlichen Pflegekassen im Land.
Zu den vier Handlungsfeldern der Demenzstrategie
Die Strategie beschreibt 40 Ziele, die in vier Handlungsfelder gegliedert sind. Konkrete Maßnahmen werden im nächsten Schritt erarbeitet.
Gesellschaftliche Teilhabe
Ein zentrales Anliegen der Demenzstrategie ist es, gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und demenzfreundliche Lebenswelten zu schaffen. Menschen mit Demenz sollen sich orientieren, begegnen und einbringen können. Dafür sieht die Strategie vor: die Öffentlichkeit sensibilisieren, Sozial- und Wohnräume demenzsensibel zu gestalten, Austausch- und Begegnungsmöglichkeiten auszubauen und Akteure in Kommunen, Vereinen und Einrichtungen zu vernetzen.
Medizinische und pflegerische Versorgung weiterentwickeln
Die Versorgung soll über alle Bereiche hinweg demenzsensibel gestaltet werden – von der Diagnostik über ambulante und stationäre Angebote bis zur palliativen Begleitung. Ziele sind unter anderem: Versorgungslücken zu identifizieren und schrittweise zu schließen, Menschen mit Demenz und Angehörige systematisch in Planungsprozesse einzubeziehen, Zugänge zu medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Angeboten zu verbessern und Qualität sowie Fachkompetenz in allen Versorgungsbereichen zu stärken.
Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Familien
Ein weiterer Schwerpunkt der Demenzstrategie ist die Unterstützung von Angehörigen und die Förderung von Selbsthilfegruppen. Da Angehörige häufig den größten Teil der Unterstützung übernehmen, sieht die Strategie vor: wohnortnahe, niedrigschwellige Beratungsangebote auszubauen, Selbsthilfe und Austauschformate zu stärken, Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige zu verbreitern und präventive Programme für Angehörige und Schulungsangebote zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu fördern.
Forschung zum Thema Demenz
Die Strategie fördert zudem die Forschung zur Demenz, um innovative Lösungen für Prävention, Pflege und Versorgung zu entwickeln. Forschungsprojekte, die die Perspektiven von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen einbeziehen, sollen künftig stärker unterstützt werden. Der Aufbau einer regionalen Forschungsnetzwerkstruktur ist ebenso geplant wie die Förderung eines intensiven Austauschs zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und der Praxis.
Die Demenzstrategie ist abrufbar unter: https://www.demenz-sachsen-anhalt.de/demenzstrategie_sachsen_anhalt.pdf
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Text/Foto: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt am 21. November 2025
