Klima-Update: Kollabiert der Golfstrom durch den Klimawandel? – Neue Studie steht in der Kritik

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Der Golfstrom hat mit seinem warmen Nordatlantikstrom einen großen Einfluss auf unser Klima und gilt als Zentralheizung Europas. Doch der globale Klimawandel wirkt sich auch auf die warme Meeresströmung aus. Eine kürzlich veröffentlichte Studie, die einen Zusammenbruch der sogenannten atlantischen Umwälzzirkulation noch in diesem Jahrhundert erwartet, steht in der Kritik.

Die Ende Juli veröffentlichte Studie dänischer Wissenschaftler (1), die um die Mitte des Jahrhunderts und spätestens bis 2095 mit einem Kollaps der atlantischen Umwälzzirkulation rechnet, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. 

Dr. Levke Caesar, Ozeanforscherin an der Universität Bremen: „Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, zwischen dem Golfstrom und der atlantischen Umwälzzirkulation, auch Golfstromsystem genannt, zu unterscheiden. Der Golfstrom ist eine windgetriebene Strömung, die an der Ostküste der USA entlangfließt, sich bei etwa 40 Grad nördlicher Breite von dieser löst und Richtung Atlantikmitte fließt, ab dort wird dann vom Nordatlantikstrom gesprochen. Das Golfstromsystem beziehungsweise die atlantische Umwälzzirkulation bezeichnet den nordwärts gerichteten Transport von warmen, salzhaltigen Oberflächenströmungen und die südwärts gerichtete Rückströmung in der Tiefe und erstreckt sich über die gesamte Länge des Atlantiks. Golfstrom und Golfstromsystem überschneiden sich zwar, sind aber nicht identisch.“

Dr. Caesar weiter: „Zukunftssimulationen von Klimamodellen zeigen allesamt eine Abschwächung des Golfstromsystems über den Verlauf des 21. Jahrhundert, wobei das Ausmaß der Abschwächung auch von der Menge der zukünftigen Kohlenstoffdioxidemissionen abhängt und bis zum Jahr 2100 bei etwa 30 bis 45 Prozent liegt. Es gibt nur sehr, sehr wenige Modelle, die einen Zusammenbruch des Golfstromsystems vor 2100 simulieren. Deshalb sind wir relativ sicher, dass die Wahrscheinlichkeit dafür gering ist.“

Was wären die Folgen?

Ein Zusammenbruch des Golfstromsystems gilt als einer der Kipppunkte im Klimasystem. Das bedeutet, dass sich dadurch das Klima regional nachhaltig und unumkehrbar ändern würde. Aber bereits eine Abschwächung hätte gewaltige Auswirkungen auf das Klima in Europa. Da das Golfstromsystem allerdings sehr komplex ist, sind auch die Folgen einer Veränderung nicht eindeutig vorherzusehen und noch Gegenstand der Forschung. 

Viele Studien legen nahe, dass sich durch einen schwächeren Nordatlantikstrom die Wetterlagen bei Grönland und auf dem Nordatlantik verändern könnten. Das hätte große Auswirkungen auf unser Klima. Sturmtiefs würden ihre Zugbahn und damit die Verteilung der Niederschläge verändern. Eine mögliche Folge wäre, dass in Mitteleuropa dadurch weniger Regen ankommt. Eine andere Studie (2) geht davon aus, dass ein schwächelnder Nordatlantikstrom Hitzewellen in Europa begünstigen könnte.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Nordatlantikstrom aus?

Ein Temperaturanstieg setzt eine Kette von Reaktionen in Gang, die letztlich zu einer Abschwächung des Nordatlantikstroms führen. Dabei spielt vor allem der Süßwassereintrag in den Nordatlantik eine Rolle. Zum einen geschieht dies durch das Abschmelzen von Eis und Gletschern auf Grönland. Zum anderen nehmen durch generell wärmeres Meerwasser die Niederschläge zu. Das salzhaltige Wasser, welches die sogenannte thermohaline Zirkulation antreibt, wird quasi ‚verdünnt‘ und sinkt aufgrund seiner geringeren Dichte nicht mehr so stark ab. Infolgedessen schwächt sich die Zirkulation ab.

Direkte Messungen der nordatlantischen Zirkulation gibt es allerdings erst seit 2004. Um eine gesicherte Aussage zu klimabedingten Veränderungen zu treffen, ist dieser Zeitraum noch zu kurz (3). 

Hintergrund: Eine gigantische Wärmepumpe 

Der Golfstrom ist eine der größten und schnellsten Meeresströmungen unseres Planeten: Er transportiert warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko entlang der Ostküste der USA und setzt sich mit dem Nordatlantikstrom in Richtung Europa bis in den arktischen Ozean fort.  

Hauptsächlich von den Westwinden auf dem Nordatlantik angetrieben, versorgt dieser mächtige Strom weite Teile Europas mit gigantischen Mengen an Wärmeenergie – mit einer Spitzenleistung von 1,3 Petawatt, also mehr als 1 Billiarde Watt. Das entspricht der Leistung von 1 Million Kraftwerken. Ohne den warmen Nordatlantikstrom wären vor allem die Winter in Europa deutlich kälter und weite Teile der Ostsee würden im Winter zufrieren.

Faktencheck: 

  • Das Golfstromsystem schwächt sich durch den Klimawandel ab.
  • Ein Kollaps ist in diesem Jahrhundert unwahrscheinlich.
  • Eine Abschwächung hat bereits gewaltige Folgen für unser Klima, egal in welche Richtung.

Quellen:

(1) Warning of a forthcoming collapse of the Atlantic meridional overturning circulation:

https://www.nature.com/articles/s41467-023-39810-w

(2) Drivers of exceptionally cold North Atlantic Ocean temperatures and their link to the 2015 European heat wave

https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/7/074004/meta

(3) Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC):

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/faqs/IPCC_AR6_WGI_FAQ_Chapter_09.pdf

Bildunterschrift:  Das Golfstromsystem wird durch den Klimawandel sehr wahrscheinlich abgeschwächt. Das hat Auswirkungen auf das Klima in Europa.

Bildnachweis:  WetterOnline