Geburtenzahl in Sachsen-Anhalt seit 2017 kontinuierlich weiter gesunken

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2021 kamen in Sachsen-Anhalt 16024 Kinder lebend zur Welt, das waren 89 bzw. 0,6 % weniger als im Vorjahr.

Wie das Statistische Landesamt mitteilt, setzte sich damit der GeburtenrĂŒckgang seit 2017 fĂŒr Sachsen-Anhalt weiter fort. Die Anzahl der Lebendgeborenen erreichte einen neuen Tiefstand. Diese Entwicklung verlief gegen den Bundestrend. Hier stieg die Geburtenzahl gegenĂŒber dem Vorjahr um 2,9 %.

Maßgeblich fĂŒr die Anzahl der Geburten ist die Anzahl der Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter sowie deren Wanderungsverhalten und FertilitĂ€t, also ihr Geburtenverhalten. Das Durchschnittsalter bei der Geburt stieg zwischen 2008 und 2021 von 28,5 auf 31,7 Jahre. Durch diese Verlagerung der Geburten im Lebensverlauf sowie die Fortschritte in der Reproduktionsmedizin gilt mittlerweile die Altersspanne 15 bis unter 50 Jahren als gebĂ€rfĂ€higes Alter.

In Sachsen-Anhalt gab es am 31.12.2021 insgesamt 362 172 Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter. Am 31.12.1981 lag die Anzahl der Frauen in dieser Altersspanne noch bei 759 025. Die Anzahl dieser potenziellen MĂŒtter hatte sich in Sachsen-Anhalt in den vergangenen 40 Jahren also mehr als halbiert (-52 %). Die weibliche Bevölkerung insgesamt war im selben Zeitraum lediglich um 32 % zurĂŒckgegangen. In den kommenden Jahren bis 2035 wird sich die Anzahl der Frauen im Alter von 15 bis unter 50 Jahren um weitere 13 % auf rund 316 000 verringern.

Damit gab es in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahrzehnten einen vergleichsweise starken RĂŒckgang potenzieller MĂŒtter. Zum Vergleich: Seit 2011 betrug der RĂŒckgang von Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter deutschlandweit nur 7 %, in Sachsen-Anhalt waren es im selben Zeitraum 19 %.

Eine maßgebliche Ursache fĂŒr diesen starken Verlust an Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter lag in der spezifischen Abwanderung junger Frauen aus Sachsen-Anhalt. Allein im Nachwendejahr 1991 verlor Sachsen-Anhalt rund 14 500 Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter durch Nettoabwanderungen ĂŒber die Landesgrenze. Von 1991 bis 2013 war der Wanderungssaldo der 15- bis unter 50-jĂ€hrigen Frauen durchweg negativ. So verlor Sachsen-Anhalt in diesen Jahren wanderungsbedingt rund 127 000 potenzielle MĂŒtter. Erst seit 2014 war der Wanderungssaldo der Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter wieder positiv. Insgesamt konnten seither wieder rund 14 500 potenzielle MĂŒtter durch Wanderungen hinzugewonnen werden. In Summe hatte die Abwanderung in den Hochphasen der frĂŒhen 1990er und 2000er Jahre jedoch tiefgreifende Auswirkungen auf das Geburtenvolumen in Sachsen-Anhalt, die sich jetzt in den Folgegenerationen bemerkbar machen.

Neben dem Wanderungsverhalten ist das Geburtenverhalten der Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter entscheidend fĂŒr die Anzahl der Geburten. Ein Indikator fĂŒr das Geburtenverhalten ist die Zusammengefasste Geburtenziffer. Sie beschreibt, wie viele Kinder eine Frau in ihrer Lebensphase zwischen dem 15 und 49. Lebensjahr bekommen wĂŒrde, wenn die VerhĂ€ltnisse so blieben, wie im betrachteten Jahr. Mit dem Geburteneinbruch im Zuge der Wende war diese Geburtenziffer bis 1993 auf 0,79 gefallen. Bis 2016 stieg sie wieder bis auf einen Wert von 1,62. 2021 lag die Zusammengefasste Geburtenziffer in Sachsen-Anhalt mit 1,58 wieder darunter.

Das verĂ€nderte Geburtenverhalten lĂ€sst sich ebenfalls in der Anzahl kinderloser Frauen in Sachsen-Anhalt erkennen. So war laut einer Sonderauswertung des Mikrozensus 2018 der Anteil der kinderlosen Frauen zwischen den Geburtskohorten der 1949 – 1953 Geborenen mit 6 % bis zu den 1964 – 1968 Geborenen auf 14 % gestiegen. Letztere Kohorte setzt sich aus den Frauen zusammen, die ĂŒblicherweise um die Wendezeit als damals Mitte 20-jĂ€hrige Frauen ihre Kinder bekommen hĂ€tten. Sie hatten im Erhebungsjahr 2018 bereits die Altersgrenze von 50 Jahren erreicht. Unter den Folgekohorten lag der Anteil naturgemĂ€ĂŸ höher, da diese 2018 noch nicht das Ende des gebĂ€rfĂ€higen Alters von 50 Jahren erreicht hatten. FĂŒr diese jĂŒngeren Kohorten stellt der Anteil also nur einen vorlĂ€ufigen Wert dar. Allerdings hatten 2018 insgesamt 31 % der Frauen der JahrgĂ€nge 1984 – 1988 das Durchschnittsalter bei Erstgeburt in Höhe von 28,7 Jahren bereits ĂŒberschritten, aber noch keine Kinder bekommen.

Das Zusammenwirken von Wanderungs- und Geburtenverhalten junger Frauen in Sachsen-Anhalt trug zur Reduzierung der Geburten bei. Allerdings ist der GeburtenrĂŒckgang kein PhĂ€nomen der Nachwendezeit. Historisch gesehen ging die Anzahl der Geburten in Sachsen-Anhalt bereits seit der Nachkriegszeit zurĂŒck. 1955 wurden in Sachsen-Anhalt noch 58 119 Kinder lebend geboren. Anschließend folgte ein RĂŒckgang der Lebendgeburten bis auf 32 206 Lebendgeburten im Jahr 1975. Bis 1980 fĂŒhrten familienfördernde Maßnahmen zu einem kurzen Anstieg auf 43 089 Geburten. Seither verringerten sich die Geburten.

Ein massiver Einbruch fand im Übergang von 1990 mit 31 837 Geburten ins Jahr 1991 mit nur noch 19 459 Geburten statt. 1994 war ein zwischenzeitlicher Tiefpunkt bei 14 280 Geburten erreicht. Das Niveau lag also nur noch bei rund 25 % des Geburtenvolumens aus 1955. In den Jahren bis 2000 setzte eine leichte Stabilisierung ein. Die Geburten wuchsen wieder bis auf 18 723. Dieser Hochpunkt konnte seither nicht mehr ĂŒberschritten werden. Mit den aktuell 2021 verzeichneten 16 024 Lebendgeburten ist ein neuer Tiefpunkt erreicht, der zuletzt nur in den Jahren 1993 – 1995 unterschritten wurde. Laut Ergebnissen der 7. Regionalisierten Bevölkerungsprognose wird bis 2035 von einem fortschreitenden RĂŒckgang der jĂ€hrlichen Geburten bis auf rund 14 000 pro Jahr ausgegangen.

In der Konsequenz Ànderten sich auch die Strukturen der Haushalts- und Lebensformen in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahrzehnten. Die Anzahl der Familien mit Kindern im eigenen Haushalt halbierte sich laut Angaben aus dem Mikrozensus seit 1991 nahezu. Damals lebten 529 000 Familien in Sachsen-Anhalt, 2021 waren es nun noch 278 000. Im Erhebungsjahr 1991 gab es noch 417 000 Ehepaare mit Kindern. Bis 2017 war sie kontinuierlich auf 143 000 Ehepaare mit Kindern gesunken. 2021 wurden 144 000 Ehepaare mit Kindern gezÀhlt, 65 % weniger als noch 1991. Auch die Anzahl der Alleinerziehenden mit Kindern sank seit Erreichen eines zwischenzeitlichen Hochpunktes bei 132 000 im Jahr 2001 bis auf aktuell 83 000. Durch die Verschiebung der Geburten im Lebensverlauf bleiben zunehmend Folgegeburten aus.

Der Anteil der Erstgeborenen ohne Ă€ltere Geschwisterkinder an allen Lebendgeburten lag 1990 noch bei 35 % und stieg anschließend bis in die Jahre 2011/2012 auf 65 %. Seither ging er geringfĂŒgig auf 57 % im Jahr 2021 zurĂŒck, lag damit aber weiterhin deutlich ĂŒber den Werten der frĂŒhen 1990er Jahre. Entsprechend gab es in den letzten Jahren mehr Einzelkinder. So stieg der Anteil der Familien mit 1 Kind von 54 % (1991) auf zwischenzeitlich ĂŒber 68 % in den Jahren um 2010. Zwischen 2018 und 2021 lebten in rund 61 % der Familien Einzelkinder. RĂŒcklĂ€ufig war zwischen 1991 und 2021 vor allem das Modell der Familie mit 2 Geschwisterkindern. Sein Anteil an allen Familien sank von 38 % auf zwischenzeitlich 26 % im Jahr 2012 und erreichte 2021 etwa 30 %. Damit ergab sich ein Anteilszuwachs bei den Familien mit 3 und mehr Kindern von 7 % im Jahr 1991 auf 9 % im Jahr 2021.

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