Empfehlungen fĂŒr die Nutzung von KI im Journalismus

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Magdeburg/EichstĂ€tt. KĂŒnstliche Intelligenz verĂ€ndert die Welt – und auch den Journalismus. Bereits jetzt unterstĂŒtzt KI Medienschaffende ĂŒber den kompletten Produktionsprozess hinweg, von der Recherche bis zur Verbreitung von Nachrichten. Kommunikationswissenschaftler der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Katholischen UniversitĂ€t EichstĂ€tt-Ingolstadt und der Hochschule Macromedia MĂŒnchen zeigen in einem Grundlagenpapier fĂŒr die Friedrich-Ebert-Stiftung auf, wie KI das journalistische Arbeiten an vielen Stellen erleichtern und optimieren kann – und worin die Gefahren der neuen Technologien liegen. Die Verfasser empfehlen Redaktionen, Leitlinien und Orientierungshilfen zu formulieren und rufen die Politik dazu auf, solche Plattformen stĂ€rker zu kontrollieren, auf denen Nachrichten verbreitet werden.

Ein Radiosender mit Moderatoren, denen die KĂŒnstliche Intelligenz eine Stimme gibt. Videos auf Online-Plattformen, die Szenen abbilden, die nie stattgefunden haben. Nachrichtentexte, die von keinem Journalisten verfasst wurden, sondern von ChatGPT geschrieben sind. All das ist bereits RealitĂ€t. Obwohl KI-Anwendungen noch in den Kinderschuhen stecken, sind sie schon heute zu Enormem fĂ€hig. So kann die Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte „Wolf-Schneider-KI“ der Online-Journalistenschule Reporterfabrik Texte nach den Stilregeln des legendĂ€ren Sprachkritikers redigieren und umschreiben. Braucht es da ĂŒberhaupt noch Menschen in den Redaktionen?

Die drei Journalismus-Professoren Jonas SchĂŒtzeneder (Hochschule Magdeburg-Stendal), Klaus Meier (Katholische UniversitĂ€t EichstĂ€tt-Ingolstadt) und Michael Graßl (Hochschule Macromedia) haben nun fĂŒr eine Studie untersucht, welchen Mehrwert KI im Nachrichtenjournalismus heute schon bietet, was die Folgen der neuen Technologie sind und welche Perspektiven und Empfehlungen Journalismus und Politik in den Blick nehmen sollten. Damit KI einen Mehrwehrt im journalistischen Newsroom darstellen kann, gelte es, verschiedene Dinge zu beachten, so die Autoren. ZunĂ€chst mĂŒsse eine „technisch-optimistische Redaktionskultur“ geschaffen werden. „Journalismus und Medien können die zunehmenden Potenziale von KI-Tools nicht ignorieren. Einfach Abwarten oder Abblocken – das ist keine Lösung“, sagt Prof. Dr. Klaus Meier, der in EichstĂ€tt Journalistik lehrt. Vielmehr gelte es, gemeinsam und „mit offener Neugier“ auf die rasante Entwicklung zu blicken, diese unter guter Moderation und bei Bedarf mit externer UnterstĂŒtzung aktiv auszuprobieren und die Potenziale und SchwĂ€chen immer wieder neu zu diskutieren.

Die Experten sprechen sich fĂŒr die Etablierung redaktioneller Leitlinien aus. „Unkenntnis und Unsicherheit sowohl beim Publikum als auch in den Redaktionen ĂŒber mögliche Risiken von KI-Anwendungen im Journalismus hemmen derzeit noch die Entwicklung“, stellt Prof. Dr. Jonas SchĂŒtzeneder fest. Die Redaktionen sollten deshalb aufklĂ€ren und erklĂ€ren, welche Tools zu welchem Zweck eingesetzt werden und wo die Grenzen liegen. „Verantwortung und Sorgfaltspflicht mĂŒssen immer  bei der Redaktion bleiben.“ Branchenweit könne eine ErgĂ€nzung des Pressekodex hilfreich sein, etwa indem Standards zur Kennzeichnung von MedienbeitrĂ€gen, die unter Verwendung von KI entstanden sind, entwickelt werden. Skeptisch sehen die Journalistik-Professoren hingegen Forderungen nach einer Zertifizierung von KI-Tools. Denn eine QualitĂ€tsĂŒberprĂŒfung werde vermutlich den technischen Entwicklungen nicht nachkommen, außerdem sei journalistische QualitĂ€t nicht zertifizierbar. 

Gefahren sehen die Experten im Zusammenhang mit KI-Anwendung – mehr noch als in den Redaktionen mit ihren journalistischen Routinen – auf den Social-Media-Plattformen, die Content ausspielen.  Diese wĂŒrden bislang zu wenig unternehmen, um manipulierende und demokratiegefĂ€hrdende Inhalte wie Desinformation und Hassrede zu verhindern. Der deutschen, europĂ€ischen und internationalen Medienpolitik falle eine effektive Regulierung der Plattformen schwer, doch hier seien weiter Anstrengungen nötig. „Gleichzeitig muss die öffentliche AufklĂ€rung durch den Journalismus gestĂ€rkt werden – als Gegengewicht auf Basis von Recherche, Faktencheck und AufklĂ€rung“, so Klaus Meier. Es lĂ€gen eine Reihe von VorschlĂ€gen auf dem Tisch, wie Journalismus gestĂ€rkt werden könne – gegebenenfalls auch mit Steuermitteln. Meier und seine Fachkollegen schlagen insbesondere eine verstĂ€rkte Innovationsförderung vor, etwa durch eine UnterstĂŒtzung öffentlicher Media Labs oder durch öffentliche Fonds fĂŒr Innovationen im Journalismus, die wettbewerblich vergeben werden. „Es ist empirisch erwiesen, dass Innovationen im Journalismus seine Leistungen fĂŒr die Demokratie stĂ€rken.“

Politik, Medien, Wissenschaft und Bildung seien gefragt, an einer StĂ€rkung der Medienkompetenz mitzuarbeiten. Zwar gebe es hier eine Vielzahl von Initiativen, jedoch seien Unkenntnis und Unsicherheit noch weit verbreitet. „Es braucht eine gezielte Medienkompetenzförderung, die die neuen KI-Technologien einschließt“, sagt Prof. Dr. Michael Graßl. Dies mĂŒsse bereits in den Schulen beginnen, aber auch eine alltagsnahe Auseinandersetzung in Unternehmen, Vereinen und Familien sei wichtig. „Alle sind dabei gefragt, die Politik kann hier mit gutem Beispiel vorangehen und aktiv Formen und Programme fördern, die an dieser Stelle fĂŒr AufklĂ€rung und Wissen sorgen.“

Die drei Journalistik-Professoren, die an ihren Hochschulen den journalistischen Nachwuchs ausbilden, sehen auch sich selbst in der Pflicht: „KI wird immer mehr zum zu einem Kernthema, wenn wir unsere Studierenden auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten“, so Klaus Meier. Auch die Lehre in den Journalistik- und MedienstudiengĂ€ngen mĂŒsse die Chancen und Risiken von KI noch stĂ€rker in den Curricula verankern, um die Medienschaffenden von morgen bestmöglich vorzubereiten.

Der Beitrag „Grenzen ĂŒberwinden, Chancen gestalten – KI im journalistischen Newsroom“ ist erschienen in „FES impuls“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, abrufbar unter https://library.fes.de/pdf-files/a-p-b/20987.pdf

Text/Foto (c) Hochschule Magdeburg-Stendal / Fotograf Matthias Piekacz