Dokumentarfilm / Systemfehler: Der Cum-Ex Skandal (3sat 20:15 – 21:45 Uhr)

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Mit Cum-Ex verbindet man den wohl grĂ¶ĂŸten Steuerraub der Geschichte. Er blieb viele Jahre unentdeckt, bis einige mutige Menschen die Wahrheit ans Licht brachten. (GeĂ€nderte Fassung)

Der Dokumentarfilm rekonstruiert mit Beschuldigten, Ermittlerinnen und Investigativjournalisten detailliert, wie Banken, Investoren und AnwĂ€lte vorgingen, um europĂ€ische Staaten um Milliarden zu betrĂŒgen und wie es zu Urteilen gegen „White Collar“-Kriminelle kam.

Inspiriert von den Recherchen des Investigativjournalisten Oliver Schröm („Die Cum-Ex-Files“) rollt die Dokumentarfilmerin Judith Lentze den Fall multiperspektivisch auf. Sie zeigt, wie seit den 1990er-Jahren der Steuerbetrug durch ausgeklĂŒgelte Wertpapiertransaktionen organisiert wurde und jahrelang ungeahndet bleiben konnte.

Zahlreiche Banken – ob privat oder öffentlich – und deren AnwĂ€lte errichteten ein Dickicht von juristischen Argumentationen, um sich zur Rechtfertigung ihres Betrugs auf eine angebliche GesetzeslĂŒcke zu berufen, die es nie gab. Mittels Insiderwissens von Finanzbeamten wie Michael Sell oder dem Kronzeugen Kai-Uwe Steck, der im Oktober 2024 selbst angeklagt wurde, erklĂ€rt die Filmemacherin, wie diese Argumentation jahrelang funktionierte.

Der Film veranschaulicht den hohen Abstraktionsgrad des digitalisierten Börsenhandels, der nicht mit der Arbeitsweise der Steuer- und der Ermittlungsbehörden kompatibel ist. Ebenso wie die Steuergesetzgebungen nicht mit den RealitĂ€ten der globalen FinanzmĂ€rkte Schritt halten können, wie Wertpapierexperte Alexander Heist erklĂ€rt. Und weil europĂ€ische Steuerbehörden kaum zusammenarbeiten, konnten die BetrĂŒger unbemerkt von Land zu Land wechseln. DĂ€nemark liefert dafĂŒr ein besonders eindrĂŒckliches Beispiel.

Anders in den USA: Bereits 2008 prangerte Senator Carl Levin die Machenschaften in aller Öffentlichkeit an und machte das Land fĂŒr Investoren unattraktiv. Das GeschĂ€ft verlagerte sich nach Europa, internationale Investoren nutzten nun das vermeintliche deutsche Steuerschlupfloch.

Auf europĂ€ischer Ebene wurden noch immer nicht alle nötigen Maßnahmen getroffen, um diese Entwicklung zu stoppen, wie die Journalisten Oliver Schröm und Stefan Melichar sowie der Finanzwirtschaftsexperte Christoph Spengel kritisieren. Obwohl der Schaden durch rein steuergetriebene WertpapiergeschĂ€fte inoffiziell europaweit auf 55 Milliarden Euro geschĂ€tzt wird. Und obwohl der Skandal auch politische Kreise zieht, wie der Hamburger Untersuchungsausschuss zu den Cum-Ex-GeschĂ€ften der Warburg Bank verdeutlicht.

Mutige Menschen in den deutschen Steuerbehörden, bei der Staatsanwaltschaft und bei Gerichten wie Jana Stobinsky, Anne Brorhilker und Roland Zickler, die sich im Film Ă€ußern, haben fĂŒr die Aufarbeitung dieser komplexen Sachverhalte gesorgt und die Strafverfolgung bis zur Verurteilung betrieben. Im Lauf der Ermittlungen wurde die Durchsuchung zahlreicher BankhĂ€user veranlasst, unzĂ€hlige Unterlagen und tausende Excel-Tabellen gesichert und gesichtet. Die Beamten mussten EinschĂŒchterungen trotzen, wurden mit Klagen ĂŒberzogen und fĂŒhrten einen jahrelangen Kampf gegen mĂ€chtige Gegner, allen voran der inzwischen verurteilte Hanno Berger. Ihre unerschĂŒtterliche Überzeugung, dass ein Verbrechen vorliegt und geahndet werden muss, macht den Film zu einer Heldengeschichte – ĂŒber einen Skandal, der die Gesellschaft bis heute teuer zu stehen kommt.

Zwar gab es in Deutschland inzwischen 20 Urteile gegen Cum-Ex-BetrĂŒger, denen jedoch die Zahl von international rund 2000 Beschuldigten gegenĂŒbersteht. Weitere Prozesse sind nicht in Sicht. Cum-Ex gilt in Deutschland als gestoppt, doch nach wie vor ermöglichen Unterschiede in den nationalen Steuergesetzgebungen BetrĂŒgereien durch rein steuergetriebene WertpapiergeschĂ€fte.

Oliver Schröm ist Investigativjournalist und Autor zahlreicher EnthĂŒllungsbĂŒcher. Nach verschiedenen journalistischen Stationen grĂŒndete er 2010 das Investigativteam beim „Stern“ und leitete es bis 2016. Er war MitgrĂŒnder von „Correctiv“ und 2018/2019 Chefredakteur der Investigativplattform, heute arbeitet er wieder fĂŒr den „Stern“. Seit 2013 recherchiert er zu Cum-Ex-GeschĂ€ften, initiierte und leitete 2018 dazu ein internationales Rechercheprojekt in zwölf LĂ€ndern. Sein Buch „Die Cum-Ex-Files“ war Basis fĂŒr den Dokumentarfilm „Systemfehler: Der Cum-Ex Skandal“.

Judith Lentze ist freie Producerin, Regisseurin, Autorin und Drehbuchberaterin. Sie arbeitete fĂŒr Hollywoodproduktionen wie „Point Break“ (2015), „A Cure for Wellness“, „Mute“ und „Berlin Station“ sowie an Kunst- und Werbefilmen. Sie schrieb den Dokumentarfilm „The Great Escape“, fĂŒhrte Regie bei Dokumentationen ĂŒber den Aufbau Verlag und das „Museum for Urban Contemporary Art“ in Berlin und war Producerin der Projekte „24h Europa“ und „Europa – Kontinent im Umbruch“.

Als Special Guest im Team konnte Dirk von Lowtzow als Sprecher fĂŒr den Off-Kommentar gewonnen werden.

Original-Titel: Systemfehler: Der Cum-Ex Skandal
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Wirtschaftsdoku, D 2025
Regie: Judith Lentze

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