Der Mann, der dem 917 Manieren beibrachte – Porsche gratuliert Professor Helmut Flegl zum 80. Geburtstag

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Stuttgart. Erfolg hat immer viele VĂ€ter – einer davon heißt Prof. Helmut Flegl: Der gebĂŒrtige Ungar war unter anderem fĂŒr einen der erfolgreichsten Porsche-Rennwagen verantwortlich, den Porsche 917. Am 7. April 2022 wird der Ingenieur 80 Jahre alt.

Fahrwerkspezialist Prof. Flegl kam 1966 zum Stuttgarter Autobauer. Schon drei Jahre spĂ€ter war der erst 27 Jahre alte Diplom-Ingenieur verantwortlich fĂŒr das Projekt 917, gemeinsam mit Hans Mezger und Peter Falk. Die Aufgabe war es, den unzĂ€hmbar erscheinenden Boliden siegfĂ€hig zu machen. Denn der damalige Porsche-Entwicklungschef Ferdinand PiĂ«ch wollte mit diesem Überauto jeden und alles schlagen. Gestandene Rennfahrer allerdings hielten den 917 nach ersten Tests fĂŒr unfahrbar. „FĂŒr mein Team und mich bestand die grĂ¶ĂŸte Herausforderung seinerzeit darin, das Potential dieses Autos mit den BedĂŒrfnissen der Piloten in Einklang zu bringen“, erinnert sich Prof. Flegl.

Das Projekt 917 genoss bei Porsche oberste PrioritĂ€t und wurde engagiert vorangetrieben. Die Rennfahrer Jo Siffert und Kurt Ahrens gewannen damit erstmals im Sommer 1969 das 1000-Kilometer-Eröffnungsrennen auf dem neuen Österreichring in Zeltweg, aber PiĂ«ch forderte den Gesamtsieg – den ersten fĂŒr den Stuttgarter Sportwagenbauer. Deswegen spornte er Prof. Flegl und sein Team an, das Fahrverhalten zu optimieren und viele Testfahrten anzusetzen. Einen dieser Tests wird Prof. Flegl nie vergessen: Am 7. April 1970 erprobte Porsche-Werkspilot Kurt Ahrens auf dem abgeriegelten Ehra-Lessien-TestgelĂ€nde eine modifizierte 917-Langheck-Version. Das Techniker-Team um Prof. Helmut Flegl und Peter Falk leitete das Fahrprogramm. Eine Windböe von der Seite sorgte dafĂŒr, dass das Auto an der Leitplanke in zwei Teile zerrissen wurde – Kurt Ahrens ĂŒberstand den schlimmen Unfall mit Prellungen und Quetschungen. Dennoch hatte sich alle Arbeit gelohnt: Der 580 PS starke 917 KH errang den ersten Porsche-Gesamtsieg 1970 bei den 24 Stunden von Le Mans.

Grund zur Freude gab es fĂŒr Prof. Flegl sowie seine Weissacher Ingenieurskollegen Hans Mezger und Valentin SchĂ€ffer ebenso im Jahr 1971. Denn bei zweitĂ€gigen Vortests zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans ĂŒbernahm Jackie Oliver am zweiten Testtag das Steuer eines Porsche 917 LH. Bevor der Brite loslegte, ermahnte ihn Prof. Flegl: „Wir sind uns hinsichtlich der aerodynamischen StabilitĂ€t auf der Geraden jenseits von Tempo 300 nicht ganz sicher.“ Sechs problemlose Runden spĂ€ter erhielt Prof. Flegl die positive RĂŒckmeldung und ordnete deshalb nur marginale Änderungen an. FĂŒr noch mehr Abtrieb ließ er zum Beispiel die Schlitze der RadhausentlĂŒftung auf den vorderen KotflĂŒgeln weiter nach vorne verlegen. Seine Anordnung: „Fahren Sie jetzt fĂŒnf Runden mit Höchstdrehzahl.“ Die Folge: Mit gestoppten 3:13,60 Minuten ging Jackie Olivers Leistung als die erste Le-Mans-Runde mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 250 km/h in die GeschichtsbĂŒcher ein – exakt 250,457 km/h wurden errechnet, wenngleich aufgrund einer Testfahrt nicht offiziell anerkannt. Und den Gesamtsieg in Le Mans konnte Porsche im gleichen Jahr auch wiederholen.

1972 eroberte der 917/10 Can Am Spyder unter tatkrĂ€ftiger Mitarbeit von Prof. Flegl die nordamerikanische CanAm-Rennserie. Von da an war er zum leistungsstĂ€rksten Rennwagen von Porsche avanciert. 1973 verlĂ€ngerte Prof. Flegl fĂŒr die Fahrbarkeit des 917/30 den Radstand, was das Auto im Rennen deutlich stabilisierte. Außerdem arbeitete er erfolgreich an der Aerodynamik, die bei der enormen Kraft von 1100 PS Kraft fĂŒr den notwendigen Anpressdruck sorgte.

Prof. Helmut Flegl brachte den Porsche 936 auf die RĂ€der und ĂŒbernahm dann 1976 die Projektleitung des 928. 1978 kehrte er wieder zurĂŒck in die Rennabteilung und setzte seine Arbeit am 936 fort. 1988 trieb er das Indy-Projekt mit Theo Fabi voran. Dieses Projekt war fĂŒr drei Jahre anberaumt und wurde danach eingestellt. Sehr zum Bedauern von Prof. Flegl: „Wenn man uns noch ein Jahr gegeben hĂ€tte, wĂ€ren wir am Ziel gewesen.“

Am Ziel seiner Karriere war Prof. Helmut Flegl im Jahr 2003: Nach 37 Porsche Jahren und zuletzt als Chef der Abteilung Forschung und Vorentwicklung in Weissach ging er in den Vorruhestand. Er lebt seitdem in Leonberg.

Foto: 2010: Prof. Helmut Flegl zu Besuch in der Werkstatt des Porsche Museums am 917 KH Coupé, dem Siegerfahrzeug von Le Mans 1970. (c) Porsche AG