Die Arbeit in der Sexbranche ist seit jeher von gesellschaftlichen Kontroversen und rechtlichen Grauzonen geprägt. Jahrelang bewegte sich dieser Bereich in einem weitgehend unregulierten Raum, was Risiken für die dort tätigen Personen barg. Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Gesundheitsvorsorge waren leider keine Seltenheit.
Um dieser Situation entgegenzuwirken und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, trat 2017 in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz, kurz ProstSchG, in Kraft.
Das Ziel war klar:
- Menschen vor Ausbeutung und Zwang zu schützen.
- Die Eigenverantwortlichkeit und die Rechte der Sexarbeiter zu stärken.
- Transparenz im Gewerbe zu schaffen.
Fünf Jahre nach der Einführung zieht man nun eine erste Bilanz. Es zeigt sich, dass der Weg von der gesetzlichen Vorgabe zur praktischen Umsetzung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Insbesondere auf kommunaler Ebene, wo die Behörden für die Durchführung zuständig sind, zeigen sich große Unterschiede und teils erhebliche Vollzugsdefizite.
Der Grundgedanke des Gesetzes
Das Prostituiertenschutzgesetz basiert auf dem Gedanken, Sicherheit und Kontrollierbarkeit zu gewährleisten. Es etablierte zwei Kernpflichten, die seitdem für alle Sexarbeiter in Deutschland gelten:
- Die Anmeldepflicht: Jeder, der sexuelle Dienstleistungen anbietet, muss sich bei der zuständigen Behörde anmelden und einen sogenannten Anmeldeschein (umgangssprachlich auch „Hurenpass“ genannt) erhalten.
- Die Gesundheitsberatung: In regelmäßigen Abständen ist die Teilnahme an einer verpflichtenden gesundheitlichen Beratung nachzuweisen.
Diese Maßnahmen sollen nicht nur die Legalität der Tätigkeit sicherstellen, sondern vor allem einen Kontakt zu staatlichen Hilfsangeboten herstellen.
Auch für die Betreiber von Prostitutionsstätten wurden verschärfte Regeln eingeführt. Sie benötigen eine behördliche Erlaubnis, die unter strengen Auflagen erteilt wird, um Mindeststandards für Sicherheit und Hygiene zu garantieren.
Trotz aller Regulierung gibt es private Portale, die ohne staatliche Anmeldepflichten versuchen, durch eigene strenge Prozesse ein sicheres Umfeld zu schaffen. So müssen sich beispielsweise Anbieter auf internationalen Portalen wie and6.com digitalen und strikten Verifizierungsprozessen unterziehen, die Identität und Echtheit bestätigen sollen. Diese privaten Lösungen stehen oft im Kontrast zu den bürokratischen staatlichen Vorgaben.
Umsetzung in der Region: der bürokratische Alltag
Die ehrgeizigen Ziele des ProstSchG trafen in der Praxis oft auf eine komplexe Realität. Insbesondere in den Bundesländern und Kommunen, die für den Vollzug zuständig sind, zeigten sich erhebliche Schwierigkeiten. Die Umsetzung ist nicht nur uneinheitlich, sondern häufig auch von Vollzugsdefiziten geprägt.
In regionalen Zentren wie Magdeburg oder anderen Städten in Sachsen-Anhalt waren die Kommunen plötzlich mit einer Aufgabe konfrontiert, für die sie weder personell noch organisatorisch optimal aufgestellt waren.
- Uneinheitliche Auslegung: Während einige Ämter die Regeln streng und penibel anwandten, handhabten andere die Erteilung von Anmeldebescheinigungen eher pragmatisch. Diese Uneinheitlichkeit schafft Rechtsunsicherheit.
- Personelle Engpässe: Die zuständigen Ämter sind oft überlastet. Die Prüfungen der Gewerbeanmeldungen für Betriebe und die persönlichen Anmeldungen der Sexarbeiter erfordern Zeit und spezialisiertes Personal, das vielerorts fehlt.
- Mangelnde Akzeptanz: Die Bürokratie führte bei vielen ehrlichen Anbietern nicht zu mehr Schutz, sondern zu mehr Aufwand. Die Angst vor Stigmatisierung und dem Behördenkontakt ist bei vielen tief verwurzelt. Anstatt sich anzumelden, zogen es viele vor, im sogenannten „Dunkelfeld“ zu bleiben.
Für Personen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes in der Branche tätig waren, bedeutete die neue Bürokratie oft eine große Hürde. Die Notwendigkeit, einen staatlichen Schein zu besitzen, wurde von vielen als kontraproduktiv empfunden, da sie sich dadurch erst recht stigmatisiert fühlten. Die Folge ist, dass die Zahl der offiziell angemeldeten Personen weit hinter den Schätzungen der tatsächlichen Zahl der in Deutschland tätigen Sexarbeiter zurückbleibt. Das gesetzlich angestrebte Ziel, Transparenz zu schaffen und das Dunkelfeld zu verkleinern, konnte somit regional nur bedingt erreicht werden.
Die Hürde der Anmeldepflicht
Die zentrale Säule des ProstSchG ist die gesetzliche Verpflichtung zur Anmeldung der Tätigkeit. Diese Pflicht verlangt von jedem Sexarbeiter einen Besuch bei der zuständigen Behörde, um eine Anmeldebescheinigung, die alle zwei Jahre erneuert werden muss, zu erhalten. Der Prozess ist oft langwierig und von hohem bürokratischem Aufwand geprägt.
Der Ablauf der Anmeldung umfasst typischerweise:
- Persönliches Erscheinen: Das persönliche Vorsprechen bei der Behörde, um die Identität festzustellen und die notwendigen Dokumente vorzulegen.
- Dokumentenvorlage: Vorlage des gültigen Personalausweises oder Reisepasses und in der Regel auch eines Nachweises über die verpflichtende Gesundheitsberatung.
- Wartezeiten: Die Bearbeitung der Anträge kann, je nach Kommune und Auslastung der Ämter, Wochen oder sogar Monate dauern. In dieser Zeit ist die Tätigkeit rechtlich gesehen oft unklar geregelt.
Diese Formalitäten führen in der Praxis zu erheblicher Kritik. Die Befürchtung vieler ist, dass die Anmeldung nicht zu mehr Schutz führt, sondern vielmehr zur Behördenangst beiträgt. Für viele bedeutet die Registrierung eine offizielle Stigmatisierung und die Angst vor einer behördlichen Erfassung der Daten, was zukünftige berufliche Wege erschweren könnte.
Das größte Problem in der regionalen Umsetzung ist, dass das Gesetz das Dunkelfeld – also jenen Teil der Branche, der illegal oder versteckt arbeitet – kaum erhellt. Stattdessen sind es überwiegend die bereits ehrlichen und transparent arbeitenden Personen, die sich anmelden und den bürokratischen Aufwand auf sich nehmen. Diejenigen, die Schutz am dringendsten bräuchten, entziehen sich der Kontrolle. Die Hürde der Anmeldepflicht hat somit zwar einen legalen Rahmen geschaffen, jedoch das eigentliche Ziel, alle Betroffenen zu erfassen und zu schützen, verfehlt.
Gesundheitsberatung und Kondompflicht
Das ProstSchG schreibt neben der Anmeldung auch die regelmäßige Gesundheitsberatung vor. Diese soll sicherstellen, dass die Sexarbeiter umfassend über sexuell übertragbare Krankheiten und deren Prävention informiert sind. Die Beratung durch die Gesundheitsämter ist vertraulich und bietet Zugang zu anonymen Test- und Hilfsangeboten.
Ein weiterer Eckpfeiler des Gesetzes ist die Kondompflicht, die den Schutz von Anbietern und Kunden gewährleisten soll und als wichtiges Instrument der Volksgesundheit gilt.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass auch diese Schutzmaßnahmen nur einen Teil der Branche erreichen. Während die Beratung an sich als nützlich empfunden wird, profitieren vor allem die bereits angemeldeten, transparent arbeitenden Personen. Das weitaus größere Dunkelfeld bleibt von diesen Schutzmechanismen ausgeschlossen. Zudem ist die Einhaltung der Kondompflicht in der Realität nur schwer zu kontrollieren. Die gut gemeinten Regelungen entfalten ihre volle Schutzwirkung somit nicht flächendeckend.
Kontrollierte Sicherheit: and6.com – das Beispiel aus der Schweiz
Während Deutschland auf eine staatlich verordnete Regulierung mit Anmeldescheinen und Erlaubnispflichten setzt, verfolgen private Anbieter in anderen Ländern teils andere, digital orientierte Sicherheitsansätze. Ein gutes Beispiel hierfür ist das schweizer Erotikportal and6.com.
In der Schweiz, die andere regulatorische Rahmenbedingungen besitzt, liegt der Fokus privater Plattformen auf einem extrem strengen, digitalen Verifizierungsprozess. Bei solchen Portalen wird der Schutz nicht durch den staatlichen „Hurenpass“ gewährleistet, sondern durch die lückenlose Prüfung der Anbieter durch die Plattform selbst.
Dieser Ansatz basiert auf folgenden Elementen:
- Lückenlose Identitätsprüfung: Anbieter müssen oft mehrstufige digitale Prüfungen durchlaufen, die die Echtheit ihrer Identität und ihre Volljährigkeit verifizieren.
- „Proof of Life“-Nachweise: Es werden aktuelle Fotos oder Videos gefordert, die beweisen, dass die Person hinter dem Profil real ist und mit den eingestellten Bildern übereinstimmt.
- Ausschluss von Zwangsarbeit: Obwohl digitale Tools keine Zwangslage gänzlich ausschließen können, zeigen sorgfältige Prüfungen oft Inkonsistenzen oder Hinweise auf externe Kontrolle.
Der entscheidende Vorteil dieses Modells ist die geringere Bürokratie für die ehrlichen Anbieter und die schnellere Reaktion bei Betrugsfällen. Die Portale können unmittelbar Profile sperren und so schnell die Sicherheit gewährleisten, während staatliche Verfahren oft langwieriger sind. Es zeigt sich, dass Sicherheit nicht zwingend nur über eine staatliche Anmeldepflicht funktionieren muss, sondern auch durch konsequente, digital gestützte Eigenkontrolle der Plattformen erreicht werden kann.
Kritik und Forderungen aus der Praxis
Fünf Jahre nach Einführung zeigt die Bilanz des ProstSchG eine klare Spaltung. Während die Absicht des Gesetzes, den Schutz zu erhöhen, unbestritten ist, wird die Umsetzung scharf kritisiert.
Der Hauptkritikpunkt liegt in der massiven Bürokratisierung der legalen Tätigkeit. Für Anbieter, die ohnehin transparent und ehrlich arbeiten wollten, bedeutete das Gesetz vor allem zusätzliche Arbeit:
- Erhöhter Aufwand: Zeitintensive Behördengänge für Anmeldung und Gesundheitsberatung.
- Stigmatisierung: Die Notwendigkeit des behördlichen Anmeldescheins wird oft als staatliche Brandmarkung empfunden.
Viele fordern daher eine Überarbeitung des Gesetzes. Ein oft genanntes Gegenmodell ist das Nordische Modell, das auf eine Kriminalisierung der Kunden setzt. Andere wiederum plädieren für eine vereinfachte, digitalisierte Regulierung, die Schutzstandards setzt, aber den bürokratischen Aufwand für die Betroffenen minimiert. Das Gesetz hat die Arbeitsbedingungen nicht flächendeckend verbessert, da es die ehrlichen Anbieter trifft, aber das Dunkelfeld kaum erreicht.
Schlussworte
Das Prostituiertenschutzgesetz stellt einen wichtigen Versuch dar, eine lange vernachlässigte Branche zu regulieren und Schutzmechanismen zu etablieren. Es hat wichtige Grundlagen für die Gesundheitsvorsorge und die Etablierung von Mindeststandards in Betrieben geschaffen.
Die Praxis zeigt jedoch, dass die aktuelle, stark bürokratische Ausgestaltung die gesteckten Ziele nur teilweise erfüllt. Die Umsetzung ist lückenhaft, und viele Personen meiden aus Angst vor Stigmatisierung den offiziellen Weg. Um wirklich Schutz zu bieten, ist eine bürgernahe, effektivere und weniger stigmatisierende Regulierung notwendig, die den Fokus stärker auf die Bekämpfung von Zwang und Ausbeutung legt, statt ehrliche Tätigkeit zu erschweren.
Quelle: Trustfactory / pedom
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