Bauindustrieverband Ost / Zahlungsdisziplin auf dem Prüfstand: Öffentliche Hand im Osten bleibt Schlusslicht

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Die Zahlungsmoral auf ostdeutschen Baustellen verschlechtert sich zusehends. Laut der aktuellen Blitzumfrage des Bauindustrieverbandes Ost e. V. (BIVO) verzeichneten insgesamt 61,9 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen Zahlungsverzögerungen ihrer Auftraggeber. Dies entspricht einem spürbaren Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 54,8 Prozent. Im Detail zeigt sich, dass vor allem öffentliche Auftraggeber für die Verzögerungen verantwortlich sind: Der Anteil der Bauunternehmen, die von Zahlungsverzug durch die öffentliche Hand betroffen waren, stieg von 42,9 auf 45,2 Prozent. Auch bei gewerblich-industriellen Bauherren nahm der Anteil zu – von 21,4 auf 23,8 Prozent. Selbst bei privaten Auftraggebern war ein Anstieg zu verzeichnen: Hier erhöhte sich der Anteil betroffener Betriebe von 16,7 auf 19,0 Prozent.

Mit Blick auf die aktuelle Statistik erklärt BIVO-Hauptgeschäftsführer Dr. Robert Momberg (Foto): „Wer Aufträge vergibt, muss auch zahlen – und zwar pünktlich. Nur so bleibt die Branche liquide und handlungsfähig. Werden Rechnungen verspätet beglichen, geraten selbst gut aufgestellte Betriebe unter Druck. Sie müssen Vorleistungen finanzieren, Materialkosten und Löhne tragen, ohne dass die entsprechenden Zahlungen eingehen. Das führt zu unnötigen finanziellen Belastungen und gefährdet letztlich auch die Stabilität kleiner und mittelständischer Unternehmen. Die öffentliche Hand trägt hier eine besondere Verantwortung. Sie sollte mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Zahlungsverpflichtungen zuverlässig erfüllen. Denn jedes verspätete Zahlungsziel schwächt nicht nur die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Staates als Auftraggeber. Wenn der Staat selbst zum Zahlungsverzögerer wird, sendet das ein fatales Signal an die gesamte Wirtschaft.“

Laut den befragten Mitgliedsunternehmen liegen die Hauptursachen für verspätete Zahlungen bei der öffentlichen Hand vor allem in strittigen Forderungsansprüchen (46,9 %) und vorsätzlichem Zahlungsverzug (46,9 %). Nur 6,3 % führen die Verzögerungen auf Zahlungsunfähigkeit zurück. Im gewerblich-industriellen Bereich gaben rund ein Drittel der Betriebe strittige Ansprüche und bewusste Verzögerungen als Gründe an, während 26,3 % von echter Zahlungsunfähigkeit berichteten. Bei privaten Bauherren nannten über die Hälfte (53,8 %) Uneinigkeiten beim Forderungsanspruch, 38,5 % vorsätzliche Verzögerungen und 7,7 % Zahlungsunfähigkeit. Besonders bei der öffentlichen Hand zeigt sich damit: Fast die Hälfte der Betriebe wartet nicht wegen finanzieller Engpässe, sondern wegen Streitigkeiten oder bewusster Zurückhaltung auf ihr Geld.

Ergebnisse nach Verbandsgebiet

Berlin

  • Anteil betroffener Unternehmen bleibt mit 85,7 Prozent hoch

In Berlin gaben 85,7 Prozent der Bauunternehmen an, von Zahlungsverzug betroffen zu sein. Der Anteil öffentlicher Auftraggeber an den Außenständen lag mit 68,5 Prozent nahezu auf dem Vorjahreswert von 68,7 Prozent. Als Hauptgrund für Zahlungsverzug bei öffentlichen Bauherren wurde seitens der Unternehmen mit 54,5 Prozent die Strittigkeit der Forderungsansprüche sowie mit 36,4 Prozent vorsätzliche Zahlungsverzüge genannt. Damit zeigt sich, dass die Situation in der Hauptstadt weiterhin angespannt ist.

Brandenburg

  • Stärkster Anstieg des Forderungsvolumens

In Brandenburg berichteten 57,1 Prozent der befragten Unternehmen insgesamt über Zahlungsverzug. Dabei waren im 42,9 Prozent der Bauunternehmer von Zahlungsverzug öffentlicher Bauherren betroffen. Besonders auffallend ist, dass das Gesamtforderungsvolumen im Jahresvergleich um 32,0 Prozent stieg und damit den höchsten Zuwachs im gesamten BIVO-Verbandsgebiet verzeichnete. Häufigster Grund für verspätete Zahlungen der öffentlichen Hand waren laut Unternehmen Differenzen bei der Anerkennung der erbrachten Leistungen, in jedem dritten Fall vorsätzlichen Zahlungsverzug sowie in 16,7 Prozent der Fälle Zahlungsunfähigkeit des Bauherrn.

Sachsen

  • Hoher Anteil öffentlicher Auftraggeber an Außenständen bleibt bestehen

In Sachsen ist ein deutlicher Anstieg der Zahlungsverzüge zu erkennen – bauherrenunabhängig lag der Anteil der betroffenen Bauunternehmen bei 55 Prozent. Mit 96,5 Prozent wird der Anteil der offenen Forderungen fast ausschließlich öffentlichen Auftraggebern zugeschrieben. Betrachtet man die öffentlichen Bauherren, so wurden seitens der Unternehmer als Grund für den Zahlungsrückstände zu 60 Prozent vorsätzlicher Zahlungsverzug angegeben. 4 von 10 Mitgliedsfirmen gaben Meinungsverschiedenheiten mit den Auftraggebern über Umfang und Höhe der Forderungen an.

Sachsen-Anhalt

  • Höchste Betroffenheit im Verbandsgebiet

In Sachsen-Anhalt blieb die Zahlungsmoral auf einem unverändert schlechten Niveau. Wie bereits im Vorjahr gaben insgesamt 62,5 Prozent der Bauunternehmen an, von Zahlungsverzug betroffen gewesen zu sein. Der Anteil der Betriebe, die von Zahlungsverzögerungen durch öffentliche Bauherren betroffen waren, blieb mit 37,5 Prozent ebenfalls konstant. Auch in Sachsen-Anhalt gehen mit 94 Prozent nahezu alle offenen Forderungen auf das Konto der öffentlichen Hand. In der Begründung der Rückstände wurde als Ursache bei den Öffentlichen Bauherren zu 60 Prozent vorsätzlicher Zahlungsverzug und zu 40 Prozent Strittigkeit der Forderungsansprüchen genannt.

Der Bauindustrieverband Ost e. V. (BIVO) vertritt die Interessen von 260 Bauunternehmen mit 20.000 Beschäftigten in den Ländern Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

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Foto: Dr. Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Ost (c) BIVO