Die Hitzewellen im Mai und Juni haben den Schweizer Gletschern massiv zugesetzt. Die Gletscher liegen zum kalendarischen Sommerbeginn bereits blank bis auf rund 3000 Meter, teilweise noch höher. In den Hochlagen der Alpen sieht es aus wie normalerweise Mitte August.
Schneearmut und Gletscherschmelze auf hohem Niveau
Dieses Jahr hat eine intensive Hitzewelle bereits im Mai den Alpenraum erfasst. Die Folge war eine rasante Schnee- und Gletscherschmelze, die im Juni auf hohem Niveau voranschritt und einen vorlĂ€ufigen Höhepunkt in der jĂŒngsten Hitzewelle vom letzten Wochenende fand. Björn Goldhausen, Pressesprecher und Meteorologe von WetterOnline, erklĂ€rt: âIn der Schweiz wurde der zweitwĂ€rmste Mai seit dem Jahr 1864 aufgezeichnet. Auch im Juni gab es in den TĂ€lern schon viele Tage mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke. Der in diesem Jahr ohnehin sparsam gefallene Schnee schmilzt seit Mai nun auch noch rasant und schĂŒtzt das Eis nicht mehr vor der WĂ€rmeeinstrahlung. Viele tieferliegende Gletscherzungen wie beispielsweise der Gorner-, Fiescher- oder Aletschgletscher lagen in der Folge auĂergewöhlich frĂŒh bereits Ende Mai schon bis in Höhenlagen von 2500 Meter schneefrei da. Im Juni ging die Schmelze ungebremst weiter und die zuletzt sehr hohen Temperaturen setzten noch eins drauf. Da die Gletscher bereits bis in Höhenlagen von rund 3000 Metern schneefrei sind, schmolz in den vergangenen heiĂen Tagen viel Eis weg. Entsprechend prĂ€sentieren sich die Hochlagen der Alpen aktuell bereits wie in einem durchschnittlichen August.“
Abfluss von Wassermengen immens
Das durch die rekordverdĂ€chtige Schneearmut fehlende Schmelzwasser fĂŒhrt zu Trockenheit und niedrigen WasserstĂ€nden. Die Eisströme der Alpen schrumpfen zunehmend. Das KĂŒhlsystem verliert somit an Kraft. Der beschleunigte Verlust an SĂŒĂwasservorrat durch groĂe Abflussmengen fĂŒhrt unter anderem zum RĂŒckgang der Artenvielfalt und auch die Landschaft der Alpen Ă€ndert sich. Laut dem Klimaexperten und Meteorologen Dr. David Volken lag der Spitzenabfluss am Grossen Aletschgletscher beispielsweise am Nachmittag des 20. Juni 2022 bei 82.000 Liter Wasser pro Sekunde. Im Tagesmittel waren es immer noch 66000 Liter pro Sekunde. Dies entsprĂ€che einem Abfluss von 5,7 Milliarden Liter Wasser pro Tag. Im Vergleich wĂ€re das jeden Tag eine Wassermenge in einer vollen 0,7 Liter-Flasche fĂŒr jeden Erdbewohner.
Entspannung nicht in Sicht
Die Wetteraussichten lassen bisher keine Hoffnung auf eine Unterbrechung der Schmelze zu. Goldhausen: âFĂŒr die kommende Woche gibt es schon Anzeichen, dass ein Schwall heisser Mittelmeerluft den Alpenraum erneut erfasst.“
Mit diesen Aussichten geht die Gletscherschmelze ungebremst weiter. Zudem sagen viele Klimamodelle einen sehr warmen und trockenen Sommer fĂŒr Mitteleuropa bis Ende August voraus. Somit werden die Schweizer Gletscher diesen Sommer ĂŒberdurchschnittlich viel Eismasse verlieren. Es besteht sogar das Risiko, dass der Rekord-Schmelzsommer aus dem Jahr 2003 ĂŒberboten wird. Damals sind drei bis vier Prozent des Gletschervolumens verloren gegangen.Â
Foto: Vor rund 30 Jahren ist man auf diesem Teil des Gletscherskigebiets von Zermatt noch den ganzen Sommer ĂŒber Ski gefahren. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Quelle: WetterOnline (c) Dr. David Volken