Magdeburg. Im Anschluss an den Anfang Juni vorgestellten Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben die Antidiskriminierungsberatungsstellen in Sachsen-Anhalt Bilanz ĂŒber ihre Arbeit im Jahr 2024 gezogen. Eine wachsende Zahl an unverhohlen in der Ăffentlichkeit geĂ€uĂerten Abwertungen gegenĂŒber bestimmten Gruppen spiegelt sich auch in den BeratungsfĂ€llen wider. Mit der âAntidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt“ (TrĂ€ger: Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH), den Antidiskriminierungsprojekten des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e. V. (LAMSA) sowie OFEK Sachsen-Anhalt stehen in Sachsen-Anhalt fachlich spezialisierte Beratungsstellen zur VerfĂŒgung. WĂ€hrend LAMSA bei merkmalsĂŒbergreifender, aber vor allem rassistischer Diskriminierung berĂ€t, unterstĂŒtzt OFEK Sachsen-Anhalt in FĂ€llen antisemitischer Gewalt und Diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle der Halleschen Jugendwerkstatt berĂ€t bei Diskriminierung aufgrund von rassistischer Zuschreibung und ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller IdentitĂ€t.
StaatssekretĂ€rin Susi Möbbeck (Foto), Integrationsbeauftragte der Landesregierung, dankt den Beratungsstellen fĂŒr ihren Einsatz: âMenschen, die Diskriminierung erfahren, dĂŒrfen nicht allein gelassen werden. Es braucht viel Kraft und Mut, sich zur Wehr zu setzen. Die Beratungsangebote stĂ€rken Betroffene, geben Orientierung und helfen, Rechte geltend zu machen. Gleichzeitig ist es unser Ziel, durch AufklĂ€rung und Sensibilisierung Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie in Bildungseinrichtungen langfristig entgegenzuwirken. Der Schutz vor Diskriminierung ist fĂŒr ein respektvolles und demokratisches Miteinander in Sachsen-Anhalt unverzichtbar.“
Im Jahr 2024 konnten die Antidiskriminierungsstellen in rund 270 FĂ€llen UnterstĂŒtzung anbieten.
Die Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt ist zentrale Anlaufstelle fĂŒr Menschen, die Diskriminierungen im Alltag erleben â sei es am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen oder im Kontakt mit Behörden. Insgesamt wurden 133 FĂ€lle registriert. Wie in den Vorjahren bezog sich der GroĂteil der Meldungen auf rassistische Zuschreibungen bzw. ethnische Herkunft (27 %), gefolgt von Diskriminierung wegen einer Behinderung sowie intersektionalen Benachteiligungen. Mit festen Standorten in Magdeburg, Halle und Stendal sowie mobiler Beratung im Burgenlandkreis konnte in den lĂ€ndlichen Regionen die Erreichbarkeit und Sichtbarkeit der Beratungsangebote weiter gesteigert werden. Projektleiterin Janine Weidanz bilanziert: âDer Diskurs um Diskriminierung nimmt zu. Diskriminierung wird sichtbarer, aber gleichzeitig von gesellschaftlichen und politischen Strukturen zunehmend toleriert oder verharmlost. Damit ist Antidiskriminierungsberatung wichtiger denn je, insbesondere auch in lĂ€ndlichen RĂ€umen.“
OFEK Sachsen-Anhalt mit Sitz in Halle (Saale) hat im 2024 35 komplexe BeratungsfĂ€lle mit antisemitischem Hintergrund aufgenommen und umfassend beraten. Fast die HĂ€lfte der FĂ€lle betraf VorfĂ€lle im öffentlichen Raum, gefolgt von antisemitischen Diskriminierungen in Bildungseinrichtungen. Seit seiner GrĂŒndung im Jahr 2021 unterstĂŒtzt OFEK Sachsen-Anhalt Betroffene, ihre Angehörige und Zeuginnen und Zeugen von Antisemitismus bei Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt. Besonders seit dem 7. Oktober 2023 verzeichnet die Beratungsstelle einen signifikanten Anstieg antisemitischer VorfĂ€lle â darunter gezielte SachbeschĂ€digungen und Gewaltandrohungen. Die Beratungszahlen spiegeln nicht nur statistische Entwicklungen wider, sondern verdeutlichen auch die anhaltenden Belastungen und Sicherheitssorgen von JĂŒdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt. âBundesweit hatte OFEK sogar eine vierstellige Anzahl an BeratungsfĂ€llen. Hinter diesen Zahlen stehen Menschen, mit ihren ganz individuellen und spezifischen LebensrealitĂ€ten, ihre sozialen Erfahrungen, ihren Sicherheitsbedenken und dem Antizipieren möglicher VorfĂ€lle, genauso wie ihren BewĂ€ltigungsstrategien. FĂŒr Betroffene stellen antisemitische VorfĂ€lle keine singulĂ€ren oder gar abstrakten Ereignisse dar, sondern reale und durchgehende KontinuitĂ€ten, die nachhaltig ihren Alltag prĂ€gen. OFEK Sachsen-Anhalt bietet bei allen Formen von Antisemitismus UnterstĂŒtzung“, sagt OFEK-Beraterin Elitsa Kirova.
In Halle, Dessau und Magdeburg berĂ€t die Beratungsstelle ENTKNOTEN Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. Die Beratung will Betroffene dazu ermutigen, ihre Rechte wahrzunehmen und Diskriminierung nicht schweigend hinzunehmen. Im Jahr 2024 konnten 60 FĂ€lle begleitet und juristische sowie psychosoziale UnterstĂŒtzung angeboten werden. Die hĂ€ufigsten VorfĂ€lle wurden aus dem öffentlichen Raum und im Kontakt mit Behörden gemeldet. Seit der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist die Zahl rassistisch motivierter Angriffe gegen Menschen mit Migrationsgeschichte in Magdeburg deutlich gestiegen. In den Regionen Anhalt-Bitterfeld, dem Landkreis Wittenberg und der Stadt Dessau-RoĂlau wurden durch die Antidiskriminierungsberatung Anhalt ĂŒber 40 FĂ€lle bearbeitet. âOb herkunftsbezogene oder merkmalĂŒbergreifende BeratungsfĂ€lle, die betroffenen Personen erleben die Diskriminierung als massiven Eingriff auf die LebensqualitĂ€t. Die damit einhergehende EinschrĂ€nkung alltĂ€glichen Lebens berĂŒhrt nicht nur Sicherheitsfrage der Einzelnen, sondern unsere zentrale demokratische Werte wie Freiheit, Selbstbestimmung, Minderheitsschutz aber auch Teilhabe. Daher sollten wir uns verstĂ€rkt die gemeinsame Anstrengung darauf richten, wie wir die Gesamtgesellschaft gestalten, in der alle Menschen diskriminierungs-/angstfrei entfalten und das Vertrauen miteinander aufbauen können.“, sagt Mika Kaiyama vom ProjekttrĂ€ger Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.âŻV.
Liegt ein VerstoĂ gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, bieten die Beratungsstellen vorjuristische UnterstĂŒtzung an. Dazu gehört das Verfassen von Beschwerden an die verantwortlichen Stellen, woraufhin eine schriftliche Stellungnahme erfolgen kann. Im weiteren Verlauf sind moderierte GesprĂ€che oder Vermittlungsverfahren möglich, um Diskriminierung sichtbar zu machen, abzubauen und strukturellen VerĂ€nderungen anzustoĂen.
Text/Foto: Ministeriums fĂŒr Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt am 23. Juni 2023