„Report Mainz“: Russische „Schattenflotte“ liefert Rohöl trotz Embargo direkt in die EU / Sendung heute 21:45 Uhr im Ersten / Moderation: Nadia Kailouli

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Greenpeace: Anzahl der Ă–ltanker in der Ostsee deutlich gestiegen – Ă–kosystem bedroht / Auswärtiges Amt: Weitere Schiffe sollen sanktioniert werden

Mainz. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs fahren immer häufiger alte und unterversicherte Rohöltanker durch die Ostsee. Das zeigt eine Datenauswertung der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ exklusiv vorliegt. Demnach ist die Zahl der Ă–ltanker, die durch die sogenannte Kadetrinne gefahren sind, im Vergleich zu 2021 um rund 70 Prozent auf fast 1.000 Schiffe gestiegen. Diese Seeroute verläuft nur wenige Kilometer vor der deutschen OstseekĂĽste und gilt wegen ihrer Enge und geringen Tiefe als gefährlich. Eine Recherche von „Report Mainz“ zeigt zudem, dass ein Teil der Flotte gegen geltende EU-Sanktionen verstößt. Manche Schiffe, die mutmaĂźlich russisches Rohöl geladen haben und von russischen Ostseehäfen aus gestartet sind, steuerten laut GPS-Daten direkt Häfen in der EU an, um das Rohöl dort abzupumpen.

Russisches Ă–l in der EU

Mehrfach konnte „Report Mainz“ dokumentieren, dass Tanker mit russischem Ă–l seit einigen Wochen direkt Häfen in der EU ansteuern. Dies verstößt gegen geltende EU-Sanktionen. Seit März 2023 sind russische Rohöltransporte per Schiff in die EU verboten. An den Transporten beteiligt waren vor allem Schiffe von griechischen Reedereien, deren Schiffe zum Teil der sogenannten russischen „Schattenflotte“ zugerechnet werden. Dabei handelt es sich um Tankschiffe, die im Verdacht stehen, Russland bei der Umgehung von Sanktionen zu helfen. Die Reporter konnten anhand von Satelliten-Daten etwa 15 Tanker seit Juli 2024 beobachten, die von den russischen Ostsee-Häfen in Primorsk, Ust Luga sowie dem Ă–lhafen Novorossyisk im Schwarzen Meer direkt europäische Häfen ansteuerten. Anhand des Tiefgangs der Schiffe zeigte sich, dass die Schiffe in den russischen Ă–lhäfen vollgepumpt und schwer beladen ablegten. Nach der Ankunft in den Zielhäfen verringerte sich der Tiefgang der Tanker um mehrere Meter. Ein Beleg dafĂĽr, dass die Schiffe ganz oder teilweise leergepumpt wurden. Die rund 250 Meter langen Tanker können jeweils mehr als 150 Millionen Liter Rohöl transportieren.

Verdacht auf Sanktionsverstöße

Angesteuert wurden nach Recherchen von „Report Mainz“ vor allem italienische Häfen wie Triest oder Augusta, vereinzelt aber auch Häfen in Kroatien, Frankreich oder Spanien. Zu möglichen Sanktionsverstößen der beobachteten Reedereien bzw. Tankschiffe wollte sich die EU-Kommission gegenĂĽber „Report Mainz“ nicht äuĂźern, die Ăśberwachung der EU-Sanktionen sei Aufgabe der Mitgliedsländer. Die zuständige italienische Zollbehörde lieĂź mehrere Anfragen des ARD-Politikmagazins zu den Schiffsbeobachtungen unbeantwortet. Die griechische Reederei TMS Tankers Ltd., die mit ihren Schiffen bei mehreren Transporten von russischem Rohöl beteiligt war, lieĂź ebenfalls eine Anfrage zu möglichen Sanktionsverstößen unbeantwortet. Die Reederei war in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Transporten von russischem Ă–l kritisiert worden, u. a. von ukrainischen Sanktionsexperten.

Gefahr von Ölunfällen in der Ostsee steigt

Laut Greenpeace passierten im vergangenen Jahr fast 1.000 Ă–ltanker die Ostsee, so viele wie noch nie. FĂĽr ihre Auswertung hat die Umweltschutzorganisation eigenen Angaben zufolge Daten der britischen Lloyd’s List Intelligence genutzt. Das Unternehmen gilt als Spezialist fĂĽr die Ăśberwachung und Analyse des internationalen Schiffsverkehrs. In den ersten sieben Monaten 2024 wurden laut den Daten 539 Tankschiffe gegenĂĽber 290 im selben Zeitraum 2021 erfasst. Die aktuelle Daten-Analyse zeigt zudem, dass dort immer mehr alte Schiffe unterwegs sind. „Im Schnitt sind die Tanker fast 17 Jahre alt“, so die Daten-Experten von Greenpeace. „Zudem ist die Zahl der Tanker deutlich gestiegen, die nicht gegen Ă–l-Unfälle versichert sind. Im vergangenen Jahr hatten etwa zwei Drittel aller Schiffe keine sogenannte „P&I-Versicherung“ gegen Havarien“. Bei einer P&I-Versicherung handelt es sich um eine Transportversicherung in der Schifffahrt, die unter anderem Folgeschäden und EntschädigungsansprĂĽche abdeckt.

Der grĂĽne Umweltminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt, sieht diese Entwicklung mit Sorge. Im Interview mit „Report Mainz“ berichtet er, dass man zu diesem Thema im ständigen Austausch mit den anderen Ostsee-Anrainer-Staaten sei. „Eventuelle Unfälle wĂĽrden das Ă–kosystem Ostsee sehr stark treffen. […] Das heiĂźt, Ă–lunfälle hätten sehr, sehr gravierende Auswirkungen. Und es macht mir natĂĽrlich auch als Energieminister Sorge, denn wir haben ja ein Ă–lembargo gegen Russland, das einen aggressiven Angriffskrieg in der Ukraine fĂĽhrt.“ Er könne als Landesminister nicht viel mehr tun, als das Land auf etwaige Ă–l-Unfälle gut vorzubereiten und fĂĽr einen bestmöglichen Havarie-Schutz zu sorgen.

Die EU-Staaten hatten Ende Juni in ihrem 14. Sanktionspaket gegen Russland erstmalig Sanktionen gegen einzelne Ă–ltanker beschlossen. Auf Anfrage von „Report Mainz“ heiĂźt es aus dem Auswärtigen Amt, dass in Zukunft weitere Schiffe auf die Sanktionsliste gesetzt werden sollen. Dazu befinde man sich derzeit in enger Abstimmung mit den G7- und den EU-Partnern. Das Ministerium verfĂĽge ĂĽber Erkenntnisse zu möglichen Verstößen gegen Importrestriktionen bezĂĽglich russischen Rohöls bzw. Rohölprodukte.

Text/Foto: SWR am 24. September 2024