Undercover in Kitas: Was passiert mit unseren Kindern? / Neue „Team Wallraff“-Recherchen heute um 20:15 Uhr bei RTL

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KindertagesstÀtten sollen Orte sein, an denen Kinder in sicherer Umgebung spielen, lernen und sich ausprobieren können, wÀhrend sie von fachkundigem Personal betreut werden.

Dass das nicht auf alle deutschen Einrichtungen zutrifft, zeigen die zahlreichen Hilferufe, die „Team Wallraff“ seit Jahren erhĂ€lt. Deutschlandweit fehlen mehr als 98.000 Erzieher:innen und ĂŒber 380.000 KitaplĂ€tze. Und dieser Mangel hat Folgen. Verunsicherte Eltern und verzweifelte FachkrĂ€fte berichten nicht nur von fehlender Arbeitsmoral und Empathie mancher Mitarbeitenden, sondern auch von teils rabiatem Umgang mit Kindern.

Diesen Hinweisen ist „Team Wallraff“-Reporterin Alesia in zweijĂ€hriger Recherche nachgegangen und hat in insgesamt drei KindertagesstĂ€tten erlebt, wie fehlerbehaftet das deutsche Kita-System sein kann: Überforderte Erzieher:innen, fehlende Kompetenzen im Umgang mit Kindern mit besonderem pĂ€dagogischen Förderbedarf sowie Kontrollversagen seitens der Behörden. Es sind oft systemische Probleme, die im Kita-Alltag nicht nur zur VernachlĂ€ssigung vieler Kinder fĂŒhren, sondern in manchen FĂ€llen sogar in physischer sowie psychischer Gewalt enden können. RTL zeigt die neue Folge „Team Wallraff: Undercover in Kitas – Was passiert mit unseren Kindern?“ heute um 20:15 Uhr.   

Mehr als 70 Hinweise auf MissstĂ€nde haben GĂŒnter Wallraff und sein Team aus verschiedenen Kitas erreicht. Diesen geht „Team Wallraff“-Reporterin Alesia als Praktikantin in zwei privaten sowie einer kirchlichen Einrichtung nach. Keine der Einrichtungen wollte vor Arbeitsbeginn eine Kopie ihres Personalausweises haben. Ist die QualitĂ€t der Betreuung, die sich Eltern fĂŒr ihre Kinder wĂŒnschen, wirklich immer gegeben?   

Mangelndes Fachpersonal, Überforderung und grober Umgang   

Besorgniserregende Hinweise fĂŒhren Alesia unter anderem nach SĂŒddeutschland in eine private Kita fĂŒr unter DreijĂ€hrige. Laut Aussage mehrerer Informant:innen sollen hier einige Erzieher:innen manchmal recht grob mit den Kindern umgehen. Insbesondere eine Mitarbeiterin verhalte sich sehr autoritĂ€r. WĂ€hrend ihres Einsatzes kann die Undercover-Reporterin mehrfach beobachten, wie weinende Kinder manchmal lĂ€ngere Zeit von den Erzieher:innen ignoriert werden, statt sie zu trösten. Im Falle eines EinjĂ€hrigen vergehen ĂŒber zehn Minuten, bis eine Kollegin die Mittagspause abbricht und den weinenden Jungen so tröstet, dass er aufhört. In einem Ă€hnlichen Fall erlebt Alesia, wie eine Mitarbeiterin einem Kind sogar droht, es allein in den Schlafraum zu schicken, wenn dieses nicht aufhört zu weinen. Hierzu teilen die AnwĂ€lte der Kita mit: „In der Einrichtung unserer Mandantin wird kein Kind bewusst weder ĂŒber einen Zeitraum von wenigen noch ĂŒber einen Zeitraum mehrerer Minuten weinen gelassen. Wenn ein Kind weint, wird die Situation pĂ€dagogisch beurteilt, was der Anlass ist und es wird versucht dem Kind bestmöglich zu helfen.“ Weiter heißt es: „Es sind unserer Mandantin auch keine Beispiele bekannt und kann daher auch nicht sein, dass ‚Kindern z.B. gedroht wird, allein in den Schlafraum geschickt zu werden, wenn sie nicht aufhören zu weinen'“.  

Unter den Kindern in Alesias Gruppe befindet sich ein Junge, der laut Aussage der Erzieher:innen einen besonderen Förderbedarf hat. Doch die notwendige Betreuung können die Mitarbeitenden im normalen Kita-Alltag kaum leisten, weder zeitlich noch vom Fachwissen her, wie sie der Reporterin anvertrauen. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen die Kolleg:innen ĂŒberfordert wirken und scheinbar nicht wissen, wie sie mit dem Verhalten des Jungen richtig umgehen sollen. So kann Alesia beispielswiese beobachten, wie der ZweijĂ€hrige nicht wie von einer Erzieherin verlangt, still sitzen bleibt, sondern lieber herumlaufen möchte. Das wird der Mitarbeiterin irgendwann zu viel: Sie schnappt sich den Jungen, setzt sich gemeinsam mit ihm auf den Boden und umklammert ihn mit ihren Beinen, sodass sich der Kleine nicht mehr eigenstĂ€ndig aus dieser Situation befreien kann. In einem Anwaltsschreiben der Kita heißt es hierzu, dass in der Einrichtung weder psychische noch körperliche Gewalt eingesetzt werde: „Es kann nicht ‚vorkommen, dass Kinder, wenn sie sich nicht an die Regeln halten, […] fixiert werden, bspw. durch das Einklemmen zwischen den Beinen einer Erzieherin gegen den Willen des Kindes'“.   

Integration im Kindergarten – wie gut funktioniert das?   

Wie gut die Integration von Kindern mit erhöhtem pĂ€dagogischen Förderbedarf im Kita-Alltag gelingt, schaut sich „Team Wallraff“ in einer weiteren Kita in SĂŒddeutschland an. Insgesamt 14 Kinder werden in Alesias Gruppe betreut, darunter Drei mit besonderem Förderbedarf. Bereits an ihrem ersten Arbeitstag fĂ€llt der Reporterin der strenge Umgangston einer Kollegin und gelernten Kinderpflegerin auf. Vor allem ein Junge wird von ihr immer wieder gemaßregelt, egal ob beim Essen oder beim Spielen. Wie die Undercover-Praktikantin erfĂ€hrt, ist er eins der drei Integrationskinder. Bis vor kurzem konnte er noch nicht einmal sprechen. Theoretisch sollten diese Kinder zusĂ€tzliche FörderunterstĂŒtzung von erfahrenem Fachpersonal wie HeilpĂ€dagog:innen, LogopĂ€d:innen und Ergotherapeut:innen erhalten. WĂ€hrend Alesias zweiwöchigem Einsatz bekommt sie nur ein einziges Mal mit, dass eine Therapeutin in die Kita gekommen ist. Auch eine besondere Förderung durch das Kita-Personal kann sie zumindest in dieser Zeit nicht erkennen. In einer Stellungnahme gegenĂŒber RTL heißt es seitens des Kita-TrĂ€gers: „Das Personal fĂŒr die Therapiestunden wird von der FrĂŒhförderstelle angestellt und an die Kita entsandt. UnabhĂ€ngig von den wöchentlichen Therapiestunden fördern wir die Kinder tĂ€glich im Freispiel und durch gezielte Förderangebote. Auf Grund der durch unseren TrĂ€ger bei Personalmangel eingesetzten mobilen Reserven, sind wir so gut wie immer in der Lage, diese tĂ€gliche Förderung zu gewĂ€hrleisten.“   

Die „Team Wallraff“-Reporterin gewinnt wĂ€hrend ihres Praktikums hingegen immer stĂ€rker den Eindruck, dass die Mitarbeitenden dieser Kita nicht ausreichend auf den Umgang mit Integrationskindern vorbereitet sind. So kommt es öfters zu Situationen wie dieser: Die Kinder beobachten draußen einen Schmetterling, als sie zum Mittagessen gerufen werden. Trotz Aufforderung verweilt eins der Kinder mit besonderem Förderbedarf noch etwas lĂ€nger und wird daraufhin von der Kinderpflegerin unsanft weggezerrt. Da er wohl dreckige HĂ€nde hat, greift sie zunĂ€chst seinen Kopf, dann seinen Arm und steuert so mit ihm auf den Wasserhahn zu. Der Junge versucht sich aus der Situation zu befreien, holt dabei mit dem Arm aus und trifft mit der schmutzigen Hand das Kleid der Erzieherin auf Bauchhöhe – was ihm erneuten Ärger einbringt. Als Alesia ihre Kollegin spĂ€ter auf deren sehr harschen Tonfall anspricht, gesteht diese, dass sie mit dem Jungen ĂŒberfordert sei und wisse, dass er im Kita-Alltag oft untergehe. Sie und ihre Kolleg:innen seien teilweise nicht auf Integrationskinder geschult, es fehle zudem an FachkrĂ€ften. In einem Schreiben an RTL Ă€ußert sich der TrĂ€ger dieser Kita wie folgt: „Es gibt bei uns grundsĂ€tzlich keine körperliche Gewalt gegen Kinder“. Weiter heißt es: „In unserer Einrichtung arbeiten Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen mit erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung“.   

Teure Privat-Kita: NachlĂ€ssigkeit beim Windelwechsel und mutmaßliche KrankheitsfĂ€lle  

Kinder, die aus fragwĂŒrdigen GrĂŒnden nach Hause geschickt werden, sowie angeblich teilweise unmotiviertes Personal – das berichten Informant:innen ĂŒber eine weitere private Kita in SĂŒddeutschland. Hier kostet ein Ganztages-Platz fĂŒr Kinder bis zu drei Jahren insgesamt 1150 Euro im Monat. Dass eine hochpreisige Kita nicht immer auch fĂŒr gute QualitĂ€t steht, zeigt sich Reporterin Alesia in diesem Einsatz deutlich. Als ein kleiner Junge morgens leicht hustet und schließlich trotz Skepsis seiner Mutter aufgrund von vermeintlich erhöhter Temperatur nach Hause geschickt wird, beginnen Alesias Kolleginnen bei fast allen Kindern Fieber zu messen. Doch dem Anschein nach wissen die Erzieher:innen gar nicht, wo das Stirnthermometer richtig angesetzt wird. Je nachdem, wo die Stirn des Kindes berĂŒhrt wird, erhalten sie unterschiedliche Werte. Dass so verlĂ€ssliche Ergebnisse erzielt werden, bezweifelt die „Team Wallraff“-Reporterin. Dennoch mĂŒssen schließlich zwei weitere Elternteile ihre mutmaßlich fiebernden Kinder abholen. Als Alesia die leitende Angestellte mit dieser Aktion konfrontiert, gibt diese zu, dass auch sie mit der Arbeitsleistung einiger Mitarbeiter:innen oft unzufrieden sei. Doch aufgrund von Personalmangel seien ihr die HĂ€nde gebunden. Die Kita selbst Ă€ußerte sich gegenĂŒber RTL nicht zu diesen VorwĂŒrfen. Dabei gab es bereits im Vorfeld der „Team Wallraff“-Recherchen Beschwerden ĂŒber diese Kita bei der zustĂ€ndigen Aufsichtsbehörde. Wie diese RTL schriftlich mitteilt, habe man bei der damaligen ÜberprĂŒfung keine Beanstandungen feststellen können. Die Erfahrungen der Reporterin könnten nun Anlass geben, die Kita erneut zu ĂŒberprĂŒfen. Dazu wird „Team Wallraff“ mit der zustĂ€ndigen Aufsichtsbehörde kooperieren.    

Des Weiteren stellt auch das Wickeln eine Aufgabe dar, vor der sich scheinbar manche Erzieher:innen gerne drĂŒcken. So bekommt die Undercover-Praktikantin mit, wie eine Mutter freundlich darum bittet, ihre Tochter aufgrund eines wunden Pos etwas hĂ€ufiger zu wickeln. Vor allem die vollen Windeln der kleinen Mira lösen unter Alesias Kolleg:innen regelmĂ€ĂŸig Diskussionen aus. Trotz angeblich fester Wickelzeiten wird die Reporterin Zeugin, wie eine Mitarbeiterin lieber so lange abwartet, bis Miras Vater sie mittags abholt. In einem GesprĂ€ch mit einer engagierten Kollegin erfĂ€hrt Alesia schließlich den vermeintlichen Grund: Angeblich wĂŒrden die anderen den Geruch nicht mögen, Mira rieche ihnen zu sehr nach „auslĂ€ndischem Essen“. Auch zu diesen VorwĂŒrfen blieb eine Stellungnahme der Kita aus.   

Wie die neuen Recherchen von „Team Wallraff“ außerdem ergeben: Die meisten BundeslĂ€nder fĂŒhren nach wie vor keine Statistiken ĂŒber besondere Vorkommnisse in KindertagesstĂ€tten. Wie hoch mag die Dunkelziffer nicht gemeldeter Übergriffe sein? Was passiert mit Kindern, die schon in der Kita nicht die Betreuung bekommen, die sie brĂ€uchten? Wie wirken sich diese Erfahrungen auf ihr spĂ€teres Leben aus? FĂŒr Investigativ-Journalist GĂŒnter Wallraff steht fest: „Es fehlen zuallererst mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen, aber auch unangekĂŒndigte Kontrollen zur Aufrechterhaltung der QualitĂ€t unserer Kitas und der Mitarbeitenden. Sollten MissstĂ€nde auftreten, mĂŒssen diese klar benannt werden. Wir brauchen noch mehr gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, die Spaß an ihrem Beruf haben und den Umgang mit Kindern als Berufung sehen.“   

Dass Integration im Kita-Alltag auch gelingen kann, zeigt eine KindertagesstĂ€tte in Ostdeutschland. Mit ihrem Konzept wurde sie vom „Deutschen Kita-Preis“ mit dem zweiten Platz geehrt. Was diese Kita so besonders macht, sehen Sie heute Abend in einer neuen Ausgabe von „Team Wallraff – Reporter Undercover“. Begleitend zur TV-Ausstrahlung erscheint zudem eine neue Folge von „Team Wallraff – Der Podcast“ auf RTL+ Musik und ĂŒberall sonst, wo es Podcasts gibt. Darin spricht Reporterin Alesia ĂŒber ihre emotionalen Undercover-EinsĂ€tze, Situationen, die sie besonders bewegt haben und ĂŒber die Dinge, die im TV nicht zu sehen waren.   

Foto: Undercover-Reporterin Alesia Harrer (l. und r.)
(c) RTL