Einmal durchpusten, bitte! Winterausklang auf der Nordseeinsel Föhr

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Wyk auf Föhr, 04. MĂ€rz 2023 – Die Biikefeuer sind heruntergebrannt, der Winter eigentlich vertrieben. Die Sonne gewinnt an Kraft und steigt tĂ€glich höher in den Himmel. Krokusse setzen erste Farbtupfer in die Landschaft und die GĂ€rten. Und doch gibt es sie noch: die FrostnĂ€chte, die glitzernde Morgenstunden bringen, und die Sturmtage, die das Wasser an den Strand peitschen und an den ReetdĂ€chern rĂŒtteln. Kommen Sie mit auf einen Sturmspaziergang ĂŒber die Insel und lassen Sie sich noch einmal so richtig durchpusten!

Das Meer hat sich zurĂŒckgezogen, die Luft ist klar. Es ist still am Strand von Wyk und die Farben, die vom Meer, vom Sand und die vom Himmel, sind sanft. GrĂŒne und tĂŒrkise Töne, feines Blau, helle, erdige Farben. Noch wirkt alles sanft, doch ĂŒber der FestlandskĂŒste sowie den Halligen im SĂŒden stehen schon WolkenbĂ€nke. In den kĂ€lteren Monaten an der KĂŒste unterwegs zu sein, bedeutet auch wohltuende Einsamkeit zu erleben – durchzuatmen, aber auch: sich durchpusten zu lassen. Wind und Wetter zu genießen. Was solch einen Ausflug richtig schön macht, ist die Einkehr, die Heimkehr, das anschließend WĂ€rmende fĂŒr Körper und Geist: sei es in die Aufgehobenheit einer uralten Kirche oder die gemĂŒtliche Urlaubsunterkunft, die Einkehr in eine gemĂŒtliche Bar oder ein gutes Restaurant. An den Kamin. Eine Wanderung bei Fackelschein, die auch. Das vielleicht spĂ€ter.

Natur mit allen Sinnen erleben

Wellen laufen an die Wasserkante und Wolken wehen heran, der Horizont liegt tief – darauf die Warften der Hallig Langeneß – und darĂŒber der weite Himmel von Nordfriesland. Endlos wie die See, ein offener Raum und hier zu spazieren, zu wandern, heißt auch Abstand vom Alltag zu gewinnen; gefĂŒhlt grĂ¶ĂŸer wird der mit jedem Schritt. Der Himmel macht langsam dicht, nun zeigen Lichtfinger auf diese BĂŒhne, setzen das Meer in Szene, die Vögel und die FĂ€hre. Das gleißend Silbrige des Wassers betont die dunklen Wolken nur umso mehr. Noch ist es nur ein leises Rauschen von Wind und Wellen, ein stilles Wehen, das auf See und das im messingfarbenen Gras der DĂŒnen, ein leises Wispern nur im KĂŒstenwĂ€ldchen. Es ist vielleicht die Ruhe vor dem Sturm.

Seltsam, und doch schön. Das Festland ist nicht mehr zu sehen, es ist im Diesigen verschwunden. Nur noch die Insel allein, sonderbar losgelöst ist auch das GefĂŒhl des Gehens. Die Schritte haben lĂ€ngst ihren Rhythmus gefunden, sie knirschen im Sand, sie klirren in die Muschelschalen. Immer wieder glitzert das Licht auf dem Wasser und dem Watt, zu sehen sind die Silhouetten zweier Menschen, die am SpĂŒlsaum unterwegs sind und offenbar was suchen. Was werden sie wohl finden? Rechterhand stehen knorrige Kiefern, das KrĂ€chzen von KrĂ€hen ist zu hören und der Wind weht die Rufe der Seevögel vorĂŒber. Ginster, gelbes Gras und vom ewigen Wind verbogene BĂ€ume, die ReetdachhĂ€user sind ein Bild der GemĂŒtlichkeit.

Die Kraft von Wind und Wetter

Die Flut kommt. Und wie so oft scheint es, als ob das Wasser auch schweres Wetter mitbringt: es wird kĂŒhler, feuchter, windiger, die Wolken sind jetzt viel nĂ€her. Es ist ein unheimliches GefĂŒhl, das unaufhaltsame Meer dabei zu beobachten, wie es SandbĂ€nke verschlingt oder noch fĂŒr den flĂŒchtigen Augenblick als Insel stehen lĂ€sst. Dann sind auch sie verschwunden und die See wird lauter, deutlicher. Das Klatschen der Wellen vermischt sich mit den Schreien der Möwen; es weht herbei und vorĂŒber. Der Wind frischt böig auf, reißt die Wolken auseinander und dann liegt die Insel Amrum in strahlendem Licht und ĂŒber das Meer jagen Wolkenschatten und Lichtfinger wie irre Theaterspots. Was fĂŒr EindrĂŒcke, welche Dramatik, sage noch jemand, es sei doch nur Wetter und Wind.

Über das Halligmeer im SĂŒden ziehen Regenschleppen, wehend wie dunkle Gardinen. Weit im Westen von Wyk, hinter Nieblum und Goting schon, knistert der Sand vor den Kliffs. Und im Gesicht – ist es der Wind oder auch ein paar Körnchen Sand, die es so schön prickeln lassen? Aus den Niederungen an der MĂŒndung des Baches Godel fliegen Vögel auf; verloren wirken sie im Wind wie eine Hand voll hingeworfenes Konfetti. Wolken rasen durch den Himmel, der SpĂŒlsaum mit all dem angespĂŒlten Zeug aus dem Meer liegt hoch an der Kante. In der Pause des inzwischen windiger werden Wetters flĂŒstert der Wind nur leise, das setzt Akzente auf Details und den Fokus auf seine Kraft. Ist der Kopf klar, ist auch Zeit und Muße zum Innehalten, zum Hinsehen, zum genauen Zuhören; das Gehen im frischen Wind hat die Sinne geschĂ€rft. Neugier geweckt.

Zum Beispiel wenn der Wind hier mit seinen VerbĂŒndeten, den Wellen, an der KĂŒste knabbert und Kliffs formt, so, wie auch sĂŒdlich von Hedehusum. Wenn aus den WolkenlĂŒcken heraus das Licht die Kante in Szene setzt, sie leuchtet und strahlt in den Farben Gelb, Beige und der von Rost. Wind und Wetter, Wasser und Wellen sorgen dafĂŒr, dass das einzig BestĂ€ndige die VerĂ€nderung ist. Eine steife Brise ist angenehm und ein stĂŒrmischer Tag ist ein Erlebnis, ein angenehmes und klĂ€rendes Durchpusten, auch des Kopfes. Ein wirklich schwerer Sturm aber ist gefĂ€hrlich, dann sollte niemand an solchen Stellen draußen unterwegs sein.

Ein Strandspaziergang der besonderen Art

Im Nordwesten der Insel liegt das Sörenswai-Vorland; ein Pfad dorthin, ein Tor im Wind, ein wilder Ort, ein kleiner, einsamer und verlassener Naturstrand. Draußen auf See, vor Sylt, sind Muschelkutter zu sehen, der Leuchtturm von Hörnum ist zu erkennen. Wieder schlagen die Schritte in den Sand und in die Muschelschalen, erneut bricht die Sonne durch und das Wasser draußen auf See glitzert, gleißt wieder magisch auf. Wind und Wolken sorgen fĂŒr ein schnelles, rasantes Wechselspiel, auch von Effekt und Farbe, man wird kaum mĂŒde, hinzusehen. Auch hier ist der SpĂŒlsaum hoch aufgeworfen. Wind, erst recht ein Sturm, pustet nicht nur den Kopf schön durch, sondern wĂŒhlt auch das Meer auf – und noch ist Sturmzeit.

Schwere See kann den Meeresboden erreichen und dort Pflanzen losreißen und Muscheln aufwirbeln. Gerade in der dunkleren Jahreszeit lassen sich bei einem Spaziergang am Strand Dinge entdecken, die man sonst nicht unbedingt findet. Blasentang zum Beispiel oder Meersalat, Kapseln von Rocheneiern (die sehen aus wie schwarze Ravioli mit Zipfeln an den Ecken) oder manchmal, mit ganz großem GlĂŒck, „PelikanfĂŒĂŸe“ – das sind Meeresschnecken. Mit ebenso viel GlĂŒck auch Bernstein. Weil an der NordkĂŒste von Föhr in den kĂŒhleren Monaten weniger Menschen unterwegs sind als im SĂŒden, ist die Chance, hier etwas Schönes zu finden, grĂ¶ĂŸer.

Schon auf dem Weg zum Sörenswai-Vorland fĂŒhrte der Weg ĂŒber den Deich. Er ist im wahren Wortsinn erhaben, weil ĂŒber allem gelegen; dem Vorland, der See, der Marsch – weit, wild und wunderbar. Ein HochgefĂŒhl und hier greift der Wind richtig zu. Wenn er anfĂ€ngt, die Leute zu schubsen und zu schieben, man Widerstand spĂŒrt beim Wandern, ist aus der steifen Brise ein wahrhaft stĂŒrmischer Wind geworden. Vom Deich reicht der Blick auf die See, aufgewĂŒhlt ist sie und wenn von den WellenkĂ€mmen Schaumfetzen zu fliegen beginnen, ist es wohl Zeit fĂŒr den Heimweg. Auch die Vögel haben sich grĂ¶ĂŸtenteils verzogen. Sonst ist gerade ein Spaziergang auf dem Deich an der Nordsee, an der NordkĂŒste von Föhr, eine gute Möglichkeit fĂŒr winterlichen Vogelkiek: AlpenstrandlĂ€ufer sind nicht nur emsig am SpĂŒlsaum unterwegs, sie fliegen auch in SchwĂ€rmen auf und fĂŒhren mitunter ein himmlisches Ballett auf. GĂ€nse fliegen vorbei mit sehnsuchtsvollem Ruf.

Der stĂŒrmische Wind flaut ab, dieses Tief zieht vorĂŒber. Die Lichter von Wyk leuchten heimwĂ€rts und in die beginnende DĂ€mmerung. Am Strand verteilen die jungen Leute von der Schutzstation Wattenmeer Fackeln an die GĂ€ste, laden ein zu einer mĂ€rchenhaften Wanderung – Sagen und Mythen bei Fackelschein. Sie erzĂ€hlen Geschichten, berichten von sagenhaften Wesen, auch solchen, die nur in der Nacht erscheinen, und der Schein der Fackeln flackert im Wind, in das Blau der Nacht. Ist es zu windig, werden Laternen verteilt, denn romantisch soll es sein bei dieser Wanderung. Die Lichter der LeuchttĂŒrme sind zu sehen – Langeneß, Pellworm, Amrum. GĂ€nsehaut nicht nur wegen der kĂŒhlen Brise. Der Wind singt sein ewiges Lied im Duett mit dem Rauschen der Wellen, und wieder ist es am Wintermeer eine AtmosphĂ€re voller Mystik und Magie. Dort, wo der Wind wohnt.

Foto: Ein Spaziergang im Winterwatt – ein ganz besonderes Erlebnis. © Föhr Tourismus GmbH/Ann-Kathrin Meyerhof