LINDNER-Interview: Wir setzen unsere Zusagen um

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Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesfinanzminister der Finanzen, Christian Lindner, gab „Merkur.de“ heute Antworten auf Leserfragen.

Frage (Matthias T., Scharbeutz): Ist es möglich, dass alle in die Rentenkasse einzahlen, also auch Beamte? Die Belastung durch die Pensions-AnsprĂŒche wird fĂŒr uns BĂŒrger und BĂŒrgerinnen so groß. 

Lindner: Beamtinnen und Beamte gehen ein besonderes DienstverhĂ€ltnis mit Rechten und Pflichten ein. Die Gegenleistung ist die Alimentation. Auf Lebenszeit sind die Unterschiede zur Privatwirtschaft geringer, als man denkt. Sie in die Rentenkasse einzahlen zu lassen, wĂŒrde die Probleme der Rentenversicherung jedenfalls nicht lösen. Je mehr Einzahler es gibt, desto mehr Rentenleistungen mĂŒssen letztlich auch ausgezahlt werden. Entscheidend ist, dass wir unser Rentensystem nachhaltig modernisieren â€“ zum Beispiel indem wir die gesetzliche Rente um ein kapitalgedecktes Element erweitern und gleichzeitig die private Vorsorge stĂ€rken. 

Frage (Walter B., Bad Emstal): An Entwicklungshilfe zahlt Deutschland jĂ€hrlich ca. 27 Milliarden Euro, hauptsĂ€chlich auch an die afrikanischen LĂ€nder. Wie wird geprĂŒft, ob das Geld auch effektiv fĂŒr die Infrastruktur eingesetzt wird, damit die Menschen ein besseres Leben haben und nicht als Migranten nach Europa kommen mĂŒssen? 

Lindner: Wir sehen es gleich. Seit ich vor nicht ganz zwei Jahren Finanzminister wurde, arbeite ich auch daran, dass unser internationales Engagement messbaren Fortschritt bringt. Deutschland gehört zu den wichtigsten Partnern des afrikanischen Kontinents in der Entwicklungsarbeit. Afrika besitzt ein großes wirtschaftliches Potenzial, von dem auch wie profitieren können. Das zu mobilisieren, trĂ€gt auch dazu bei, Fluchtursachen zu bekĂ€mpfen. Um sicherzustellen, dass Haushaltsmittel in der Entwicklungsarbeit zielgerichtet eingesetzt werden, haben wir als FDP uns im Koalitionsvertrag erfolgreich fĂŒr die StĂ€rkung des Deutschen Evaluierungsinstituts zur PrĂŒfung von Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vor Ort eingesetzt.

Frage (Tobias K., Frankfurt): Weshalb kĂŒndigen Sie die Regierungsbeteiligung nicht auf? Sie schaden meiner Meinung nach so ihrer eigenen Partei auf Bundesebene, wie auch bei den nun anstehenden Landtagswahlen. 

Lindner: Wir haben vor der letzten Wahl fĂŒr Ziele geworben. Auch wenn es oft Streit gibt, setzen wir diese Ziele in dieser komplizierten Konstellation um. Was wir unseren WĂ€hlerinnen und WĂ€hlern zugesagt haben, setzen wir um. WĂŒrden wir irgendwann gezwungen, unsere Überzeugungen verraten zu mĂŒssen, wĂ€re es anders. Aber dazu kam es nie bisher. 

Frage (Ralph A., Hohenbrunn): Vor gut 2 Jahren hat sich die FDP dafĂŒr starkgemacht, den erhobenen Solidarzuschlag fĂŒr Gutverdienende abschaffen zu wollen. Warum hört man da nichts mehr davon, warum wird das nicht weiter verfolgt? 

Lindner: Die FDP hat keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. 2017 wollte die CDU den Soli nicht abschaffen, obwohl eine Chance bestand. Jetzt mĂŒssen wir auf eine Gelegenheit nach der nĂ€chsten Wahl warten.

Frage (Katja W., Frankfurt am Main): Wollen Sie sich fĂŒr die weitere Forschung im Bereich Kernenergie einsetzen, damit Deutschland in diesem Bereich wissenstechnisch nicht total abgehĂ€ngt wird? 

Lindner: Wir mĂŒssen im Bereich Forschung und Entwicklung technologieoffen sein. Kernenergie ist und bleibt weltweit eine der wichtigsten und zuverlĂ€ssigsten Energiequellen. Deswegen ist es sinnvoll, hier weiter zu investieren: In Kernforschung, Reaktorsicherheit, Strahlenforschung oder Kernfusion. Letztere kann als grundlastfĂ€hige, klimaneutrale und dauerhaft verfĂŒgbare Energiequelle zu einem echten Gamechanger werden. Meine Parteikollegin Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat gerade deshalb erst ein Förderprogramm in Höhe von 1 Mrd. Euro aufgesetzt, um Deutschland zum weltweit fĂŒhrenden Fusionsökosystem zu machen.

Frage (Werner R., Eisenberg): Wann wird das Tempolimit von 130 km/h eingefĂŒhrt? Wann kommt die MautgebĂŒhr fĂŒr Pkw auf deutschen Autobahnen? 

Lindner: Ein generelles Tempolimit wird es mit der FDP nicht geben. Verbote sollten nur da ausgesprochen werden, wo sie auch tatsĂ€chlich gebraucht werden. Dort, wo es in Deutschland die Verkehrssicherheit erfordert, werden schon heute Tempolimits verhĂ€ngt. Der Beitrag eines generellen Tempolimits zur globalen CO2-Einsparung wĂ€re zudem marginal. Die verkorkste Pkw-AuslĂ€nder-Maut, wie sie die CSU eingefĂŒhrt hat, war ein großer Fehler. Dass dieser Fehler die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler 243 Millionen in EntschĂ€digungszahlungen kostet, ist mehr als bitter. Eine Maut, die auch deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer zahlen, lehne ich dagegen ab. Die zahlen schon genug!

Frage (Antje M., MĂŒnchen): Warnhinweise vor alten Satireshows und konsequentes Gendern bei ARD und ZDF. Ich habe das GefĂŒhl, die Öffentlich-Rechtlichen Sender wollen uns erziehen. DĂŒrfen die das? 

Lindner: Ich habe auch manches Fragezeichen. Die Sender sind autonom – sollten aber immer wieder kritisch prĂŒfen, was die Erwartungen der BĂŒrgerinnen und BĂŒrger sind. Am Ende geht es um Akzeptanz fĂŒr dieses System. 

Frage (Sonja A., Kassel): Manchmal habe ich das GefĂŒhl, dass die Meinungsfreiheit zugunsten von Befindlichkeiten einzelner Gruppen zurĂŒckgesteckt wird. Wie ist da Ihr Eindruck?

Lindner: Die Meinungsfreiheit ist unantastbar fĂŒr mich. Jede und jeder soll frei sprechen. Allerdings gibt es auch manche Meinung, die frei von Kenntnis oder Fakten ist. Dann muss man auch Widerspruch ertragen.

Frage (Rebecca W., Offenbach): Die BĂŒrokratie lĂ€hmt Deutschland. Ein wichtiger Faktor, um das zu Ă€ndern, ist die Digitalisierung. Aber das Budget ist von mehr als 300 Millionen von Ihnen als Finanzminister herunter gekĂŒrzt worden auf 3 Millionen. Wie soll die Digitalisierung jetzt funktionieren? 

Lindner: Der Eindruck, Haushaltsmittel fĂŒr Digitalisierung seien gekĂŒrzt worden, ist falsch. Sie beziehen sich auf das Innenministerium, wo im Vorjahr nicht genutzte Gelder eingesetzt werden, so dass alle geplanten Vorhaben umgesetzt werden. Die angebliche KĂŒrzung ist also eine optische TĂ€uschung. Und bei mir werden 600 Millionen Euro mehr fĂŒr den zentralen IT-Dienstleister des Bundes mobilisiert.

Foto © Christian Lindner