Nicole Anger: Zahnmedizinische Versorgung im Land stÀrken

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Magdeburg. In der Debatte um den Mangel an Zahnmediziner:innen im Landtag betont Nicole Anger (Foto), gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke:

„Die aktuelle Version des Versorgungsatlasses der KassenzahnĂ€rztlichen Vereinigung liegt uns vor. Diese aktualisierte Prognose bis 2030 darf aber niemanden ĂŒberraschen. Schockierend sind sie allemal. Die wesentlichen Entwicklungen sind :

  1. FĂŒr 8 von 14 Landkreisen wird bis 2030 eine Unterversorgung bzw. eine drohende Unterversorgung prognostiziert. Machen wir es konkret! Unterversorgt werden sein: Mansfeld-SĂŒdharz, das Jerichower Land und der Altmarkkreis Salzwedel. Drohende Unterversorgung haben wir dann im Landkreis Stendal, Saalekreis, Harz, in der Börde und auch in der Landeshauptstadt Magdeburg.
  2. Insgesamt lÀsst sich feststellen, dass in 13 von 14 Planungsbereichen droht eine dramatische Verschlechterung der zahnmedizinischen Versorgung.
  3. Die zu erwartenden Renteneintritte von ZahnÀrzt:innen bis 2030 sind um ein Vielfaches höher als die Zahl der ZahnÀrzt:innen, die in den Job im Land kommen.
  4. Praxisaufgaben, weil es an jungen Nachfolger:innen fehlt, liegen derzeit bei 60 Prozent. Also 3 von 5 Praxen finden keine Nachfolge!

Das alles wird dazu fĂŒhren, dass mehr als eine halbe Million Menschen in unserem Bundesland nicht mehr zahnmedizinisch versorgt sein wird. Also jede vierte Person! Wir mĂŒssen gemeinsam die ZĂ€hne zusammenbeißen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Der Mangel an ZahnĂ€rzt:innen hat bereits jetzt zu einer Verschlechterung der Versorgung der Patient:innen gefĂŒhrt. FĂŒr Patient:innen heißt das lĂ€ngere Wartezeiten auf einen Termin, lĂ€ngere Anfahrtswege, vergebliche Suche nach Neuaufnahme in einer Praxis sowie verstĂ€rkter Zulauf in der Notfallversorgung.

Die Aufgabe des Landes ist es, die Versorgung der Bevölkerung Sachsen-Anhalts in den Blick zu nehmen und VersorgungsengpĂ€ssen, besonders im lĂ€ndlichen Raum, entgegenzuwirken. Am besten ist natĂŒrlich, sie erst gar nicht entstehen zu lassen. DafĂŒr ist es nun leider deutlich zu spĂ€t. Mit der aktuellen Prognose der KZV werden 2030 noch rund 57 Prozent der heute tĂ€tigen ZahnĂ€rzt:innen in der Versorgung tĂ€tig sein.

Wir stehen aktuell vor einer Situation, in der jĂ€hrlich deutlich mehr ZahnĂ€rzt:innen ausscheiden als neue in den Job starten. Bis Ende 2030 werden 600 ZahnĂ€rzt:innen altersbedingt aus dem Job ausscheiden. Hingegen bilden wir pro Jahrgang 40 in Halle aus, davon bleibt nur ca. ein Viertel im Land. Bisher unberĂŒcksichtigt bleibt in der Debatte der Gesundheitsversorgung die aktuelle Entwicklung zum Beispiel in Magdeburg und den Umlandgemeinden. Intel will bauen und Menschen herholen. Je nachdem wem man glaubt, werden zwischen 8.000 und 20.000 Menschen nach Sachsen-Anhalt kommen, um bei Intel zu arbeiten. Auch diese Menschen brauchen zahnmedizinische Versorgung.

Es gilt die FachkrĂ€ftegewinnung als auch -bindung zu stĂ€rken! Die Landesregierung ist in der Pflicht, sich fĂŒr ein gutes Leben fĂŒr alle verantwortlich zu zeigen. Dabei sind neben der Ausbildungsfrage auch insbesondere unterstĂŒtzende Maßnahmen zur PraxisĂŒbernahme gerade im lĂ€ndlichen Raum zu schaffen. Dazu muss sich die Landesregierung mit den Kommunen aktiv zusammentun, um vor Ort Rahmenbedingungen zu erhalten und zu schaffen, die Familien willkommen heißen. Dazu gehört ÖPNV, KitaplĂ€tze, Grundschulen in WohnortnĂ€he, Vereins- und Kulturleben. Gerade wenn wir den lĂ€ndlichen Raum vom Zuzug nicht abhĂ€ngen wollen, dann braucht es dort gute Lebensbedingungen.

Modelle wie das der Polikliniken, also Versorgungszentren in kommunaler TrĂ€gerschaft mĂŒssen in den Fokus gerĂŒckt werden. Denn auch die Arbeitsbedingungen und vor allen die Anforderungen an Arbeit haben sich verĂ€ndert. Das Modell des selbststĂ€ndigen Zahnarztes, der allein seine Praxis fĂŒhrt, wird sich ĂŒberholen, wenn es das nicht gar schon hat. Im Interesse stehen eher Praxisgemeinschaften, in denen man nicht nur Technik sich teilt, sondern sich auch vertreten kann. Und es ermöglicht Spezialisierungen.

Ich verweise an dieser Stelle auch mal auf das ThĂŒringer Projekt des Gesundheitsbahnhofes. Wir halten es fĂŒr eine gute Idee, dies fĂŒr Sachsen-Anhalt zu prĂŒfen und auch auszuprobieren. In ThĂŒringen klappt das sehr gut, da pendeln Ärzt:innen ein, die Versorgung findet in dem dafĂŒr entsprechend ausgestatteten BahnhofsgebĂ€ude statt. Auch die Patient:innen kommen aus dem Ort oder eben mit dem Zug hin. Da wir aber nicht wollen, dass Praxen geschlossen werden, um anderswo neu zu bauen, wollen wir, dass das Land ein Förderprogramm auflegt, um die Übernahme zu unterstĂŒtzen.“

Quelle: Fraktion Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt am 23. Februar 2024

Foto (c) Ben Gross