STRG_F: „Hitler-Tagebücher“-Fälscher leugnet Holocaust in weiterem Papier zur „Judenfrage“

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Der Fälscher der „Hitler-Tagebücher“ Konrad Kujau hat gezielt versucht, Hitlers Rolle bei der systematischen Ermordung von Jüdinnen und Juden im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten zu verschleiern. Das belegt ein weiteres gefälschtes Hitler-Dokument Kujaus, das das Rechercheformat STRG_F (NDR/funk) auswerten konnte.

In dem 18-seitigen Dokument zur „Judenfrage“ bezieht sich der vermeintliche Adolf Hitler auf die Wannseekonferenz, auf der die Nationalsozialisten den industriell betriebenen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden organisierten. Diese historische Wahrheit wird in dem Papier jedoch nicht erwähnt. Der vermeintliche Hitler spricht stattdessen davon, die Juden in Osteuropa anzusiedeln und nach Geschlechtern zu trennen. „Sehr wichtig ist es, daß die Geschlechter über Kilometer getrennt werden und auch getrennt bleiben“, heißt es in der Fälschung. Durch die „normale Verminderung“ und „natürliche Auslese“ solle so „Europa judenfrei“ gemacht werden. „Ich rechne bis ins Jahr 1965 werden wir es in Europa geschafft haben“, schreibt der falsche Hitler in dem Dokument.

Nach den neuesten Recherchen des NDR über die „Hitler-Tagebücher“, die eine Intention Kujaus zeigen, Hitler vom Holocaust freizusprechen, ist dies ein weiterer Beleg für die revisionistische Agenda des Fälschers.

Die systematische Vernichtung wird auch in verklausulierter Form nicht in dem vorliegenden Dokument erwähnt. Kujaus Hitler warnt stattdessen SS-Chef Heinrich Himmler davor, Juden zu töten. „Himmler muß auch daran denken, daß diese Juden noch in der Welt Verwandte haben, und diese sich wundern würden, wenn ihre Verwandten plötzlich verschwunden sind.“

Der „Stern“-Reporter Gerd Heidemann hatte das 18-seitige Dokument von Kujau Anfang 1983 erworben. Sein Ressortleiter Thomas Walde hatte laut Heidemann Kenntnis davon, riet aber offenbar vor einer frühen Veröffentlichung ab. Heidemann hielt sowohl das Pamphlet als auch die „Hitler-Tagebücher“ damals für echt. „Ich hatte auch immer wieder Informationen bekommen, dass Hitler eventuell das nicht wusste“, sagt Heidemann im Interview mit STRG_F. Heidemann führt außerdem aus, er habe angenommen, dass Himmler die Judenvernichtung ohne Zustimmung und Wissens Hitlers „im vorauseilenden Gehorsam“ betrieben habe. Dieses Motiv taucht auch in den „Hitler-Tagebüchern“ an zahlreichen Stellen auf. Der Stern schrieb 1983, dass die Geschichte aufgrund der „Tagebücher“ in „großen Teilen neu geschrieben werden“ müsse.

Für den Politikwissenschaftler Prof. Hajo Funke, der für den NDR die gefälschten „Hitler-Tagebücher“ analysiert hat und auch das 18-seitige Pamphlet kennt, hätte der revisionistische Inhalt die Fälschung umgehend auffliegen lassen müssen. „Wenn man sich auch nur ansatzweise mit dem Stand der seriösen Wahrnehmung auseinandergesetzt hätte, hätte einem das auffallen müssen. Das bedeutet aber indirekt, dass jemand wie Heidemann daran nicht interessiert war“, so Prof. Funke.

Der NDR hatte in der vergangenen Woche die gefälschten Hitler-Tagebücher in einer kommentierten Ausgabe unter www.ndr.de/hitlertagebuecher veröffentlicht.

STRG_F berichtet in einer Reportage über die Hintergründe der Fälschung. Der Film ist ab heute um 17 Uhr in der ARD Mediathek und auf www.youtube.com/STRG_F abrufbar.

STRG_F wird vom NDR für funk produziert.