Ergebnisse der Sondersitzung des Kabinetts zur medizinischen Versorgung in Sachsen-Anhalt

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Magdeburg. Angesichts eines sich abzeichnenden Mangels an Ärzten und Zahnärzten sowie medizinischem Fachpersonal in Sachsen-Anhalt ist Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (Foto) heute in der Staatskanzlei mit Vertretern u.a. der Ärzte- und Zahnärzteschaft, der medizinischen Fachberufe, der Krankenkassen, der Krankenhäuser und beiden Universitätsklinika, der medizinischen Fakultäten, der kommunalen Spitzenverbände sowie mit den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien und der Landesregierung zusammengekommen, um ein Lagebild zu erhalten und Lösungswege zu erörtern. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne und Wissenschaftsminister Armin Willingmann sagten die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu, die sich insbesondere dem Thema Fachkräftesicherung widmen und der Frage nachgegen soll, wie Absolventen nach dem Studium in Sachsen-Anhalt ein attraktives Arbeitsumfeld geboten werden kann.

Wesentliche Gesprächsthemen des Gesundheitskabinetts:

Sachsen-Anhalt als attraktiver Arbeits- und Lebensort für Fachkräfte im Gesundheitswesen

Die Landesregierung hat sich mit den Gesundheitsvertretern zu der Frage ausgetauscht, welche Versorgungsmodelle den Vorstellungen der künftigen Generation der Ärzte- und Zahnärzteschaft am ehesten entspricht und wie man diesen Vorstellungen gerecht werden kann. Es wurde sich darauf verständigt, eine gemeinschaftliche (Image-)Kampagne zu initiieren, um die Vorzüge für Absolventinnen und Absolventen der Human- und der Zahnmedizin, im Land Sachsen-Anhalt tätig zu werden, deutlich zu machen. Dazu gehören zum Beispiel gute Verdienstmöglichkeiten für Hausärzte, gute Zulassungsmöglichkeiten und attraktive Baulandpreise. Da es für die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzte gerade in ländlichen Regionen einer besonderen Unterstützung durch die Kommunen bedarf, hat die Landesregierung die Kommunalvertreter aufgefordert, verstärkt infrastrukturelle Voraussetzungen zu schaffen und zum Beispiel bei der Suche nach Praxisräumen, einem Kitaplatz, einer Wohnung oder eines Baugrundstückes zu helfen.

In der Diskussion wurde zudem deutlich, dass für junge Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner flexible Teilzeitangebote, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Stichwort: Work-Life-Balance), das Arbeiten im ärztlichen Team sowie möglichst breite Angebote zur beruflichen Weiterbildung immer stärker im Vordergrund stehen. Die Landesregierung hat angeregt, dass die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und Krankenhäuser eine offensive Beratung und Angebote zu modernen und flexiblen Arbeitsmodellen sowie zu Weiterbildungsmaßnahmen verstärkt anbieten.

Landarztquote in der Humanmedizin

Die Studienplatzvergabe in den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen ist bundeseinheitlich geregelt. Sie erfolgt auf der Grundlage des von allen Ländern geschlossenen Staatsvertrages über die Hochschulzulassung vom 4. April 2019. Die Landesregierung hat in der Kabinettssitzung darauf hingewiesen, dass der Staatsvertrag über die Hochschulzulassung in Artikel 9 regelt, dass bis zu 20 Prozent aller zur Verfügung stehenden Studienplätze aller Fachrichtungen für folgende Personengruppen als Vorabquoten vorzuhalten sind, wobei die Verordnung über die Vergabe der Studienplätze der Länder den prozentualen Anteil festlegt:

  • Härtefälle (2 v.H.)
  • Besonderer öffentlicher Bedarf

Sanitätsdienst der Bundeswehr (2,2 v.H.)

Landarztquote (6,3 v.H.)

Amtsarztquote (1,5 v.H.)

  • Ausländische Staatsangehörige (5. v.H.)
  • Bewerber für ein Zweitstudium (3 v.H.)

Es verbleiben daher nach Abzug der übrigen Vorabquoten für die Land- und Amtsarztquote von den zur Verfügung stehenden 20 Prozent insgesamt 7,8 Prozent. Diese verteilen sich mit 6,3 Prozent auf die Landarztquote und 1,5 Prozent auf die Amtsarztquote.

Um die Vorabquote von insgesamt 20 Prozent zu erhöhen, wäre eine Änderung des Staatsvertrages notwendig. Diese kann jedoch nicht im Alleingang geschehen. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung der anderen Bundesländer. Die Landesregierung wird das Thema in den dafür fachlich zuständigen Gremien erörtern und sich gegenüber den anderen Bundesländern für eine Erhöhung der Vorabquoten und gegebenenfalls notwendige Änderung des Staatsvertrages einsetzen.

Eine Umverteilung von nicht ausgeschöpften Vorabquoten auf die Landarztquote scheidet aus, da diese Studienplätze nach dem Staatsvertrag automatisch zurück in das Hauptverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung gehen. Gegen eine Umverteilung von nicht ausgeschöpften Medizinstudienplätzen der Amtsarztquote auf die Landarztquote hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtliche Gründe geltend gemacht.

Derzeit erfolgt zudem innerhalb der Gremien der Stiftung für Hochschulzulassung eine rechtliche Überprüfung, ob und in welchem Umfang durch Absenkung der bestehenden Vorabquoten für Härtefälle, für ausländische Staatsangehörige und Zweitstudium eine Erhöhung der Land- bzw. Amtsarztquote erfolgen könnte. Die Landesregierung hat in der Kabinettssitzung zugesichert, sobald eine Möglichkeit der Erhöhung der Quote gegeben ist, diese auch rechtlich im Land umzusetzen.

Schaffung einer Landzahnarztquote

Die Berechnung einer Landzahnarztquote richtet sich ebenfalls nach der Höhe der Vorabquoten nach dem Staatsvertrag in Höhe von maximal 20 Prozent. Allerdings wird im Bereich der Zahnmedizin für den Sanitätsdienst der Bundeswehr nur ein Anteil von 1,4 Prozent in der Verordnung über die Vergabe der Studienplätze vorgesehen. Die Land- und die Amtsarztquote werden hierbei nicht berücksichtigt, da sich diese nicht auf die Zahnmedizin beziehen. Somit verbleibt für eine Landzahnarztquote ein Anteil von maximal 8,6 Prozent. Das ergäbe 3 Studienplätze bei den insgesamt 40 zur Verfügung stehenden Studienplätzen. Die Landesregierung führt aktuell gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KZV LSA) eine Detailprüfung durch, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, um die Vorabquote für eine Landzahnarztquote im Land Sachsen-Anhalt umzusetzen. Beim Vorliegen der Voraussetzungen wird die Landesregierung die gesetzlichen Grundlagen für eine Landzahnarztquote in Sachsen-Anhalt schaffen. Die Universitäten planen die Einrichtung eines Masterstudiengangs Land-Zahnarzt.

Erhöhung der Zahl der Studienplätze

Die Landesregierung sieht für Sachsen-Anhalt nicht die Erhöhung der Anzahl der Studienplätze als erfolgversprechend an, sondern dass die ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte im Land gehalten werden. Die Aufstockung der Studienplätze selbst bedeutet nicht gleichzeitig, dass die ausgebildeten Fachkräfte dann in Sachsen-Anhalt tätig werden. Die Anzahl der Studienanfängerplätze in Humanmedizin in Sachsen-Anhalt ist im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl weit überdurchschnittlich. Nur das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern liegen in diesem Vergleich vor Sachsen-Anhalt. Daher sollte das Augenmerk verstärkt auf den Verbleib der Fachkräfte im Land gerichtet werden. Es bestand Einigkeit, dass die Rahmenbedingungen im Land so gestaltet werden müssen, dass nach Abschluss des Studiums ein Verbleib im Land attraktiv wird. Die Landesregierung strebt an, dass möglichst viele Absolventinnen und Absolventen in Sachsen-Anhalt bleiben, um den Bedarf im Land auch künftig abzusichern. Die Landesregierung, die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt und die Kommunalen Spitzenverbände prüfen, welche Maßnahmen geeignet sind, um die Bleibequote deutlich zu steigern. Zudem wird die Landesregierung gemeinsam mit den Universitäten gezielt nach Möglichkeiten suchen, dass Landeskinder, die im Ausland studieren, ihr Medizinstudium in Sachsen-Anhalt nahtlos fortführen können. Dem vorausgehend bedarf es auch der Mitwirkung der Studierenden. Landeskinder, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben, sollen zügig das Anerkennungsverfahren durchlaufen, um eine Tätigkeit im Land aufnehmen zu können.

Berufsanerkennung ausländischer Mediziner

Die Dauer der Anerkennungsverfahren ist ein wesentlicher Aspekt für ausländische Zahn-Medizinerinnen und -Mediziner bei der Entscheidung für den künftigen Arbeitsort. Länder, in denen die Verfahren zügig durchlaufen werden können, haben hier einen Wettbewerbsvorteil. Aus diesem Grund müssen die Verfahren zur Erlangung einer Berufserlaubnis oder Approbation zur Ausübung der (zahn-)ärztlichen Tätigkeit in Sachsen-Anhalt möglichst zügig erfolgen. Deshalb sind gemeinsame Anstrengungen Aller erforderlich, um hier positivere Rahmenbedingungen für interessierte Fachkräfte zu schaffen bzw. überhaupt Interesse für Sachsen-Anhalt zu wecken.

Mangel bei medizinischen Fachangestellten – die Arztpraxis als attraktiver Arbeitsort

Zahnarztpraxen und Arztpraxen benötigen ausreichend medizinisches Fachpersonal. Dazu ist eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erforderlich, damit das Berufsbild des (zahn-)medizinischen Fachangestellten als ausreichend attraktiv bewertet wird. Dazu ist es erforderlich, zu erfahren, welches die größten Abwanderungsmotive des betroffenen Fachpersonals sind und wie hoch der Bedarf an diesem Personal in Sachsen-Anhalt ist. Die Landesregierung hat daher angeregt, dass eine entsprechende Abfrage durch den Verband medizinischer Fachberufe e. V. und/ oder durch die (Zahn-)Ärztekammer erfolgt.

Entlastung der Ärzteschaft durch Delegation an andere Gesundheitsfachberufe

Die von Ärztinnen und Ärzten geltend gemachte Arbeitsüberlastung kann in Teilen dadurch abgemildert werden, dass Aufgaben auf andere Gesundheitsberufe delegiert werden oder in ausgewählten Bereichen auch Heilkunde übertragen wird. Insbesondere die Ärzteschaft ist gefordert, sich neuen Aufgabenverteilungen, Versorgungsmodellen zu öffnen und offensiv mitzuwirken. Dazu ist die Bereitschaft erforderlich, mit anderen Gesundheitsberufen zusammenzuarbeiten und Aufgaben abzugeben. Dadurch können zeitliche Freiräume für die Aufgaben geschaffen werden. Die Landesregierung hat die Vertreter der Ärzteschaft aufgefordert, bei einer neuen Aufgabenzuordnung und eines künftigen Professionenmixes in der medizinischen Versorgung aktiv einen mitgestaltenden Part zu übernehmen.

Digitale Anwendungen in Arztpraxen

Es bestand Einigkeit, dass digitale Anwendungen in den Arztpraxen in Sachsen-Anhalt dazu beitragen können, die Versorgung der Patientinnen und Patienten insbesondere im ländlichen Raum zu verbessern und längerfristig Arztpraxen von Bürokratie zu entlasten. Eine Voraussetzung hierfür ist eine flächendeckende Versorgung mit leistungsstarken Gigabitnetzen. Aber auch die Vermittlung von digitalen Kompetenzen. Daher müssen bereits in der Aus-, Weiter-, und Fortbildung die digitalen sowie technologischen Veränderungen gelehrt werden. Es wird eine Patientengruppe geben, die Schwierigkeiten mit den digitalen Anwendungen haben. Hier ist mit einem hohen Beratungs- und Unterstützungsaufwand durch Ärztinnen und Ärzte und Praxispersonal zu rechnen.

Krankenhausreform des Bundes und Etablierung einer sektorübergreifenden Versorgung

Die Landesregierung informierte über den Stand der Krankenhausreform, die Sachsen-Anhalt eng begleitet. Die in den ostdeutschen Ländern seit den 1990er Jahren bereits erfolgte Konsolidierung der Krankenhauslandschaft muss der Bund bei der nunmehr geplanten Krankenhausreform berücksichtigen. Mit Blick auf die demografische Situation und den höheren Anteil älterer Menschen in Sachsen-Anhalt setzt sich die Landesregierung dafür ein, die sektorenübergreifende Versorgung zu stärken und dies entsprechend gesetzlich mit zu verankern und dafür ein geeignetes Vergütungssystem zu etablieren. Dabei muss die Planung für den ambulanten und den stationären Bereich enger miteinander verknüpft werden. Nur damit kann ein Wegbrechen versorgungsrelevanter Strukturen und Versorgungslücken verhindert werden.

Die wirtschaftliche Notlage vieler Krankenhäuser ist der Landesregierung durchaus bekannt. Daher ist Sachsen-Anhalt auch Mitantragsteller für die Initiative „Entschließung des Bunderates zur kurzfristigen wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und dauerhaften Refinanzierung aktueller sowie künftiger inflations- und tarifbedingter Kostensteigerungen“, die in der Sitzung des Bundesrates am 24. November 2023 eingebracht wird.

Sachsen-Anhalt unterstützt ausdrücklich das Vorhaben des Bundes, die Gesundheitsversorgung in der Kommune zu verbessern. Mit dem Referentenentwurf eines Versorgungsstärkungsgesetzes sind vom Bund erste Vorschläge für eine bessere sektorenübergreifende, verzahnte Gesundheitsversorgung auf Ortsebene vorgelegt worden. So soll es für Kommunen leichter werden, selbst MVZ zu gründen (kommunale MVZ). Zudem sollen die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, mit Kommunen einen Gesundheitsregionenvertrag zur besseren Berücksichtigung besonderer regionaler Gesundheitsaspekte und zur besseren Einbindung der Kommunen in ihrer Verantwortung für die die Daseinsvorsorge zu schließen. Die Landesregierung wird den Gesetzgebungsprozess eng begleiten.

Quelle: Staatskanzlei und Ministerium für Kultur am 21. November 2023

Foto: Dr. Reiner Haseloff © Steffen Boettcher