GEW Sachsen-Anhalt: Bilanz zur Vorgriffsstunde: Mehr Ärger als Erfolg an den Schulen

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Magdeburg. Die Bilanz zum „Jahrestag“ des Bildungsgipfels von MinisterprĂ€sident Haseloff am 19. Januar 2023 fĂ€llt aus Sicht der GEW Sachsen-Anhalt denkbar schlecht aus. Auf der Habenseite rĂŒhmt sich die Landesregierung mit einer geringfĂŒgig besseren Unterrichtsversorgung an allen Schulen, obwohl diese immer noch weit entfernt von 100 Prozent ist. Dabei ist zu bezweifeln, ob diese Entwicklung einzig mit der EinfĂŒhrung der Vorgriffsstunde verbunden oder eher ein Ergebnis der Regelung zu den Langzeitarbeitszeitkonten ist.

Das nach unserer Wahrnehmung einzig positive Ergebnis ist, dass LehrkrĂ€fte an Grundschulen – leider auch nicht alle – auf dem Weg zur Entgeltgruppe A 13/E 13 sind.

Offenbar wurde die Vorgriffsstunde durch MinisterprĂ€sident Haseloff am 19. Januar 2023 auf dem sogenannten Bildungsgipfel ohne jegliche organisatorische Vorbereitung verkĂŒndet. Anders kann man sich die chaotische Umsetzung der Regelung in den darauffolgenden Wochen nicht erklĂ€ren. Die notwendige Verordnung wurde erst ca. zwei Monate spĂ€ter veröffentlicht. Die darin enthaltene Zusage, dass man die Vorgriffsstunden monatlich bezahlen will, wurde bisher noch nicht eingehalten. Stattdessen wurden den Schulleitungen fast monatlich neue Erfassungslisten vorgesetzt. Offensichtlich weiß das Bildungsministerium bis heute nicht genau, wie viele Vorgriffsstunden seit April gehalten worden sind. Laut einer kleinen Anfrage (DS 8/1885) von Thomas Lippmann, Bildungspolitischer Sprecher DIE LINKE, schĂ€tzt man die Stunden nur ab, die ab dem Zeitpunkt der EinfĂŒhrung möglich gewesen wĂ€ren. Genaue Zahlen werden nicht genannt.

Die Unterrichtsversorgung an einzelnen Schulen, in den Schulformen und Landkreisen ist weiterhin sehr unterschiedlich und liegt nur in wenigen Schulen bei mehr als 100 Prozent. Nach Auffassung der GEW Sachsen-Anhalt hat vermutlich eher die EinfĂŒhrung von Langzeitarbeitszeitkonten zu einer besseren Unterrichtsversorgung im Land gefĂŒhrt. Dadurch konnten die LehrkrĂ€fte schon zum Beginn des Schuljahres mit der vollen Unterrichtsverpflichtung eingesetzt werden, weil die angesammelten Mehrstunden aus dem Vorjahr zu diesem Zeitpunkt nicht mehr abgegolten wurden mussten.

Weiterhin verlassen noch mehr LehrkrĂ€fte mit Bezug der erstmöglichen Rente den Schuldienst. Dabei sind sie in erster Linie enttĂ€uscht ĂŒber die fehlende WertschĂ€tzung, die ihnen oftmals nach einer mehr als 40-jĂ€hrigen Dienstzeit entgegengebracht wird. Statt diese Kolleg*innen im Alter stĂ€rker zu entlasten, wurde die AltersermĂ€ĂŸigung nach hinten verschoben. Damit forciert man die vorzeitigen KĂŒndigungen zahlreicher LehrkrĂ€fte.
Leider löste die Landesregierung auch ihre Zusage nicht ein, LehrkrÀfte und Schulleitungen bei zusÀtzlichen, administrativen Aufgaben zu entlasten.

Zudem hat sich die Quote der langzeiterkrankten LehrkrĂ€fte kaum verĂ€ndert, obwohl im Januar 2023 versprochen wurde, BemĂŒhungen zum verstĂ€rkten Gesundheitsmanagement fĂŒr LehrkrĂ€fte zu unternehmen.

Trotz intensiver Anstrengungen der Landesregierung zur Einstellung von Seiteneinsteigenden bleibt die Abbrecherquote im Seiteneinstieg bei ca. 30 Prozent. Gerade die BeschĂ€ftigungsbedingungen mit einer vollen Unterrichtsverpflichtung nach einem einmonatigen EinfĂŒhrungskurs ohne die Möglichkeit zur lĂ€ngeren Hospitation bei erfahrenen LehrkrĂ€ften dĂŒrften dafĂŒr Hauptursache sein.

„Das Bildungsministerium erwĂ€gt nicht etwa eine Entlastung der LehrkrĂ€fte, sondern denkt sich noch zusĂ€tzliche Aufgaben aus, wie u. a. die sogenannte fokussierte Schullaufbahnempfehlung, die zusĂ€tzliche Beratungen und Tests schon im dritten Schuljahr und einen eventuellen Probeunterricht vorschreibt. All das fĂŒhrt eher zu noch mehr Ärger und Frust in den Schulen,“ sagt Eva Gerth (Foto), die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt. „Dabei gĂ€be es wahrscheinlich BeschĂ€ftigte, die die Vorgriffsstunde fĂŒr ihre SchĂŒler*innen auch ohne Zwang mittragen wĂŒrden, wenn es an anderer Stelle ein Entgegenkommen geben wĂŒrde.“

PĂ€dagogische Mitarbeiterinnen und Schulverwaltungsassistentinnen können die Schulen entlasten, in dem sie flĂ€chendeckend und in noch grĂ¶ĂŸerer Anzahl eingestellt werden, um den LehrkrĂ€ften Verwaltungsaufgaben abzunehmen oder sie in ihrer pĂ€dagogischen Arbeit zu unterstĂŒtzen. Doch der Einstellungsstopp der Landesregierung fĂŒr das Haushaltsjahr verhindert diese Möglichkeit.

Auch die vom MinisterprĂ€sidenten angekĂŒndigte RĂŒckkehroffensive von LehrkrĂ€ften aus der Verwaltung in den Schuldienst war offenkundig nur ein „Lippenbekenntnis“. Der GEW sind kaum Initiativen der Ministerien bekannt, die fĂŒr eine RĂŒckkehr in den Schuldienst geworben haben.

Die GEW fordert nach wie vor, das Geld, das durch die unbesetzten Stellen von LehrkrĂ€ften entsteht, fĂŒr die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der BeschĂ€ftigten an Schulen auszugeben. Dazu gehören u. a.:

  • der weitere Aufbau von multiprofessionellen Teams in allen Schulen, um die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen,
  • die unbedingte GewĂ€hrung von Anrechnungsstunden fĂŒr zusĂ€tzliche Aufgaben, wie u. a. die Betreuung der Seiteneinsteigenden bzw. der LehrkrĂ€fte im Vorbereitungsdienst; auch solche Stunden mĂŒssen auf dem Arbeitszeitkonto gebucht bzw. bezahlt werden können,
  • die Erfassung der Arbeitszeit von LehrkrĂ€ften, um endlich die tatsĂ€chlichen Belastungen feststellen zu können, sowie
  • Absprachen mit freien BildungstrĂ€gern, um deren Potentiale fĂŒr die Schulen nutzen zu können. Dazu mĂŒssen solche Angebote ĂŒber ein halbes Schuljahr entsprechend bezahlt werden.

Text/Foto: GEW Sachsen-Anhalt am 18. Januar 2024