DLR / Strombasierte Kraftstoffe: Technologieplattform PtL – Blick in die Zukunft

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Leuna. Mit der Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe, kurz TPP, errichtet das Deutsche Zentrum fĂŒr Luft- und Raumfahrt (DLR) im sachsen-anhaltischen Leuna eine in Form und GrĂ¶ĂŸe einzigartige Forschungs- und Demonstrationsanlage – gefördert vom Bundesministerium fĂŒr Digitales und Verkehr (BMDV). Im Mittelpunkt stehen Technologien und großtechnische Verfahren, um strombasierte Kraftstoffe – auch Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL) genannt – zeitnah in industriellem Maßstab herzustellen. Am 16. Oktober 2023 hat das DLR in Leuna die Planung fĂŒr die Anlage vorgestellt, die ab 2024 auf einem knapp fĂŒnf Hektar großen GelĂ€nde des Chemiestandorts Leuna entstehen soll.

FĂŒr diese Planungsphase hat das BMDV bis zu 12,7 Millionen Euro zur VerfĂŒgung gestellt. Die Bewilligung der Umsetzungsphase in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags soll Ende des Jahres erfolgen. Der Betrieb der Forschungsanlage ist zunĂ€chst bis 2035 geplant, ein Weiterbetrieb darĂŒber hinaus angedacht. Es werden circa 100 ArbeitsplĂ€tze in den Bereichen Bau, Anlagenbetrieb und Forschung entstehen.

„Der Luftverkehr ist unverzichtbar in einer freien und globalisierten Welt. Deshalb sind strombasierte Kraftstoffe ein wichtiger Baustein, um die MobilitĂ€t der Zukunft klima- und umweltvertrĂ€glicher zu machen. Mit der TPP wird das DLR gemeinsam mit namhaften Industrieunternehmen sowie Forschungseinrichtungen die dafĂŒr notwendigen Technologien entwickeln und demonstrieren, um die Grundlagen fĂŒr eine industriellen Produktion zu schaffen. So entsteht einmaliges Know-how mit dem wir den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stĂ€rken“, sagte die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla anlĂ€sslich der Veranstaltung in Leuna.

Daniela Kluckert, Parlamentarische StaatssekretĂ€rin beim Bundesminister fĂŒr Digitales und Verkehr: „Mit der vom BMDV geförderten Technologieplattform fĂŒr Power-to-Liquid-Kraftstoffe entsteht in Leuna die weltweit grĂ¶ĂŸte Forschungsanlage zur Herstellung von PtL-Kraftstoffen – an einem Ort mit großer industrieller Tradition im Herzen der Bundesrepublik. Das ist nicht nur eine Auszeichnung fĂŒr die Region, sondern fĂŒr den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland als Ganzes. Wir wollen international vorangehen und optimale Voraussetzungen fĂŒr den Markthochlauf strombasierter Kraftstoffe schaffen. Die neue Forschungsanlage wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Technologien fĂŒr die industrielle Produktion strombasierter Kraftstoffe zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. Der Aufbau der Technologieplattform ist ein bedeutender Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen und umweltvertrĂ€glichen MobilitĂ€t.“

MinisterprĂ€sident Dr. Reiner Haseloff betonte: „Sachsen-Anhalt ist der ideale Standort fĂŒr die Technologieplattform zu strombasierten Kraftstoffen. Wir haben eine moderne und leistungsfĂ€hige Chemische Industrie mit ĂŒber hundertjĂ€hriger Erfahrung. Wir sind fĂŒhrend bei der Nutzung regenerativer Energien und hier sind hervorragende Forschungseinrichtungen zu Hause. Die Technologieplattform ist ein wichtiger Baustein fĂŒr den erfolgreichen Strukturwandel in der Region. Von Sachsen-Anhalt aus werden in den kommenden Jahren wesentliche Grundlagen fĂŒr die Gestaltung der Energiewende in Deutschland geschaffen. Darauf können wir stolz sein.“

„Das industrielle Umfeld und die professionellen Infrastrukturen und Dienstleistungen am Chemiestandort Leuna werden dazu beitragen, den Weg erneuerbarer Kraftstoffe vom Technikum in die Praxis zu ebnen“, erlĂ€uterte Dr. Christof GĂŒnther, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Standortbetreibers InfraLeuna GmbH. „Die Auswahl des Standortes Leuna aus mehr als 60 Bewerbern durch das DLR motiviert uns fĂŒr die weitere Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und die aktive VerknĂŒpfung von Forschung, Entwicklung und industrieller Praxis. Der Standort Leuna wird neben der Biotechnologie auf einem weiteren zukunftstrĂ€chtigen Feld chemischer Produktion Technologiebetreiber in Europa sein“, so Christof GĂŒnther weiter.

Bisher grĂ¶ĂŸte Forschungsanlage fĂŒr industrielle Produktion von strombasierten Kraftstoffen

Die Technologieplattform PtL besteht aus zwei aufeinander aufbauenden AnlagenstrĂ€ngen: Der Schwerpunkt des Demonstrationsstrangs liegt auf dem Kampagnenbetrieb einer semi-industriellen Anlage zur Produktion strombasierter Kraftstoffe. Die KapazitĂ€t betrĂ€gt bis zu 10.000 Tonnen pro Jahr. Aktuell wĂ€re die TPP damit die weltweit grĂ¶ĂŸte Forschungsanlage im Bereich der strombasierten Kraftstoffe. Mit dem Demonstrationsstrang gehen die Forschenden Fragen nach, wie Herstellungsprozesse möglichst effizient auf ein semi-industrielles Level hochskaliert und Betriebsparameter optimiert werden können.

Aus erneuerbarem Strom und Wasser produziert der Demonstrationsstrang der TPP mittels Elektrolyse zunĂ€chst Wasserstoff. Der Strom stammt ausschließlich aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Fotovoltaik und erfĂŒllt die strengen Nachhaltigkeitskriterien der erneuerbare Energien Richtlinie (RED II) der EU. Bei Bedarf wird der Wasserstoff in großen Speichern mit einer KapazitĂ€t von 24 Stunden Volllast-Betrieb zwischengelagert. Dann wird er mit CO2 aus der Luft und aus biogenen Quellen – zum Beispiel Biogas-Anlagen oder Biomasse-Kesseln – in ein Synthesegas umgewandelt. Anschließend folgt die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese. In diesem bereits industriell ausgereiften Prozess wird aus dem Synthesegas ein synthetisches, strombasiertes Rohöl gewonnen. Aufgrund der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung lassen sich die Prozesse der Erdölaufbereitung nicht direkt auf das aus erneuerbaren Ressourcen gewonnene synthetische, strombasierte Rohöl, sogenanntes Syncrude, ĂŒbertragen. Deshalb muss auch die anschließende Weiterverarbeitung zu normgerechten Kraftstoffen an das Syncrude angepasst und optimiert werden. Die gewonnenen Kraftstoffe können dann insbesondere fĂŒr die klimavertrĂ€gliche Luftfahrt sowie Schifffahrt und den bodengebundenen Verkehr genutzt werden.

Im Forschungsstrang – mit einer KapazitĂ€t von 100 Tonnen pro Jahr – entwickelt das DLR mit Wissenschaft und Industrie innovative Technologien weiter und erprobt neue AnsĂ€tze, um Produktionsprozesse und Kraftstoffeigenschaften zu verbessern. Zudem untersucht es, wie strombasierte Kraftstoffe auch auf Basis von „grĂŒnem“ Methanol hergestellt werden können.

Fuel Design: gezielte Kraftstoff-Entwicklung reduziert auch Nicht-CO2-Effekte

Strombasierte Kraftstoffe haben das Potenzial, nicht nur grĂ¶ĂŸere Mengen an CO2 einzusparen, sondern auch die sogenannten Nicht-CO2-Effekte erheblich zu senken. Dazu gehört der Ausstoß von Stickoxiden, Rußpartikeln oder Wasserdampf. In der Luftfahrt ist die Klimawirkung der Nicht-CO2-Effekte derzeit deutlich grĂ¶ĂŸer als die Klimawirkung des freigesetzten CO2. Zum Beispiel können Rußpartikel und Wasserdampf in der AtmosphĂ€re Kondensstreifen verursachen, die einen zusĂ€tzlich wĂ€rmenden Effekt haben. Strombasierte Kraftstoffe bieten in diesem Kontext einen weiteren Vorteil: den des sogenannten Fuel Designs. Das heißt, die chemische Zusammensetzung dieser Kraftstoffe lĂ€sst sich so optimieren, dass beim Verbrennungsprozess beispielsweise kein Ruß oder Feinstaub mehr entsteht.

Das Projekt Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe, kurz TPP, wird im Rahmen des Gesamtkonzepts Erneuerbare Kraftstoffe mit insgesamt 12,7 Millionen Euro durch das Bundesministerium fĂŒr Digitales und Verkehr gefördert. Die Entwicklungsplattform fĂŒr PtL-Kraftstoffe wird von der NOW GmbH koordiniert und durch die ProjekttrĂ€ger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH umgesetzt.

Titelfoto: Visualisierung der Technologieplattform PtL (TPP) (c) Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Foto 2: Strombasierte Kraftstoffe fĂŒr die MobilitĂ€t der Zukunft: Veranstaltung in Leuna stellt TPP-Projekt vor

Von links: Dr. Christof GĂŒnther (GeschĂ€ftsfĂŒhrer InfraLeuna GmbH), Prof. Manfred Aigner (Projektleiter TPP, DLR-Institut fĂŒr Verbrennungstechnik), Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla (Vorstandsvorsitzende des DLR), Dr. Reiner Haseloff (MinisterprĂ€sident des Landes Sachsen-Anhalt), Eva Ackermann (Leiterin Referat G26 Energie, erneuerbare Kraftstoffe, Sektorkopplung, Versorgungssicherheit im Bundesministerium fĂŒr Digitales und Verkehr)

Foto Credit: DLR/EnricoRechtnitz