17. Juni – 70. Jahrestag des Volksaufstands: Zentrale Gedenkveranstaltung in Magdeburg

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Magdeburg/St. Der Aufstand des 17. Juni 1953, an dem an mehr als 700 Orten der DDR rund eine Million Menschen teilnahmen, war ein einschneidendes Ereignis: Den offenen Protest gegen die SED-Diktatur, der mit Forderungen nach freien und geheimen Wahlen sowie nach der Wiedervereinigung Deutschlands verbunden war, schlugen sowjetische Panzer nieder. AnlÀsslich des 70. Jahrestages des Volksaufstands haben die Landesregierung und die Landeshauptstadt Magdeburg am heutigen Tag zu einer zentralen Gedenkveranstaltung in den Moritzhof in Magdeburg eingeladen.

In seinem Grußwort hielt der PrĂ€sident des Landtages von Sachsen-Anhalt, Herr Dr. Gunnar Schellenberger, fest: „Der 17. Juni 1953 gehört zweifellos zu den SchlĂŒsseldaten der jĂŒngeren deutschen Geschichte. Auch wenn er in seiner gesamtdeutschen und europĂ€ischen Bedeutung kaum angemessen wahrgenommen wird. Einer Diktatur ausgeliefert zu sein, haben viele Menschen in der DDR auch ganz persönlich erfahren mĂŒssen. Menschen mit diesen Erfahrungen reagieren daher sensibler, wenn die einer Diktatur nahekommenden Eigenschaften zu spĂŒren sind. FĂŒr Freiheit und Selbstbestimmtheit aufzustehen, verdient jederzeit Respekt.“

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang wĂŒrdigte das Datum als „bedeutendes gesamtdeutsches Ereignis“ und ergĂ€nzt: „Die Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse ist und bleibt von besonderer Bedeutung. Die Menschen riskierten ihr Leben fĂŒr Freiheit, Demokratie und die deutsche Einheit. Das gilt es auch heute zu wĂŒrdigen und der Opfer zu gedenken. Den jĂŒngeren Generationen gilt es aufzuzeigen, was es bedeutet, nicht in Freiheit und nicht im demokratischen Rechtsstaat aufzuwachsen. Das muss uns immer in Erinnerung bleiben.“

„Der Moritzplatz mit der angrenzenden ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Volkspolizei war am 17. Juni 1953 ein Zentrum des Kampfes um Selbstbestimmung, Freiheit und demokratische Teilhabe“, hĂ€lt OberbĂŒrgermeisterin Simone Borris fest. „Um an diesem Ort die bĂŒrgerliche Courage und das politische Engagement der Demonstrierenden zu wĂŒrdigen und sie aus der AnonymitĂ€t zu heben, steht das diesjĂ€hrige zentrale Gedenken im Zeichen des Austauschs zwischen den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und den Magdeburger Jugendlichen. Indem die unterschiedlichen Lebensperspektiven beider Generationen zusammenkommen, wird der Wert der Demokratie nachhaltig ins Bewusstsein gerufen.“

WĂ€hrend der Gedenkveranstaltung hielt ebenso Herr Udo Rupp als Vorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V. ein Grußwort. Die Fernsehmoderatorin und Sprecherin der Tagesschau, Frau Susanne Daubner, sprach ĂŒber ihre Gedanken zum 17. Juni 1953 und zum Leben in der ehemaligen DDR.

Im Rahmen der Erinnerungskultur kommt der Auseinandersetzung der nachfolgenden Generationen mit dem 17. Juni 1953 eine besondere Bedeutung zu. Das Geschichtsprojekt „Jugend im Juni“ setzt sich mit dem Volksaufstand auseinander und wurde wĂ€hrend der Gedenkveranstaltung vorgestellt. Insgesamt 20 SchĂŒlerinnen und SchĂŒler des

Geschwister-Scholl-Gymnasiums Magdeburg und der Integrierten Gesamtschule Willy Brandt Magdeburg haben Zeitzeugen interviewt und sich intensiv mit diesem Abschnitt unserer Landesgeschichte auseinandergesetzt. Dabei hatten sie Kontakt zu etwa 80 damals Jugendlichen aufgenommen, die den 17. Juni 1953 als SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in Magdeburg erlebten. Betreut wurde das Projekt von Herrn Professor Dr. Christoph Volkmar (Landeshauptstadt Magdeburg/Stadtarchiv) und Herrn Dr. Richard Millington (UniversitĂ€t Chester).

Hintergrund:

Die sowjetische MilitĂ€radministration ĂŒbernahm am 17. Juni 1953 die oberste Befehlsgewalt, verkĂŒndete das Kriegsrecht und verhĂ€ngte in 167 von 217 Landkreisen den Ausnahmezustand. Der Ausnahmezustand wurde fĂŒr viele Orte am 25. und 29. Juni 1953 aufgehoben. In einigen Regionen bzw. StĂ€dten blieb er lĂ€nger bestehen. Von der Staatssicherheit wurden in der Folgezeit 15.000 Demonstranten festgenommen. Fast 800 Menschen wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. In Sachsen-Anhalt lagen die Schwerpunkte des Aufstands in der Industrieregion rund um Halle und in der Stadt Magdeburg. In Magdeburg verschaffte sich eine Menschenmenge gewaltsam Zugang zur Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei. Die ErstĂŒrmung der nahe gelegenen Haftanstalt scheiterte. Es kamen drei Mitglieder der Wachmannschaft ums Leben. Ab Mittag fuhren in den Straßen Panzer auf und brachten im Laufe des Nachmittags den Aufstand unter Kontrolle. Das blutige Niederschlagen des Aufstands kostete DDR-weit mehr als 50 Menschen das Leben.

Am 2. Juni 2023 weihten der MinisterprĂ€sident des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, und die Ministerin fĂŒr Inneres und Sport, Dr. Tamara Zieschang, im Beisein der KĂŒnstlerin Christine Bergmann zwei Gedenkstelen ein. Mit der Errichtung der zwei Stelen bekommt die schon vorhandene Erinnerungstafel an der Hauswand des Ministeriums fĂŒr Inneres und Sport eine wĂŒrdige ErgĂ€nzung. Die aus Verbundsicherheitsglas bestehenden Stelen wurden im Hochformat gefertigt. Die auf den Stelen reproduzierten Bilder stammen aus dem Nachlass eines inzwischen verstorbenen Magdeburger Zeitzeugen, dessen Nachfahre, Herr Lunkeit, die Bilder dem Landesarchiv als Depositum zur Nutzung kostenfrei ĂŒbergeben hat. Die Quellentexte sind bereits als staatliches Archivgut im Bestand des Landesarchivs. Sie geben ĂŒberwiegend Dokumente der Volkspolizei wieder.

AnlĂ€sslich des 70. Jahrestages des Volksaufstands prĂ€sentierte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang am 5. Juni 2023 das Heft 8 der archivpĂ€dagogischen Reihe QuellenNAH im Landesarchiv der Öffentlichkeit. Das Druckwerk widmet sich dem Aufstand des 17. Juni 1953 und den Ereignissen in den damaligen Bezirken Halle und Magdeburg. Diese und weitere Hefte der QuellenNAH-Reihe können hier heruntergeladen werden: https://lha.sachsen-anhalt.de/onlineangebote/quellennah/uebersicht

Titelfoto v.r: Innenministerin Dr. Tamara Zieschang und OberbĂŒrgermeisterin Simone Borris (c) Foto: „MI LSA/Matthias Piekacz“

Bild 2: Susanne Daubner bei der Veranstaltung (c) Foto: „MI LSA/Matthias Piekacz“


Bild 3: Kranzniederlegung GedenkstĂ€tte Moritzplatz (c) Foto: „MI LSA/Matthias Piekacz“


Bild 4: Vorstellung Projekt „Jugend im Juni“ (c) Foto: „MI LSA/Matthias Piekacz“