RSV, Grippe & Corona auf einmal: Magdeburger Kinderklinik kommt an KapazitÀtsgrenzen

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Magdeburg. Die Belegungssituation in der Klinik fĂŒr Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Magdeburg spitzt sich zu. Schon jetzt im November bringt die Herbst-/Winterwelle aus RS-Viren, Grippe und Corona die Einrichtung an ihre KapazitĂ€ts-Grenzen. „Wir können zwar immer noch Kinder aufnehmen, mĂŒssen dies aber zunehmend auch aus anderen Kliniken im Umland, weil die ebenso ĂŒberlaufen. Es wird zu einem tĂ€glichen Wagnis, wo in der Gegend noch Betten fĂŒr Kinder frei sind“, erklĂ€rt Chefarzt Dr. Matthias Heiduk. Dieser Zustand sei dauerhaft unhaltbar.

In dieser Saison sei die Grippewelle recht frĂŒh, zudem beobachte man eine Vielzahl an Kindern, die mit RSV ins Krankenhaus kommen. Dabei handelt es sich um das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus, das bei Erwachsenen nur erkĂ€ltungsĂ€hnliche Symptome wie Schnupfen, Husten und Halsschmerzen erzeugt. Bei SĂ€uglingen und Kleinkindern kommt es jedoch oft zu schwereren VerlĂ€ufen mit einer LungenentzĂŒndung, sodass die Kinder sauerstoffpflichtig werden. GefĂ€hrdet fĂŒr schwerere VerlĂ€ufe sind zudem Kinder mit Lungenvorerkrankungen. „RSV haben wir in jeder Saison. Dieses Mal ist das Aufkommen aber recht stark. Das mag damit zu tun haben, dass nach Jahren der Corona-Schutzmaßnahmen recht viele Kinder gleichzeitig zum ersten Mal mit diesem Virus in Kontakt kommen“, so der Mediziner.

„Auch die ambulant tĂ€tigen KinderĂ€rzte arbeiten an ihrer KapazitĂ€tsgrenze auf Grund der vielen erkrankten Kinder. Im stationĂ€ren Bereich mĂŒssen wir geplante Aufnahmen verschieben, um die stationĂ€r behandlungsbedĂŒrftigen SĂ€uglinge und Kleinkinder mit Infektionen betreuen zu können. KapazitĂ€tsprobleme in der stationĂ€ren Versorgung haben derzeit viele Kinderkliniken. Aktuell bekommen wir Anfragen aus Hannover und Braunschweig, ob wir Kinder stationĂ€r aufnehmen können. Der Aufwand ist natĂŒrlich enorm und fĂŒr die ohnehin schwerer erkrankten Kinder eine zusĂ€tzliche Belastung. Gleichzeitig können wir unsererseits stationĂ€r zu behandelnde Kinder zum Teil nicht mehr unterbringen und suchen nach PlĂ€tzen in anderen StĂ€dten. Die Zuspitzung der Situation hat auch mit der Schließung einiger Kinder- und Jugendkliniken der letzten Jahre im nördlichen Sachsen-Anhalt zu tun“, so der Mediziner. Besonders bedenklich ist, sagt Dr. Heiduk, dass es aktuell EngpĂ€sse auf vielen Kinderintensivstationen gibt. „KĂŒrzlich erst haben wir ein Intensivbett fĂŒr ein Kleinkind gesucht. In Magdeburg, Halle, Braunschweig und Hannover war keins verfĂŒgbar. Erst Leipzig konnte uns helfen. Solche langen Transportwege stellen an sich wiederum eine zusĂ€tzliche Belastung und Risiko fĂŒr schwer erkrankte Kinder dar.“

Neben extremen saisonalen Effekten sieht der Kindermediziner ein strukturelles Defizit in der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen als Ursache dieser Zuspitzungen in der Versorgung. So sei zu beobachten, dass mit der EinfĂŒhrung des Fallpauschalensystems DRG in Deutschland die Zahl der Kinderkliniken um ein FĂŒnftel gesunken sei; das Fallpauschalensystem schreibt begrenzte Mittel zur Versorgung eines Patienten vor. „Kinder sind jedoch nicht wie erwachsene Patienten. Der Behandlungsaufwand ist schlicht viel grĂ¶ĂŸer, wird aber mit dem derzeitigen Fallpauschalensystem nicht finanziert“, so Dr. Heiduk. Über Jahre machten Kindermediziner auf dieses Problem aufmerksam, ohne dass sich etwas tat. Die Folge waren immer wieder sogenannte „unwirtschaftliche“ Kinderkliniken, die geschlossen wurden. „Aktuell finden wir endlich Gehör. FĂŒr 2022 und 2023 plant die Politik ZuschlĂ€ge fĂŒr die stationĂ€re kinderĂ€rztliche Versorgung. Ich hoffe, dass sich dies nachhaltig positiv auf die stationĂ€re PĂ€diatrie auswirkt“, sagt Dr. Heiduk.

Die Kinder- und Jugendmedizin muss aber auch ihren Teil leisten und sich den Anforderungen der Zukunft stellen. Personalmangel und Ambulantisierung brauchen neue Strukturen, so Dr. Heiduk.  

Foto: Dr. med. Matthias Heiduk (c) Klinikum Magdeburg / Anja Wernecke